Wissenschafter warnen vor Gen-Doping im Sport
Genforscher haben an einem Kongress in Genf gewarnt, dass Gentherapie zu einer ernsten Gefahr für den Sport werden könnte.
Obwohl die «herkömmliche» Gentherapie noch in den Kinderschuhen steckt, sollten Bedenken über genmanipulierte Athleten Ernst genommen werden.
Gentherapie ist zu einem der meistdiskutierten Themenbereiche der modernen Medizin geworden. Dies wegen dem Versprechen, bisher tödliche Krankheiten mit dem Einsatz von synthetischen Genen heilen zu können.
Obwohl die Gentherapie noch im Versuchsstadium steckt, fürchten Experten, dass die Gentechnologie auch zu nicht-therapeutische Zwecken eingesetzt werden könnte, damit Athleten schneller rennen, höher springen oder weiter werfen.
Mehrere Gene für Speed «zuständig»
«Frühere Annahmen, dass ein einzelnes Gen isoliert werden könnte, welches für Geschwindigkeit oder Ausdauer verantwortlich sei, haben sich als zu einfach erwiesen», erklärte Professor Sandro Rusconi gegenüber swissinfo. «Aber Untersuchungen über das Zusammenwirken mehrerer Gene könnten Aufschluss geben, wie Geschwindigkeit oder Ausdauer manipuliert werden könnten.»
An der Konferenz zum Thema «Gene und Sport», welche von der Internationalen Akademie für Sportwissenschaften und Sport-Technologie mit Sitz in Lausanne veranstaltet worden war, sagte Rusconi, dass Identifikation und Manipulation der ausschlaggebenden Gene zwar ein «noch fernes, aber sehr wahrscheinliches Ziel» darstellten.
Nicht ausgetestete Medikamente als Doping
«Ich denke, wir sind immer noch ein weites Stück von einer eindeutigen und gesicherten Identifikation dieser Genmuster entfernt», so Rusconi weiter. Aber die Geschichte des Dopings im Sport habe gezeigt, dass immer wieder Technologien eingesetzt würden, die noch nicht ausgereift seien, warnte er.
«Wenn ich tippen müsste, ob Gentherapie zuerst für sportliche oder kosmetische Zwecke missbraucht wird, würde ich eindeutig auf den Sport setzen», sagte Rusconi. «Ich hoffe aber, dass die Athleten dabei nicht zu viel Schaden nehmen.»
Gen-Doping kaum nachweisbar
Die Versuchung, dass Sportler beispielsweise ihre «Speed-Gene» durch einen Gentransfer «optimierten», liege darin, dass ein solcher Betrug kaum entdeckt werden könnte.
Leistungssteigernde Hormone wie das körpereigene EPO (Erythropoietin), die im Ausdauerbereich beispielsweise im Radsport und auf den Langstrecken nachgewiesen wurden, müssen wiederholt in die Blutbahn injiziert werden. Bei einer Genmanipulation dagegen würde ein einmaliger Gentransfer genügen, bei dem das für die EPO-Produktion zuständige Gen direkt in die Zellen des Sportlers eingefügt würde.
Irreversible Manipulation
Das Risiko eines solchen Gentransfers bestünde darin, dass die Manipulation kaum mehr rückgängig gemacht werden könnte. Die bereits heute bekannten EPO-Nebenwirkungen wie Herzinfarkte und Herzschläge würden dannzumal zum Alltag der Athleten gehören.
Noch bescheidener Forschungsstand
Etwas weniger dramatisch schätzt Bernd Wolfarth von der Universität Freiburg im Breisgau die Situation ein: «Genmanipulation wird in den nächsten zehn Jahren nicht zur Realität werden», schätzt er. «Momentan bewegt sich die Gentherapie auf einem sehr tiefen Stand.» Man sei noch weit davon entfernt, den Sportlern sagen zu können, welche Gene ihre Leistungen verbessern könnten.
«Aber sobald wir dieses Wissen hätten, kämen wir in eine heikle Lage.» Die ethischen Prinzipien im Umgang mit der Technologie müssten deshalb heute aufgestellt werden.
Verbände: Problem erkannt, aber…
Viele grosse Weltsport-Verbände haben bis jetzt immerhin ihre Besorgnis über die Rolle der Gentechnologie als mögliche künftige Dopingtechnik geäussert.
Dick Pound, Direktor der World Anti-Doping Agentur (WADA) hatte sogar erklärt, dass das nicht nachweisbare Gendoping das «Verschwinden des heutigen Sports» zur Folge hätte.
Angesichts der Gefahr des Gendopings klammern sich aber viele Behörden und Sportverbände lieber an die Bekämpfung des traditionellen Dopingmissbrauchs und hoffen, dass die Gespenster der Gen-Monster in den Stadien nie Wirklichkeit werden.
Dopng-Jäger hinken Forschung hinterher
Die Sportwissenschafter stimmten in Genf darin überein, dass die führenden Sportverantwortlichen auf Behörden- und Verbandsebene das Thema anpacken sollten, bevor es zu einem Problem wird. Andere monierten jedoch, dass die Doping-Jäger stets einen Schritt hinter dem medizinischen Fortschritt in den Labors herhinkten.
«Die Leute, welche die Gesetze machen, sind fast immer zu spät», erklärt Sandro Rusconi. Denn es sei unmöglich, Gesetze über Dinge zu machen, die die Leute noch nicht verstanden hätten.
«Vor zehn Jahren haben die Leute gelacht, wenn es um Gentherapie als eine Form des Dopings im Sport ging. Jetzt macht niemand mehr Witze, weil es die eingeschlagene Richtung ist», so Rusconi weiter. «Die benötigten Gesetze werden sicher spät kommen, es muss aber alles unternommen werden, dass sie nicht zu spät kommen.»
swissinfo, Mark Ledsom in Genf
(Übersetzung aus dem Englischen: Renat Künzi)
Gemäss dem «Human Genom Project» steuern zwischen 26’000 und 40’000 Genen den menschlichen Körper.
Von 97% dieser Gene ist der Zweck nicht bekannt.
Ausschlaggebend für die sportlichen Leistungen sind rund 100 Gene.
Mit «Genprofilen» könnten künftige Champions besser erkannt werden.
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