Die Schweizer Minenräumungskonferenz zur Ukraine: Das muss man wissen
Minen, Sprengkörper, nicht explodierte Munition: Die Ukraine gehört mittlerweile zu den am stärksten verminten Gebieten der Welt. Eine Konferenz zur humanitären Minenräumung in der Schweiz soll Lösungen finden. Was bringt diese Konferenz?
Unabhängig davon, wie lange der Krieg noch dauert: Der russische Angriff hat die Ukraine auf Jahre hinaus durch Minen und andere nicht explodierte Kampfmittel verseucht. Schätzungen gehen von einem Viertel des gesamten Staatsgebietes aus. Das sind rund 150’000 Quadratkilometer, knapp vier Mal die gesamte Fläche der Schweiz.
Die Schweiz organisiert gemeinsam mit der Ukraine die Ukraine Mine Action Conference UMAC2024Externer Link, die am 17. und 18. Oktober in Lausanne stattfindet. Das sind die wichtigsten Informationen.
Worum geht es bei dieser Konferenz?
Ziel der Konferenz ist es laut dem Schweizer Aussendepartement (EDA) «die entscheidende Bedeutung der Minenräumung als zentralen Bestandteil des sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus zu thematisieren». Es geht also darum, wie die humanitäre Minenräumung organisiert werden kann.
Minen können billig produziert und einfach verlegt werden. Sie zu räumen, ist jedoch komplex und aufwendig. Das Gleiche gilt für Blindgänger – Munition wie Granaten oder Bomben, die nicht explodiert sind. Diese Kampfmittel bleiben über Jahrzehnte tödlich, auch lange nachdem Konflikte zu Ende sind.
Bereits im Sommer führte die Schweiz eine hochrangige Konferenz zur Ukraine durch:
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Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas und ist einer der weltweit grössten Weizenexporteure. Die Landwirtschaft wird jedoch – wie alle anderen Bereiche des zivilen Lebens – von kontaminierten Böden behindert. Das ist nicht nur für die ukrainische Wirtschaft ein Problem, sondern vor allem für ärmere Staaten, die deswegen höhere Preise etwa für Weizen bezahlen müssen.
Zur Konferenz sind 50 Staaten, internationale und regionale Organisationen eingeladen. Dazu kommen Partnerakteure der humanitären Minenräumung, der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft.
Das EDA schreibtExterner Link dazu: «Eine gute Koordination der nationalen Aktivitäten und der internationalen Unterstützung ist wichtig, damit diese Arbeit zügig und wirkungsvoll voranschreiten kann.»
Zudem sei das Ziel Finanzierungsfragen und innovative Ansätze zu diskutieren – zum Beispiel, wie Drohnen in der Minenräumung eingesetzt werden können. Die Ukraine hat sich kriegsbedingt ein grosses Knowhow im Bereich Drohnen angeeignet.
Welche Rolle spielt die Schweiz bei der Minenräumung?
Die Schweiz hat die humanitäre Minenräumung in der Ukraine zu einer Priorität erklärt und 2023 dafür ein Paket von 100 Millionen Franken gesprochen.
Mit diesem Geld unterstützt die Schweiz unter anderem Hilfsprogramme für Minenopfer und landwirtschaftliche Kleinbetriebe, die ihre Felder nicht bewirtschaften können.
Daneben fliessen die Mittel in die Lieferung von Maschinen zur Minenräumung, die Lokalisierung und Räumung, die Aufklärung der Bevölkerung, sowie die Ausbildung ukrainischen Personals und die technische Beratung.
Das Genfer Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) und die FSD (Fondation suisse de déminage) sind dabei Kooperationspartner der Schweiz und schon seit 2015 im Osten der Ukraine tätig.
Ein Beispiel, wie diese Arbeit aussieht, zeigt unser Archiv-Video:
Vor einem Jahr fand im kroatischen Zagreb eine GeldgeberkonferenzExterner Link für humanitäre Minenräumung in der Ukraine statt. Zudem organisierte die Schweiz bereits mehrere technische Workshops oder thematische Veranstaltungen.
Im Sommer 2022, wenige Monate nach der russischen Invasion, führte die Schweiz die Ukraine Recovery Conference in Lugano durch, die einen Grundstein für den Wiederaufbau der Ukraine legte. Im Wesentlichen hat die Konferenz in Lugano beschlossen, dass mit dem Wiederaufbau der Schäden nicht bis zum Ende des Krieges gewartet wird.
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Der Wiederaufbau ist nur der Anfang
Darf die Schweiz während dem Krieg bei der Minenräumung helfen?
Das Neutralitätsrecht verbietet es der Schweiz, bei der militärischen Minenräumung – mit der sich ukrainische Streitkräfte einen Weg durch vermintes Gebiet bahnen können – Unterstützung zu bieten. Denn damit würde sie eine Kriegspartei militärisch begünstigen.
Bei der humanitären Minenräumung liegt der Fokus hingegen klar bei der Zivilbevölkerung. Diese ist völkerrechtlich besonders geschützt. In diesem Zusammenhang gibt es seit 1999 die Ottawa-Konvention, ein völkerrechtlicher Vertrag zum Verbot von Antipersonenminen, die von der Schweiz und der Ukraine unterzeichnet wurden.
Allerdings: Gewichtige Länder wie China, Indien und die USA haben die Ottawa-Konvention nicht unterzeichnet – und ebenso wenig Russland, das in der Ukraine Antipersonenminen einsetzt. Gemäss dem Landminen-Monitor 2023Externer Link sind im Jahr 2022 in der Ukraine mehr als 600 Menschen von Minen getötet worden. Nach Syrien ist das die höchste Zahl weltweit.
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Wie geht es nach der Konferenz in Lausanne weiter?
Japan hat bereits angekündigt, im Frühling 2025 eine Folgekonferenz zu Minenräumungen in der Ukraine zu veranstalten.
Japan ist zwar kein neutrales Land, hat aber aufgrund seiner pazifistischen Verfassung ein auf die Selbstverteidigung ausgerichtetes Militär – die militärische Unterstützung für die Ukraine gestaltet sich deswegen delikat.
Für die Minenräumung hat der asiatische Inselstaat der Ukraine 70 Millionen US-Dollar für Maschinen und Geräte, aber auch für Ausbildung und Aufklärung zugesprochen. Im Februar dieses Jahres hat Japan der Ukraine 12 Milliarden Dollar in weiterer Finanzhilfe zugesprochen oder bereits überwiesen. Das Land ist damit einer der grössten Unterstützer der Ukraine geworden.
Editiert von Benjamin von Wyl
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