Vor 20 Jahren entstand in Genf der Bauplan fürs Web
Vor 20 Jahren schuf ein britischer Forscher am Laboratorium für Teilchenphysik CERN in Genf die Grundlagen für das World Wide Web. Dafür wurde er später mit Ehrungen überhäuft. Das grosse Geld mit dem Web machten aber andere.
Als Tim Berners-Lee 1989 «Informationsmanagement: Ein Vorschlag» schrieb, konnte er nicht ahnen, dass dieser Entwurf später mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg verglichen werden sollte. Der britische Informatiker arbeitete damals am CERN in Genf und wollte das Informationschaos am Institut in den Griff bekommen.
Seine Vorgesetzten konnten sich aber zunächst nicht für die Idee eines umfassenden Informationsnetzes des jungen Briten begeistern. «Vage, aber hochinteressant», schrieb sein Chef Mike Sendall auf das Papier, das heute im CERN in einer Glasvitrine quasi als die Geburtsurkunde des World Wide Web ausgestellt wird.
Mühsame Überzeugungsarbeit
Der damals 33 Jahre alte Brite war 1984 in die Schweiz gekommen, um neue Methoden für die Aufzeichnung und Verarbeitung eines neuen Elektronenbeschleunigers zu entwickeln. An dem Institut waren die unterschiedlichsten Computertypen und Dokumentenformate im Einsatz.
So formulierte Berners-Lee im März 1989 sein Papier, das mit dem eigentlichen Forschungsauftrag des CERN, der Teilchenphysik, nichts zu tun hatte. «Es gab kein Forum, von dem ich eine Antwort erwarten konnte. Nichts geschah», erinnert sich der Informatiker 1999 in seinem Buch «Der Web-Report». In mühsamer Kleinarbeit versuchte er die Fachwelt von seinem Web-Konzept zu überzeugen.
Drei Kernpunkte
Der Entwurf für das World Wide Web (WWW) enthielt drei Kernpunkte: Zum einen entwickelte Berners-Lee die «Hypertext Markup Language» (HTML), die beschreibt, wie Seiten mit «Links» auf unterschiedlichsten Rechnerplattformen formatiert werden.
Mit dem «Hypertext Transfer Protocol» (HTTP) definierte er die Sprache, die Computer benützen würden, um über das Internet zu kommunizieren. Ausserdem legte er mit dem «Universal Resource Identifier» (URI) das Schema fest, nach dem Dokumentenadressen erstellt und aufgefunden werden können.
Um seine Lobbyarbeit voranzutreiben, richtete Berners-Lee am Weihnachtsabend 1990 auf seinem NeXT-Rechner den Webserver info.cern.ch ein. Für die meisten PC-Nutzer war das Web aber damals unerreichbar. Es fehlten benutzerfreundliche Browser für Personal Computer.
Verzicht auf Patent
Im April 1993 legte das CERN dann mit einem wichtigen formalen Akt das Fundament für den Erfolg der Idee. Das Institut gab das Web für die Öffentlichkeit frei und verzichtete auf Lizenzzahlungen oder eine Patentierung. Der Siegeszug des WWW Mitte der 90er-Jahre fand dann vor allem in den USA statt.
Der Student Marc Andreessen entwickelte den ersten Mosaic-Browser und machte sich später mit Netscape daran, seine Software zur führenden Online-Plattform zu machen. Microsoft-Gründer Bill Gates erkannte 1994 den Trend, rief zur Verfolgungsjagd auf Netscape auf und zettelte den «Browser-Krieg» an.
Ritterorden
Tim Berners-Lee ging 1994 in die USA, um am Massachusetts Institute of Technology das World Wide Web Consortium (W3C) zu gründen. In diesem Gremium werden unter seiner Leitung bis heute die technischen Entwicklungen des Web standardisiert.
Für seine Verdienste wurde der Ex-Genfer von Königin Elisabeth II. in den Ritterstand erhoben und erhielt den Orden «Knight Commander of the Order of the British Empire». 1997 wurde er in den auf nur 24 Personen begrenzten «Order of Merit» aufgenommen.
Ein schwerreicher Mann wie Gates oder Andreessen wurde Berners-Lee jedoch nicht. Wenn er gefragt wird, ob er sich ärgert, nicht stärker finanziell von der Entwicklung des Web profitiert zu haben, lautet die Antwort: «Ich hatte bewusste Entscheidungen getroffen, welchen Verlauf mein Leben nehmen sollte. Diese würde ich nicht ändern.»
Zukunftsvisionen und potentielle Gefahren
Vor einem 500-köpfigen Publikum am CERN in Genf erklärte Berners-Lee am Freitag zum 20-Jahr-Jubiläum des World Wide Web-Fundaments, heute sei es wichtig, in die Zukunft des Webs zu blicken. «Die Kadenz kreativer neuer Designs, Entwicklungen und Innovationen im Web wird immer schneller und schneller.»
Der britische Wissenschafter zeigte sich allerdings auch besorgt über Gefahren im Netz. «Es ist wichtig, dass die Information unversehrt und ‹unbeschnüffelt› durchs Web gehen», sagte Berners-Lee gegenüber swissinfo.
Er wies darauf hin, dass es neue Systeme gebe, die automatisch die Online-Gewohnheiten von Personen detailliert erfassen und so ein Profil von diesen erstellen können. «Diese Art von Schnüffelei muss unterbunden werden», so Berners-Lee.
swissinfo und Christoph Dernbach, DPA
Die Begriffe Internet und World Wide Web werden im Sprachgebrauch häufig gleichgesetzt: Doch technisch besteht ein erheblicher Unterschied.
Das Internet ist ein weltumspannendes Netz von vielen einzelnen Computer-Netzwerken. Zahlreiche Dienste erwecken diese Infrastruktur erst zum Leben – zum Beispiel E-Mail, Chat, Dateiübertragung oder auch Internet-Telefonie.
Einer der bekanntesten Dienste ist das World Wide Web (WWW), das die Übertragung von Webseiten ermöglicht. Zur Anzeige brauchen Nutzer einen Browser wie den Internet Explorer, Mozilla Firefox, Safari oder Opera.
Timothy John Berners-Lee wurde am 8. Juni 1955 als Sohn eines Mathematikerpaars in London geboren.
Nach der Schule studierte er Physik an der Universität Oxford und war später für das Europäische Kernforschungslabor (CERN) in Genf tätig.
Dort entwickelte er 1989 die Grundideen für das World Wide Web.
Daraus entstand der erste Browser der Computergeschichte (WordWideWeb ) und der erste Webserver (NeXTSTEP).
1990 ging die erste Website unter der Adresse info.cern.ch online. Damit war der Grundstein für ein neues Medium gelegt, das sich in den folgenden Jahren mit explosionsartiger Geschwindigkeit weltweit verbreitete.
1994 gründete Berners-Lee das World Wide Web Consortium (W3C) am Massachusetts Institute of Technology.
Er lebt mit seiner Familie in Lexington, Massachusetts, USA. Seit 1999 ist er Inhaber des 3Com-Founders-Lehrstuhls am Laboratory for Computer Science des Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Berners-Lee erhielt zahlreiche Auszeichnungen: 1998 den Eduard-Rhein-Technologiepreis für die Entwicklung des Web und 2004 den Millennium Technology Prize. 2007 wurde er von Queen Elizaabeth II. in den Order of Merit aufgenommen.
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