Von der Entwicklungshilfe zur Gewürzkultur
Nach der Ausrufung der Unabhängigkeit Mosambiks liessen sich viele ausländische Entwicklungs-Helfer im Land nieder. Darunter auch Hans Schilt.
Der ausgewanderte Schweizer hatte eine Generation junger Künstler in Grafik unterrichtet und wurde dann Impresario. Heute pflanzt er den lokalen Pfeffer namens Piri-piri an.
Wir haben uns für 19 Uhr verabredet. Hans Schilt hatte versprochen, uns das kulturelle Leben in der Hauptstadt Maputo zu zeigen. Auf dem Programm stand auch das «Théâtre d’hiver», ein Amateurtheater-Festival, das eine lokale Kulturvereinigung in einem alten Palast aus der portugiesischen Kolonialzeit durchführt.
«Ich kenne in der ganzen Welt kein so lebhaftes Theaterpublikum wie das in Mosambik», sagt er. Das Stück wird in einem Amphitheater gespielt, der Eintritt kostet 20 tausend Meticals, rund 0,75 Dollar.
Der Boden der Bühne ist mit einem Plastiktuch bedeckt, weil der Originalboden in einem schlechten Zustand ist. Zu Beginn tanzt eine Gruppe aus vier jungen Männern im traditioneller Kleidung zum Rhythmus der Trommeln.
Das Publikum ist mitgerissen, singt, schreit und lacht und verleiht den Tänzern damit noch mehr Energie. In der Pause erzählt uns Schilt von seinem Leben.
Solidarität mit Afrika
Hans Schilt wird 1938 in Langnau, im bernischen Emmental geboren. Mit 15 macht er eine Lehre als Industriegrafiker. Nach Abschluss der Lehre arbeitet er bei verschiedenen Schweizer Zeitungen und Zeitschriften.
Mit 26 findet Schilt, er habe sich verwirklicht. Er heiratet, hat Kinder und bildet sich an der Kunstschule Basel weiter, was ihm zu einer guten Stelle beim Pharmamulti Ciba-Geigy verhilft.
Doch sein Interesse für alles, was sich jenseits der Schweizer Grenzen abspielt, ist gross. Er macht in einer Solidaritätsgruppe für Afrika mit.
«Ich interessierte mich nicht besonders für diesen Kontinent» erzählt er. «Aber ich fand ihn wichtig für die politische Diskussion jener Zeit.» Denn damals wurden viele afrikanische Staaten in die Unabhängigkeit entlassen.
Am 25. Juni 1975 ruft Revolutionsführer Samora Machel die Unabhängigkeit Mosambiks aus und führt ein marxistisch-leninistisches Regime im Land ein. «Die Geschichten der ersten Schweizer Freiwilligen, die nach einem Jahr aus Mosambik zurückkamen, faszinierten mich», erinnert sich Schilt.
Eine erste Reise
Dank seiner Freundschaft mit Hélder Martins – einem in die Schweiz geflohenen mosambikanischen Arzt, der später Gesundheitsminister und Ministerpräsident seines Landes wurde – verbringt Schilt zum ersten Mal Ferien in Afrika. «Das war 1978, da war Mosambik erst seit drei Jahren keine Kolonie mehr.»
Zu seinem grossen Erstaunen erhielt Schilt vom Minister eine Arbeitsstelle angeboten. «Er bat mich um Hilfe, um das kurz nach der Unabhängigkeit gegründete Druckzentrum in ein vollständiges Typografie-Unternehmen umzuwandeln. Da wurden Schulbücher und Informationsbroschüren gedruckt», erinnert er sich.
Schilt war damals 40 Jahre alt und geschieden. Er beschloss, seine Arbeit in der Schweiz aufzugeben und am 1. Februar 1979 nach Maputo umzuziehen. Der Vertrag sah eine Anstellungsdauer von knapp zwei Jahren und einen Minimallohn vor. Aber diese Bedingungen konnten den Idealismus des Auswanderers nicht dämpfen.
«Als ich im Unternehmen ankam, stellte ich fest, dass die Maschinen alt und in sehr schlechtem Zustand waren», erzählt er. «Der Minister sagte mir, ich solle eine Liste der nötigen Ausrüstung machen und gab mir einen Scheck von 100’000 Dollar. Ich ging in die Schweiz, kaufte Material ein und kehrte nach Maputo zurück.»
Kommunismus, Krieg und Rationierung
Hans Schilt erinnert sich mit etwas Wehmut an die ersten Jahre in Mosambik. Aber die Schwierigkeiten hat er trotzdem nicht vergessen.
«In Maputo war alles rationiert», führt er aus. «Meine Frau und ich mussten um vier Uhr morgens anstehen für ein paar Kilo Fleisch. Manchmal kehrten wir nach stundenlangem Schlangestehen mit leeren Händen heim. Wie in anderen kommunistischen Staaten fand man die meisten Produkte nur auf dem Schwarzmarkt.»
Doch trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten macht das Unternehmen Fortschritte. Geld ist rar, aber die Motivation des Personals ist gross. «Unsere Angestellten waren ganz einfache Leute, die alles lernen wollten und die schwer arbeiteten, praktisch ohne Lohn», betont Schilt.
Maputo wurde während des Bürgerkriegs nicht in Mitleidenschaft gezogen. Aber im ganzen Land herrschten Gewalt und grosse Angst. Schilt erinnert sich: Mehrere seiner Mitarbeiter wurden getötet, als sie in Hinterhalte gerieten oder auf eine Mine traten.
Endlich Frieden
Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Regierung und den Rebellen der Renamo 1992 änderten sich die Lebensumstände.
Die FRELIMO, die das Land seit dem Eintritt in die Unabhängigkeit regiert hatte, änderte ihre Ideologie und ging vom Marxismus zur Marktwirtschaft über. 1996 wurden die Staatsbetriebe privatisiert, darunter auch das grafische Unternehmen, in dem Schilt arbeitete.
«Die Regierung bot uns an, die Firma zu kaufen. Ich fand, das sei eine gute Gelegenheit und beschloss, meine Ersparnisse zu investieren.»
Schilts Unternehmen erhielt den Namen «Ciedima» – die Abkürzung von «Centre d’impression et d’édition de Maputo». Er beschäftigt heute 32 Angestellte. Die Firma druckt nicht mehr nur Schulbücher oder Gesundheitshandbücher, sondern bietet eine ganze Reihe von Produkten wie Bücher, Visitenkarten und Plakate an.
Mosambik ist allerdings kein einfacher Markt. «Die Konkurrenz ist gross, denn es wurden weitere Firmen gegründet, um die Nachfrage zu befriedigen in einem Land, in dem es zuvor nichts gab», betont Schilt.
Liebe zur Kultur
Neben der Arbeit zwischen Rotationspresse und Tintengeruch entdeckte Schilt seine Liebe zur mosambikanischen Kultur. In der kommunistischen Ära verbrachte er einen grossen Teil seiner Freizeit damit, in den Kunstschulen von Maputo Grafikkurse zu geben.
Von 1998 bis Anfang 2005 war er Kulturkoordinator der Schweizer Zusammenarbeit in Mosambik. Auf diesem Posten unterstützte Schilt mehrere Theater- und Musikgruppen, organisierte Film- und Literaturfestivals und half beim Aufbau der Beziehungen zwischen den beiden Ländern mit.
Jetzt ist er 66 und zum dritten Mal verheiratet. «Sie ist Mosambikanerin, und ich habe nach einem traditionellen Ritual um ihre Hand angehalten. Dabei hat der künftige Ehemann einige Geschenke zu machen, welche die Familie der Braut sich wünscht.» Das Paar hat ein gut einjähriges Mädchen.
Obwohl er kurz vor dem Pensionsalter steht, hat Schilt nicht die Absicht, aufzuhören. Er hat in der Nähe von Maputo ein Terrain von 1,2 Hektaren gekauft und will dort Piri-piri anbauen, einen in der Region sehr beliebten Pfeffer. Und in seiner Freizeit schreibt er an seiner Biografie.
swissinfo, Alexander Thoele
(Übersetzung: Charlotte Egger)
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