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Was Rhetorik im US-Wahlkampf über Strategien verrät

So spricht John McCain (rot) und so Barack Obama (blau). swissinfo.ch

Forscher der Universität Zürich haben über eine Million Wörter untersucht, welche beide Präsidentschafts-Anwärter im Wahlkampf benutzen, um ihre Botschaft rüberzubringen. McCain spreche knapp und klar, Obama konsequent und vernetzt, sagt der Historiker Martin Klimke im Interview mit swissinfo.

Zusammen mit den Linguisten Noah Bubenhofer und Joachim Scharloth vom Deutschen Seminar der Universität Zürich hat Klimke mit Hilfe eines Supercomputers über 500 Reden, Debatten und Interviews der Kandidaten analysiert.

swissinfo: Was haben Ihre Recherchen ergeben?

Martin Klimke: John McCain spricht knapp und klar. Er fasst seine politische Botschaft in kurze Sätze zusammen und stützt sich auf Schlüsselwörter wie Ehre und Disziplin. Wenn er von Reformen spricht, dann meint er wirtschaftliche und politische.

Barack Obama hat das Schlagwort der Veränderung erfolgreich in den Wahlkampf eingeführt. McCain versucht seit April, den Begriff auch für sich fruchtbar zu machen. Veränderung gebe es unter einer strengen, erfahrenen Hand, wie er sie habe.

swissinfo: Wie stellt sich Barack Obama dar?

M.K.: Obama ist bemerkenswert geradlinig in seiner Rhetorik. Sein Sprechen kreist um Schlüsselbegriffe wie Zeit, Mobilität, eine kollektive Identität und der Fortschritt Amerikas. Er redet oft von Gemeinschaft, Generationen und Nachbarschaft.

Ein Unterschied zwischen den Kandidaten zeigt sich auf linguistischer Ebene, wie sie Personalpronomen einsetzen. So sagt McCain sehr oft «ich» und «sie», während Obama «wir» und «ihr» einsetzt. McCain versucht sich stark von seinem Gegner abzugrenzen. Obama dagegen betont seit den Vorwahlen den Dialog und die Gemeinschaft.

swissinfo: Wie unterscheidet sich ihre Wortwahl bei ökonomischen Fragen?

M.K.: McCain versucht sich mit Steuerpolitik zu profilieren. Obama spricht differenzierter. Viele Leute betrachten seine Rhetorik als abstrakter und professoral. Auf linguistischer Ebene stimmt dies, er benutzt längere Sätze, aber – und dies ist entscheidend – er gewinnt sein Publikum mit mehr Beispielen.

Wenn Obama über Wirtschaft spricht, dann spricht er über den Küchentisch. Über Ausbildung und wie Familien und die Mittelschicht versuchen, über die Runden zu kommen. McCain weckt Emotionen durch die mittlerweile berühmte Verwendung von «meine Freunde».

swissinfo: Das Wahldatum nähert sich. Wie hat sich die Rhetorik verändert?

M.K.: McCain und seine Konzentration auf Joe the Plumber und das Kleingewerbe ist die klare Botschaft in den letzten Tagen des Wahlkampfs. Obama hat sich von Joe the Plumber entfernt und wendet sich der Mittelklasse zu. Zusammen mit den Umfragen scheint diese Strategie erfolgversprechender zu sein beim Versuch, unentschlossene Wähler auf seine Seite zu ziehen.

McCains Art wirkt angriffig und seine Botschaften erinnern die Wähler an früher. Damit gelingt es ihm nicht mehr so leicht, unentschlossene Wähler zu gewinnen.

swissinfo: Wie setzen die Kandidaten die Sprache ein, um sich gegenseitig darzustellen?

M.K.: McCain bringt Obama mit höheren Steuern und mehr Staat in Verbindung. Das Problem für McCain ist, dass die Unbeliebtheit des gegenwärtigen Präsidenten seine politische Vision überschattet, weil Obama ihn erfolgreich mit Bush verbindet.

Auf der rhetorischen Ebene lässt sich sagen, dass sich McCain mehr und mehr von Bush entfernt durch eine zunehmende Distanzierung von der Vergangenheit. McCain punktet aber auch gegen Obama, indem er ihm vorhält, die Ernsthaftigkeit von gewissen Themen zu unterschätzen.

swissinfo: Wie sprechen sie über Krieg?

M.K.: McCain assoziiert den Irak mit der potentiellen Niederlage, die Obamas Plan bewirken würde. Obamas Botschaft ist immer differenzierter. Wenn er vom Irak spricht, dann auch über Afghanistan und Al-Qaida, die Truppen und nationale Sicherheit. Er spricht viel verständlicher als McCain.

Obamas Strategie ist konsequenter und langfristig wohl erfolgreicher, weil er dabei bleibt, während McCains Angriffe in den letzten Wochen zu oft die Richtung gewechselt haben, als dass sich die Wähler überzeugen liessen.

swissinfo-Interview: Tim Neville
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda)

Die Zürcher Forscher Noah Bubenhofer und Joachim Scharloth gründeten Semtracks 2008, um Methoden für semantische Analysen mit dem Computer zu entwickeln. Zusammen mit Martin Klimke entwickelten sie eine Fallstudie über die Wahrnehmung der USA nach dem 11. September 2001.

Inzwischen hat das Projekt weitere Facetten dazu gewonnen, so Semtracks Political Tracker. Damit werden Wahlkampf-Reden analysiert, um die Merkmale der politischen Rhetorik eines Kandidaten zu bestimmen.

Die Gruppe beschäftigt Computer-Experten, Computer-Linguisten und Kulturforscher. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% können die Forscher sagen, dass der unterschiedliche Gebrauch der Sprache nicht zufällig ist, sondern eine spezifische linguistische Strategie, mit der eine politische Botschaft rübergebracht wird.

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