WEF reagiert auf Seebeben
Das World Economic Forum ändert die Agenda seiner Jahres-Versammlung von Ende Januar. Damit reagiert das WEF auf das Seebeben.
Innerhalb des geplanten Themas «globale Risiken», so WEF-Direktor André Schneider, werden neu Wiederaufbau und Infrastruktur zur Sprache kommen.
Die Flutkatastrophe im Indischen Ozean hat die Küsten vieler aufstrebender Volkswirtschaften Südostasiens getroffen. Diese Länder hatten 2004 wirtschaftlich überdurchschnittliche Wachstumsraten aufgewiesen.
Wichtige Position in der Weltwirtschaft
Als Ländergruppe «Emerging Markets» kamen sie auf ein Wachstum von 6,6%. Im Vergleich dazu erreichte die Schweiz nicht einmal 2%. Die Länder rund um den Indischen Ozean sind als Billiglohnländer neben China auch Ziel des so genannten Offshorings von global agierenden Unternehmen.
Sie bleiben deshalb auch künftig für die Weltwirtschaft wichtige Produktions- und Dienstleistungs-Standorte. Mit Offshoring wird die Auslagerung von Arbeitsplätzen aus den «altgedienten» in aufstrebende Volkswirtschaften bezeichnet, in denen die Löhne noch tiefer liegen.
«Wir werden in Davos Gesprächsrunden zwischen den Regierungsvertretern dieser Ländergruppe und jenen Unternehmen organisieren, die WEF-Mitglieder sind», sagt WEF-Direktor André Schneider gegenüber swissinfo.
Wirtschaft und Naturkatastrophen
An der Jahresversammlung in Davos finden jährlich rund 300 Diskussionsrunden statt. Eine davon, so Schneider, wäre ohnehin der Rolle der Wirtschaft bei Naturkatastrophen gewidmet gewesen.
Das WEF iniziierte bereits 2002 sein «Disaster Resource Network» (DRN), das ein Jahr später beim Erdbeben von Bam in Iran in den Einsatz kam. Dabei unterstützen die WEF-Mitgliederfirmen im Bereich Logistik, Bau und Transport Hilfswerke beim Verteilen der Hilfsgüter an Ort.
Analysen in Bam deckten auf, dass mehr Leute hätten gerettet werden können, wenn die Hilfswerke an Ort über schnelleren Support, mehr Leute und geeignetes (Transport-)Material verfügt hätten.
Momentan ist DRN in Sri Lanka damit beschäftigt, bei der Güterverteilung die distributiven Flaschenhälse wie Flughäfen zu entlasten.
Hilfswerke stossen bei der Verteilung auf grosse logistische Probleme, wenn sie plötzlich Millionen von Menschen versorgen müssen.
Globale Risiken
Transport- und Frachtunternehmen wie DHL und TNT haben jetzt zum Beispiel in Jakarta ihre Lagerhäuser als Zwischenstationen gratis zur Verfügung gestellt. TNT hat für die Katastrophenregion Aceh ihre Lastwagen-Flotte gratis zur Verfügung gestellt.
Nachdem sich in den letzten Jahren vermehrt Naturkatastrophen ereignet hatten, machen sich immer mehr Grossunternehmen Gedanken zu den globalen Risiken. Solchen Risiken sind sie umso mehr ausgesetzt, je globaler sie agieren.
Von der Entlastung bei infrastrukturellen Schwachstellen und Flaschenhälsen ist es nur ein kleiner Schritt bis zur Konzipierung des Wiederaufbaus.
Bezug zu Infrastrukturen: ABB und Holcim
«Der Wiederaufbau von Infrastrukturen wird in Davos zu den wichtigen Gesprächsthemen gehören», sagt Schneider, und präzisiert: «Auf Schweizer Verhältnisse übertragen, gehören Unternehmen wie ABB oder Holcim zu jenen Firmen, die einbezogen werden dürften.»
Im weiteren nennt Schneider die Banken, deren Konsortien solche oft teuren und gross angelegten Infrastrukturen finanzieren, sowie Hotel- und Immobilienketten, zu deren Geschäft auch die Erschliessung touristischer Überbauungen gehört.
«Die genaue Neuformulierung der Themenagenda wird nächste Woche bekannt gegeben werden», sagt Schneider.
Zu den so genannten «Tough issues» seiner Diskussionsagenda zählt das Forum Themen wie China, Klimawechsel, ausgewogene Globalisierung, Europa, Weltwirtschaft, globale Regierungsfähigkeit (Governance), Islam, Naher Osten, Armut, USA als Führungsmacht, Massenvernichtungswaffen und Welthandel.
swissinfo, Alexander Künzle
Das World Economic Forum (WEF) ist eine Stiftung mit Sitz in Genf.
Rund tausend der grössten Privatunternehmen sind Mitglieder dieser Stiftung.
Sie beanspruchen die Vertretung des Unternehmertums im globalen öffentlichen Interesse.
Um als Unternehmen Stiftungsmitglied werden zu können, muss man einen Jahresumsatz von mindestens einer Milliarde Dollar ausweisen.
Das WEF geht auf 1971 zurück, als der Gründer, Professor Klaus Schwab, das erste Treffen in Davos organisierte.
Seither wird jeweils Ende Januar im informellen Rahmen über die globale Zukunft diskutiert.
An der Jahresversammlung in Davos finden rund 300 Diskussionsrunden statt.
Das Thema «Wirtschaft und Naturkatastrophen» war ohnehin vorgesehen.
Nach der Flutkatastrophe wird diesem Thema nun ein viel stärkeres Gewicht beigemessen.
Mit seinem «Disaster Resource Network» verfügt das WEF seit 2002 über eine Organisation.
Diese besteht aus WEF-Mitgliederunternehmen, und unterstützt Hilfswerke beim Verteilen der Güter vor Ort.
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