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Hirndoping in Bildungsstätten

Bücherwälzen vor Prüfungen lässt sich mit Hirndoping nicht ersetzen. Keystone

In diesen Tagen werden an den Universitäten, Mittel- und Berufsschulen schriftliche und mündliche Prüfungen abgelegt. Für die Studierenden ist die Zeit oft knapp, den umfangreichen Prüfungsstoff zu verarbeiten. Da ist die Verlockung zum Hirndoping gross.

Eines der beliebtesten Medikamente, um das Hirn zu dopen, ist Ritalin. Es wird in der Medizin jenen Patienten verschrieben, die an einer Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden.

Konsumiert hingegen ein gesunder Mensch Ritalin, so kann dies zu «einer Aufmerksamkeitssteigerung und zu einer Zunahme der Konzentration führen», erklärt Lutz Jäncke, Professor für Neuropsychologie an der Universität Zürich.

Die Wirkung dieses Medikaments machen sich deshalb auch viele Studierende zunutze.

Untersuchungen an amerikanischen Universitäten zeigten, dass zwischen 7 und 25 Prozent der Studierenden versuchen, ihre geistige Leistung mit Hilfe von Medikamenten wie Ritalin zu steigern. Wie weit verbreitet der Konsum von Ritalin als Substanz zur Steigerung der Aufmerksamkeit an Schweizer Universitäten oder Mittel- und Berufsschulen ist, ist bisher nicht erforscht worden.

Lutz Jäncke vermutet aber, dass immer mehr Studenten Ritalin einnehmen: «Wir können das nicht überprüfen, aber ich halte es für sehr plausibel». Ausserdem höre er immer wieder, «dass zu Prüfungszeiten solche Substanzen interessanterweise in der Gegend häufiger verkauft werden».

Ritalin ist zwar rezeptpflichtig – es gehört zur Abgabekategorie A+, die im Betäubungsmittelgesetz geregelt wird – aber es lässt sich auch ohne ärztliche Verschreibung beschaffen, zum Beispiel von Kollegen oder im Internet.

Nicht nur Ritalin dopt das Gehirn

Neben Ritalin gibt es andere Medikamente, mit denen das Gehirn gedopt werden kann. Zu erwähnen ist Modafinil, ein Mittel zur Behandlung der Schlafkrankheit Narkolepsie, das bei einem gesunden Menschen eine ähnliche Wirkung hat wie Ritalin.

Nicht nur Medikamente putschen auf, sondern auch illegale Drogen wie Kokain, Speed oder Ecstasy, die ein Gefühl von Wachsamkeit erzeugen.

Auch im Alltag finden sich leistungssteigernde Mittel wie z.B. Kaffee, Tee, Nikotin oder sogenannte Energydrinks. Solche Substanzen werden nicht nur als Genussmittel, sondern bewusst eingenommen, «um sich zu dopen und fit zu machen», erläutert Vigeli Venzin von der Fachstelle für Suchtprävention des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes des Kantons Zürich.

Hirnaktivierung lasse sich aber nicht nur mittels Substanzen steigern. Auch mit psychologischen Strategien, zum Beispiel mit Meditationstechnik, könne gelernt werden, das Gehirn relativ schnell zu aktivieren. Das könne den gleichen Effekt haben wie Ritalin, erklärt Jäncke.

Umstrittene Wirkung

Laut Jäncke können mit leistungssteigernden Substanzen wie z.B. Pharmaka verschiedene Wirkungen angestrebt werden: Die Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration, aber auch der Emotionen, die entweder geschwächt oder gesteigert werden.

Die Wirkung könnte dadurch entfaltet werden, dass durch Substanzen wie Ritalin oder Ecstasy bestimmte Transmitter oder Transmittersysteme, also chemische Substanzen stimuliert würden, die innerhalb des Gehirns gewisse Botenfunktionen übernähmen. Das sei aber wissenschaftlich nicht erwiesen, sagt Jäncke: «Wir spekulieren immer noch. Wir vermuten, dass das der Fall ist».

Neben den leistungssteigernden Wirkungen dürfen die Nebenwirkungen nicht vergessen werden. Es können körperliche Beschwerden wie Kopfweh, Schlaf- und Appetitlosigkeit, Zittern oder Bauchschmerzen auftreten. Aber auch psychische Effekte in Form von Angstzuständen oder Nervosität können auftreten.

Wird der Konsum zur Gewohnheit, könne das dazu führen, «dass man das Gefühl entwickelt, ohne diese Substanz nicht mehr leistungsfähig zu sein. Es kann in Richtung einer Suchtentwicklung gehen», zeigt Venzin eine weitere Gefahr des Konsums von leistungssteigernden Mitteln auf.

Fairness weiter fassen

Der Konsum von leistungssteigernden Substanzen kann nicht nur gesundheitliche Probleme verursachen. Fraglich ist auch, ob es ethisch zu vertreten ist, wenn sich Studierende damit an Prüfungen Vorteile verschaffen.

Für Lutz Jäncke stellt sich auch die Frage, wo die Grenze zwischen ethisch Erlaubtem und Nichterlaubtem zu ziehen wäre. Schliesslich seien «gewisse Substanzen, die wir tagaus tagein einnehmen, auch gewissermassen Hirndoping». Zu nennen seien etwa Koffein oder Nikotin. Die Fairness-Frage stelle sich aber nicht nur in Bezug auf den Konsum von leistungssteigernden Substanzen, sondern auch der allgemeinen Lebensbedingungen.

Studierende, die in geordneten Verhältnissen lebten, genügend schliefen, sich gesund ernährten, und nebenbei nicht zu arbeiten bräuchten, könnten sich ohne Stress auf das Studium konzentrieren. Andere würden aber vom Elternhaus kaum unterstützt und müssten neben dem Studium einer Erwerbsarbeit nachgehen.

«Da sind überhaupt keine Drogen im Spiel, und trotzdem sind die Startbedingungen vollkommen unterschiedlich», erläutert Jäncke. Deshalb stelle sich die Frage, «ob wir gegenüber gewissen Verhaltensweisen nicht zu hohe ethische Ansprüche hätten und dabei andere wichtigere Dinge vergessen würden, bei denen wir viel mehr – sagen wir mal Fairness – walten lassen könnten».

swissinfo, Sandra Grizelj

Nikotin: Stimulation, Euphorie, Beruhigung, vermindert Angstzustände.
Koffein: wirt anregend auf das Zentralnervensystem, Puls steigt, verbessert Konzentration.
Alkohol: Entspannung, Euphorie, Enthemmung.
Amphetamine: Stimulation, gesteigerte Konzentrationsfähigkeit, unterdrücken Müdigkeit.
Methylphenidat (Ritalin): Stimulation, verbessert Konzentration, steigert Aufmerksamkeit.
Modafinil: unterdrückt Müdigkeit, erhöht Aufmerksamkeit.

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