Wenn Bilder Geschichte machen
Der umfangreiche Bilderschatz der Basler Mission - rund 28'000 historische Fotografien - ist nun kostenlos und in einzigartiger Bildqualität im Internet zugänglich.
Die frühesten Bilder stammen aus den 1860er Jahren.
Ein kalter Wintertag im Jahr 1970. Ein Gärtner stösst im Basler Missionshaus zufällig auf einen Haufen verstaubter Alben und Briefumschläge mit alten Fotografien, die achtlos in einem Wandschrank deponiert wurden.
Einen bedeutend grösseren Teil entdeckt eine Missionssekretärin Jahre später auf dem Dachboden des Missionshauses. So beginnt die Geschichte eines vergessenen Bilderschatzes.
Von Ghana über Borneo bis Südchina
Die Basler Mission, heute einer der fünf Trägervereine von «mission 21», besitzt diese einmalige Sammlung von 50’000 Fotografien, datiert zwischen 1860 und 1945. Etwa ein Drittel davon stammen aus der Zeit vor 1914.
Die Bilder wurden vorwiegend in den damaligen Tätigkeitsgebieten der Mission aufgenommen: Ghana und Togo, Kamerun, Südindien, Borneo und Südchina.
Der zunehmenden Bedeutung von Bilddokumenten für die historische und ethnologische Forschung, dem internationalen Interesse am Archiv der Basler Mission stand die beschwerliche und reduzierte Zugänglichkeit der Bildersammlung im Weg. Die fragilen Originale waren konservatorisch in hohem Masse gefährdet.
1988 erarbeiteten daher die Ethnologin Barbara Frey Näf und der Archivar Paul Jenkins gemeinsam ein Konzept, das sowohl die Sicherung als auch die Erschliessung der wichtigsten Bildbestände gewährleisten sollte.
Zugang für alle
Gut die Hälfte der Fotografien wurden mikroverfilmt, inventarisiert und in minutiöser Arbeit beschrieben. Dass die Sammlung nun global und frei verfügbar ist, ist dem Engagement der Christoph-Merian-Stiftung zu verdanken. Sie unterstützte das Projekt mit fast einer halben Million Franken.
Seit ein paar Wochen ist es nun soweit: Die Fotografien sind für die Öffentlichkeit im Internet zugänglich. Das Webkonzept ist schlicht und kommt ohne Flashs und Animationen aus.
«Die erste Priorität war für mich ein einfacher Zugang, dass die Fotografien problemlos von allen möglichen Geräten, auch älteren Computern, heruntergeladen werden können», betont die Artdirektorin Catherine Lutz-Walthard.
Haben die Benutzer einmal die allgemeinen Nutzungsregeln akzeptiert und per Mausklick bestätigt, können sie mit ihrer Bildersuche nach verschiedenen Kategorien und Themen beginnen.
Die Datenbank enthält neben den Fotografien auch detaillierte Beschreibungen. Dafür wurden so genannte Visual Interpreters beigezogen, ein Historiker aus Ghana und ein Architekt aus Indien.
Dank Usern zu neuen Erkenntnissen?
Angehende Missionare, ihre Lehrer und die Leitung der Basler Mission wurden allesamt porträtiert; die erste Fotografie eines angehenden Missionars datiert von 1850.
Wer hat diese Pioniere fotografiert, und wer hat sie gelehrt zu fotografieren? Bekannt ist nur, dass damals das Fotostudio Magnat Frères in Basel für die Basler Mission tätig war und auf einer Liste der identifizierten Fotostudios aufgeführt ist.
«Wir hoffen aber auf eine breite Wechselwirkung zwischen Basel und der Website, um an weitere Informationen und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen», erklärt Paul Jenkins.
Die Fotografin Anna Wuhrmann
Unter dem Stichwort «Fotografen» sind einige wenige Frauen aufgeführt: Als virtuose Fotografin entpuppt sich die Missionslehrerin Anna Wuhrmann. Auf der Website sind 284 hochprofessionelle, ästhetisch anspruchsvolle Bilder von ihr zu sehen: vorwiegend Porträts aus Kamerun, entstanden zwischen 1911 und 1915.
Wuhrmanns persönlichen Kommentare zu ihren Fotografien geben Einblick in vergangene Zeiten des Missionsalltags. Sie klingen – trotz ihrem liebevollen und vor allem respektvollen fotografischen Blick – für unsere heutigen Ohren etwas befremdend.
So schreibt sie zur Abbildung «Spinnerin mit europäischem Spinnrad», um 1912: «In der landwirtschaftlichen Versuchsstation lebte ein deutscher Beamter, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte und die Eingeborenen wie gleichwertige Menschen behandelte. Er interessierte sich lebhaft für alles, was der Neger aus eigener Initiative fertig brachte, und freute sich über alles, was dem Schwarzen gelang. (…) Ein europäisches Spinnrad ist auch sein Geschenk.»
swissinfo, Barbara Zürcher
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