Wenn die Wortwahl der Politiker schärfer wird
Nach den Krawallen vom Wochenende und zwei Wochen vor den nationalen Wahlen hat sich der Ton der Wahlkampagne noch einmal verhärtet.
Die zunehmende Konfrontation sei auch ein Zeichen dafür, dass sich die Politik globalisiere, sagt der Politologe Oscar Mazzoleni im Interview mit swissinfo.
swissinfo: Bundesräte brauchen in den Medien Wörter wie «Duce», «Komplott» oder «Putsch». Ist das nicht unverantwortlich?
Oscar Mazzoleni: Die Kampagnen werden aggressiver. Die Wörter reflektieren die zunehmende Polarisierung der Politik.
Früher waren wir an eine gewisse Normalität gewohnt. Deshalb haben wir Mühe mit dieser Art von Konfrontation.
Bisher stand der Dialog im Mittelpunkt. Und nun plötzlich gelten die etablierten Regeln nicht mehr. So gilt es nicht mehr, dass man im Interesse der Zauberformel den politischen Gegner nicht diskreditiert.
Mit den Kraftausdrücken will man den Gegner schlecht machen. Man stellt ihn als wenig respektabel und nicht regierungsfähig hin. Das Ziel ist, ihn ausser Konkurrenz zu setzen.
swissinfo: Welche Rolle spielen die Medien. Verstärken sie die Wirkung der Wörter?
O. M.: Die Parteien, welche sich am Rande der Provokation bewegen, benutzen eine sehr emotionale und leidenschaftliche Sprache.
Auf der andern Seite unterliegen viele Medien immer stärkeren kommerziellen Zwängen. Sie brauchen knallige Titel, um sich zu verkaufen.
Übertreiben und provozieren sind Teil der Mediatisierung der Politik. In einem gewissen Sinne entsprechen die Wahlkampagnen auch der Logik der Medien.
swissinfo: Täuscht sich also Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey, wenn sie sagt, es gebe politische Gegner, aber keine politischen Feinde?
O. M.: Ich würde sagen, harte Ausdrücke werden gebraucht, um den Gegner als Feind darzustellen. Das ist auch eine Art zu sagen, dass der Konkurrent den demokratischen Regeln nicht gewachsen ist.
Sie finden diese Logik der Konfrontation mit ihren aggressiven Kampagnen und sich konkurrierenden Medien ja auch in den umliegenden Ländern.
Die Globalisation hat auch Auswirkungen auf die Art, wie Wahlkampagnen konzipiert werden. Die Schweiz scheint sich hier ihren Nachbarländern anzupassen.
Die Entwicklung ist allerdings auch nicht neu. Die Schweizerische Volkspartei hat bereits Ende der 1970er-Jahre in Zürich erfolgreich politisches Marketing betrieben.
Heute macht sie das sehr professionell. Ihre Gegner haben es heute noch schwer, diese Herausforderung zu meistern und Themen genau so erfolgreich zu besetzen.
swissinfo-Interview: Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)
Der Soziologe und Politologe ist Leiter des Forschungsinstituts für Politik des Kantons Tessin.
Er hält zudem Vorlesungen an den Universitäten von Genf und Lausanne.
Mazzoleni hat zusammen mit Philippe Gottraux und Cécile Péchu das Buch «L’Union démocratique du centre: un parti, son action, ses soutiens» verfasst.
In seinen Forschungen beschäftigt er sich mit dem Verhalten der Wählerschaft und dem Verhältnis zwischen Bürgern und Parteien.
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