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Wachsende Gefahr für Schweizer Artenvielfalt

Der Frauenschuh gehört zu den gefährdeten Arten. (Bild: BedrohteWasser.ch) Der Frauenschuh gehört zu den gefährdeten Arten. (Bild: BedrohteWasser.ch)

Die Schweiz hat am Internationalen Tag der Artenvielfalt wenig zu feiern. Die Rote Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten ist in den letzten zehn Jahren gestiegen.

Und es wird mehr und mehr Boden verbaut.

«Im Vergleich zu anderen Ländern in Europa sind in der Schweiz mehr Arten auf der Roten Liste», erklärt Urs Tester, der Leiter des Teams, das sich bei der grössten Schweizer Naturschutzorganisation, Pro Natura, mit der Artenvielfalt befasst.

«Das heisst, die Artenzahl geht zurück, viele Arten sind bald ausgerottet. Wir haben in der Schweiz also wirklich ein Problem mit dem Artenschutz.»

Viele Reptilien- und Fischarten sind in der Schweiz vom Aussterben bedroht. Bei den Reptilien zum Beispiel sind über 80 Prozent auf der Roten Liste.

«In der Schweiz haben wir viele verschiedene Lebensräume und vielfältige klimatische Bedingungen. Deshalb gibt es auf kleinem Gebiet eine grosse Anzahl verschiedener Arten», begründet Tester gegenüber swissinfo den Artenrückgang. «Dazu kommt der grosse Druck wegen der Nutzung des Bodens.»

Rückgang

Auch laut Erich Kohli vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) war in den letzten Jahren in der Tat ein Rückgang festzustellen.

«Es gibt heute mehr Tiere und Pflanzen auf der Roten Liste als vor zehn Jahren. Trotz all unserer Arbeit für den Naturschutz und die Erhaltung der Arten hatten wir also keinen Erfolg.»

Insgesamt stehen weltweit rund 40 Prozent der Tier- und 34 Prozent der Pflanzenarten auf der Liste. Bei Farnen und Moosen sind es 41, respektive 18 Prozent.

Die Schweiz sei halt ein Industrieland mit hoher Bevölkerungsdichte, so Kohli. «Die Einschätzungen der OECD im Naturschutz zeigen, dass es in der Schweiz etwas schlechter steht als in anderen europäischen Ländern.»

«Der Druck von Seiten der Bevölkerung, von Überbauungen und Strassen wie auch vom Freizeittourismus ist in der Schweiz äusserst hoch, deshalb wird der Raum für Tiere und Pflanzen ziemlich knapp.»

Vogelwelt

Rund 190 Vogelarten brüten regelmässig in der Schweiz, etwa 40 Prozent davon sind gefährdet.

Es ist aber noch komplizierter, als man aufgrund der Roten Liste annehmen könnte. So hat zum Beispiel die Zahl der in der Schweiz brütenden Vogelarten in den letzten hundert Jahren zugenommen.

Im gleichen Zeitraum nahm die Anzahl verbreiteter Arten wie des Hausspatzes um über einen Drittel ab.

Pro Natura versucht, Spezialprogramme für die am stärksten gefährdeten Arten auf der Roten Liste durchzuführen, zum Beispiel für Schmetterlinge und Laubfrösche. Der Schweizer Vogelschutz und seine Partnerorganisationen konzentrieren sich auf die 50 am stärksten bedrohten Vogelarten.

Die beiden Organisationen können regional einigen Erfolg aufweisen, dennoch sieht es landesweit schlecht aus.

«Wir brauchen genügend Mittel und den politischen Willen, um etwas zu erreichen», sagt Christa Glauser, Sprecherin des Schweizer Vogelschutzes.

Alpiner Lebensraum



Vor drei Jahren reisten etwa 70 Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Juni auf eine Alp im Kanton Graubünden und dokumentierten alle Pflanzen und Tiere, die sie in einem Zeitraum von 24 Stunden fanden.

Sie fanden rund 2’000 Arten. Einer der Hauptinitianten des Projekts war Jürg Müller, Direktor des Naturhistorischen Museums in Chur.

Müller glaubt, dass es im Hochgebirge noch 10’000 unbekannte Arten gibt. Er ist in Bezug auf die Anzahl Arten etwas optimistischer als seine Kolleginnen und Kollegen.

«Ich finde, es ist gefährlich mit all diesen Listen der bedrohten Arten, denn wir sprechen immer über Vögel, Säugetiere, Schmetterlinge und einige Pflanzen, und dabei vergessen wir die kleinen und Kleinstlebewesen», so Müller.

«Wir versuchen herauszufinden, ob das, was wir über die bedrohten Arten sagen, auch noch stimmt, wenn wir Erdwürmer und Käfer und andere Arten miteinbeziehen.»

swissinfo, Vincent Landon
(Übertragung aus dem Englischen: Charlotte Egger)

Es gibt keine weltweite Zusammenstellung über die Anzahl der beschriebenen Arten. Schätzungen variieren von 1,5 bis 2,5 Millionen

Die Schätzungen zur weltweiten Artenvielfalt liegen zwischen fünf und 30 Millionen

Verschiedene Fachleute gehen davon aus, dass mindestens ein Drittel aller Arten in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren aussterben werden.

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