Was hält Generationen zusammen?
Zwei Jahre nach dem internationalen Jahr der älteren Menschen wollen Pro Senectute und Pro Juventute die Beziehungen zwischen den Generationen weiter fördern. An einer Tagung in Bern, der auch Fachleute aus dem Ausland beiwohnten, wurden am Montag (09.04.) neue Projekte vorgestellt.
Die beiden Stiftungen, die sich um alte und junge Menschen kümmern, wollen die Diskussionen über die Beziehungen zwischen den Generationen vor allem ausserhalb des familiären Rahmens fördern, wie es an der Tagung zum Thema «Was hält die Generationen zusammen» hiess. Die Beziehungen zwischen verschiedenen Altersgruppen seien bisher oft nur mit Verwandtschafts- und Familien-Beziehungen gleichgesetzt worden.
Projekte ausserhalb des familiären Rahmens
Fachleute aus dem In- und Ausland stellten Projekte und Initiativen vor, die über diesen Ansatz hinausgehen. Es geht dabei um die Themen Erbe, Migration, Beschäftigung, Wohnsituation und Schule. Mit solchen Projekten sei es möglich, gravierende gesellschaftliche Probleme, wie das Phänomen der städtischen Gewalt oder der sozialen Isolierung, zu entschärfen.
Miteinander statt nebeneinander
Urs Kalbermatten, zuständig für Bildung bei Pro Senectute, erklärte gegenüber swissinfo, in der Schweiz existiere kein Generationenkonflikt. Dagegen sei es so, dass die junge und die alte Generation «nebeneinander herleben». Deshalb bemühe sich Pro Senectute schon seit einigen Jahren, mit entsprechenden Projekten aus dem Nebeneinander ein Miteinander zu machen.
Dazu wurden zum Beispiel Lehrmittel erstellt, die aufzeigen, wie man das Thema Alter in der Schule unterrichten kann. Es wurden auch Spiele entwickelt, bei denen Jung und Alt zusammen etwas machen können. Und im Bereich Weiterbildung führten Junge Computerkurse für Ältere durch. Jetzt gehe es darum, in neue Projekte auch ausländische Erfahrungen einfliessen zu lassen, sagte Urs Kalbermatten gegenüber swissinfo.
Nach Ansicht des Pro Senectute Bildungs-Verantwortlichen ist die Bilanz all dieser Bemühungen positiv. Besonders erwähnenswert seien auch die gemeinsamen Alters- und Jugendsessionen, mit denen viele gemeinsame politische Projekte verfolgt würden. Dadurch habe man auch erreicht, dass in der neuen Bundesverfassung stehe, dass niemand wegen des Alters diskriminiert werden kann. Für Urs Kalbermatten ist das wichtigste, dass die Generationen miteinander etwas tun, dass sie einander achten.
Neue Generationen-Struktur
Die Erhöhung der Lebenserwartung in Kombination mit einem massiven Geburtenrückgang stellt die heutige Generation vor die Aufgaben, eine völlig neue Generationen-Struktur zu bewältigen, wie Professor François Höpflinger von der Universität Zürich in seinem Einführungsreferat sagte. Erstmals seien ältere Menschen zahlenmässig bedeutsam, und es genüge nicht mehr, wenn die Jungen von den Alten lernten. Ohne die Bereitschaft älterer Menschen, sich mit Neuem auseinanderzusetzen und von jüngeren Generationen zu lernen, falle eine Gesellschaft langlebiger Menschen auseinander.
François Höpflinger betonte gegenüber swissinfo, die Generationen-Beziehungen seien je nach Lebensbereich unterschiedlich. In Bezug auf Freizeit und Kultur sei ein Nebeneinander und nicht ein Miteinander festzustellen. Im familären Bereich gelte eher das Prinzip der Solidarität und der guten Kontakte, und zwar auch heute noch. Auf dem Arbeitsmarkt dagegen gäbe es unterschwellige Generationen-Konflikte.
Röstigraben im Bereich Wohlfahrtsstaat
Im Bereich Wohlfahrtstaat sei es eindeutig so, dass man in der öffentlichen Diskussion von Generationen-Konflikten ausgehe, allerdings primär in der Deutschschweiz, sagte François Höpflinger. In einer Befragung von 1999 fanden 62 % der deutschsprachigen Stimmbürger, dass es grosse Interessen-Gegensätze gibt zwischen Jung und Alt. In der welschen Schweiz waren lediglich 15 % dieser Ansicht.
Überalterung eine Illusion
Oft wird gesagt, die Schweiz sei überaltert. Diese eher negative Beurteilung decke sich nicht mit der Altersforschung, erklärte Höpflinger gegenüber swissinfo. Man gehe davon aus, dass Überalterung eigentlich eine Illusion sei, weil man festgestellt habe, dass sich die ältere Generation sozio-kulturell sehr stark verjüngt hat.
Gleichzeitig habe sich aber insofern eine Veränderung ergeben, als heute weniger die Rebellion der Jungen als die Stellung der älteren Menschen im Vordergrund stehe. Es gehe eher darum: Wie können auch ältere Menschen dynamisch und innovativ bleiben und wie können sich die Jugendlichen in einer Gesellschaft durchsetzen, in der die Mehrheit bald über 40 Jahre alt ist.
Jean-Michel Berthoud
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