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Wellness nun auch für Hunde

Auch Hunde müssen auf ihr Erscheinungsbild achten. Keystone

Im Tessin haben zwei Frauen das landesweit erste Fitness-Center für Hunde eröffnet. Was auf den ersten Moment absurd erscheint, hat einen ernsten Hintergrund.

«Fitness für Hunde jeden Alters» heisst es im Werbeprospekt der Acquadog SA. Der erste Schweizer Fitness-Center für Vierbeiner befindet sich im südlichen Tessin, in unmittelbarer Nähe des Einkaufs-Zentrums Foxtown von Mendrisio: Drei frisch renovierte Räume in einem ehemaligen Bauernhof, davor Kundenparkplätze.

Wer Kraft- und Trainingsraum mit Hanteln, Gewichten und Spiegelwänden erwartet, wird enttäuscht. Acquadog ist vor allem ein zwölf Quadratmeter grosser Swimmingpool. Welpen können in dem 28 Grad warmen Wasser schwimmen lernen, Hundesenioren wird bei allgemeinen Altersbeschwerden wie Muskelrückgang oder Rheuma geholfen. Zudem stellt Übergewicht – wie bei Herrchen und Frauchen – ein zunehmendes Problem dar. Den Vorraum ziert daher ein Tapis roulant für «einen wohltuenden Lauf auf dem Rollteppich» (Werbeprospekt) sowie Spielzeuge und Futter in allen Varianten.

«Hundenarinnen»

Die Acquadog-Gründerinnen heissen Gina Caminada und Monica Sovera. Auf die Idee kamen die beiden 39-jährigen «Hundenarinnen», wie sie sich selbst bezeichnen, in England, wo diese Art der Fitness-Center schon gang und gäbe ist. Dort nahmen sie auch an einem einwöchigen Ausbildungskurs für Hydrotherapie teil.

Zudem haben sie eine lange Erfahrung im Umgang mit Tieren und speziell mit Hunden. Gina Caminada, einst Bereiterin von Pferden, arbeitete über Jahre in einer Tierhandlung, Monica Sovera ist mit ihrem Hund auch bei Rettungsketten in Erdbebengebieten im Einsatz.

Die beiden Freundinnen unterstreichen gerne den rehabilitierenden Charakter ihres Centers, insbesondere bei Nachbehandlungen von Unfällen oder Krankheiten. «Die Hunde geniessen die Anwendungen im 28-Grad warmen Wasser», berichten sie. Barbara Hofmann bestätigt dies. Als ihr 14-jähriger Labrador-Mischling Attila vor wenigen Monaten von einem Auto angefahren wurde, gab sie ihm nicht mehr viele Chancen.

Mehrere Knochenbrüche am Becken und rechten Hinterbein, doch die Veterinäre rieten zu einer Operation. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt im Tierspital von Bern begann die Nachtherapie. Und jetzt, nach einigen Wochen im Fitness-Center, kann der Mischling fast wieder beschwerdefrei laufen.

Berglaufen gegen Übergewicht

An diesem Nachmittag hat Attila seine Therapiestunde. Über eine Rampe läuft er zum Pool, wo ihn Monica Severa im Taucheranzug empfängt. Attila zieht seine Bahnen, dank Schwimmweste fast schwerelos. «So kann der ganze Bewegungsapparat schmerzlos stimuliert werden», weiss Severa.

Unter dem Hydro-Massagestrahl stöhnt Attila voller Zufriedenheit. Nach einer halben Stunde ist die Behandlung vorbei, duschen und föhnen ist angesagt – wie im echten Fitness-Center. Für besonders kranke Kunden – das Wort Patienten wird nicht verwendet – steht ein Kran neben dem Becken.

Eine 70 Kilo schwere Deutsche Dogge mit Lähmungs-Erscheinungen wurde damit schon ins Wasser gehievt. Der Laufteppich hingegen dient insbesondere den übergewichtigen Gästen. Durch die Veränderung des Neigungswinkel kann Berglaufen trainiert werden.

Krankenkasse zahlt (noch) nicht

Da stellt sich nur die Frage: Warum laufen Herrchen und Frauchen mit ihren Liebsten nicht selber durch den Wald? «Ein Spaziergang ist natürlich zweifellos das Beste», erwidern die beiden Frauen von Acquadog. Aber es gebe Situationen, in denen die Hundehalter ihre Schützlingen aus diversen Gründen nicht mehr die notwendige Bewegung garantieren könnten. Sie verweisen als Beispiel auf eine blinde Frau, die zu ihnen kommt, oder Senioren mit Gehbehinderung.

Hunde hätten ein Recht auf Fürsorge, wenn es ihnen nicht mehr so gut gehe: «Wir sind der Meinung, dass Hunde keine Sachen sind, die man einfach entsorgt, wenn sie ausgedient haben.» Deshalb kommt auch den postoperativen Behandlungen eine besondere Bedeutung zu. «Heute gibt es komplizierte Operationen, aber danach überlässt man die Hunde praktisch sich selber, auch wenn sie Schmerzen haben.»

Bei der Gesellschaft Schweizerischer Tierärzte (GST) wird diese Einschätzung bestätigt. «In der Tiermedizin gibt es viel nicht, was in der Humanmedizin ganz normal ist», meint Judith Röthlisberger, Mitglied der GST-Geschäftsleitung.

Geradezu stiefmütterlich gehe es bisher bei der postoperativen Betreuung von Vierbeinern zu. Initiativen wie in Rancate werden daher begrüsst. «Allerdings muss das Personal gut geschult sein, sonst kann viel falsch laufen», warnt Röthlisberger. Und sie spricht auch das Kostenproblem an. Eine Lektion in Rancate kostet immerhin 52 Franken. Krankenkassen, die diese Kosten übernehmen, gibt es bisher nicht.

Gerhard Lob, Rancate

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