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Kind und Karriere

Mehr leitende Verantwortung in Frauenhände. imagepoint

"Die Frau ist die Zukunft der Wirtschaft", sagte Bundesrat Joseph Deiss kürzlich an einem Anlass über das Weiterbildungsprojekt "Modell F".

Noch immer sind Frauen in Führungspositionen rar in der Schweiz. Das liege an der fehlenden Weiterbildung. «Modell F» will die Voraussetzungen dafür schaffen.

Gemäss Volkswirtschafts-Minister Joseph Deiss ist bereits in zehn Jahren eine spürbare Anspannung auf dem Schweizer Arbeitsmarkt zu erwarten. «Unternehmen, denen es heute gelingt, Frauen als Arbeitskräfte zu halten oder hinzu zu gewinnen, werden einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil haben», so Deiss.

Den volkswirtschaftlichen Nutzen der Frauenförderung für die Schweiz beziffert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf 0,3% des Bruttosozialprodukts (BSP).

Fachstudien im Zentrum

Es ging an diesem Informationsabend nicht um die Frau an der Kasse des Detailhändlers oder um die Raumpflegerin. Es ging um die gut ausgebildete Fachfrau, die Kaderfrau.

Und die ist in der Schweiz tatsächlich rar, verglichen mit Männern mit gleichen Voraussetzungen. Dies obwohl der Frauenanteil in Berufslehren, an Gymnasien und Universitäten um die 50% beträgt.

«Das Problem beginnt im Tertiär B-Sektor», sagte die Direktorin des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT), Ursula Renold, eine der lediglich zwei Amtsdirektorinnen in der gesamten Bundesverwaltung. «In der höheren Berufsbildung, dem Tertiär B-Sektor, liegt die Schweiz weltweit nur im Mittelfeld.»

Modell F schafft Abhilfe

Diesen Missstand, dass nur rund 5% aller Frauen in der Schweiz im erwerbsfähigen Alter über eine höhere Berufsausbildung verfügen, kennen auch die Frauen-Organisationen.

Deshalb wurde vor knapp einem halben Jahr von den Frauen-Organisationen (alliance f) das Modell F gestartet. Höhere Fachausbildung kann damit modular abgeschlossen werden. Unterbrüche der Lehrgänge sind möglich. Das Lerntempo kann mit der Lebenssituation in Einklang gebracht werden. Das Modell F führt zum gleichen Abschluss wie eine lineare Ausbildung.

Die ersten so konzipierten Lehrgänge wurden im August 2005 in der KV Zürich Business School, der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Fachhochschule Samedan (hier auch für Spitzensportler) gestartet.

Weitere Fachhochschulen haben das Modell F nun auch eingeführt. Die Erfahrungen, so die Schulleitungen, seien durchwegs positiv.

Mutter ist kein Beruf

Was gemeint ist, zeigte der Auftritt von Sandra Brettenthaler aus Basel. Sie war als «lebendes Beispiel» eingeladen. Und was die «Mutter und Studierende» erzählte, zeigte das Problem und wie Modell F es zu lösen versucht.

Sandra Brettenthaler sagte gegenüber swissinfo, dass man ihr in Basel das berufsbegleitende Weiterstudium untersagt habe. «Mutter sei kein Beruf.»

2003 begann Brettenthaler ein Wirtschaftstudium, wurde schwanger und schloss während der Schwangerschaft die ersten Diplome ab. Nach den Semesterferien – inzwischen Mutter – erhielt sie von der Fachhochschule die Aufforderung, endlich den Arbeitgeber zu nennen.

Nachdem sie Mutter angegeben hatte, wurde ihr der Abbruch des Studiums nahe gelegt. Obwohl auf Bundesebene ein Gesetz besteht, das Ausnahmen erlaubt, blieb Basel hart. Sandra Brettenthaler studiert nun nach Modell F und plant ihren Abschluss zusammen mit der Schule.

Karriere statt Kind

Laut Rebekka Risi, Projektleiterin von Modell F, sind sich die Frauen dieser Situation bewusst und verzichteten vermehrt nicht mehr auf die Karriere, sondern auf die Kinder.

In einer abschliessenden Podiumsdiskussion mit Karrierefrauen und -männern, darunter auch Bundesrat Deiss, wurde zwischen Weiterbildung und Karriere unterschieden. Die gute Ausbildung und damit der Zugang zur Berufskarriere sollte allen offen stehen, so der Tenor.

Die Karriere jedoch sei oft ein harter Kampf, der nach eigenen Regeln stattfinde. Da müssten auch die Frauen teilnehmen. «Wir wollen Profit machen und können nicht eine Frau auf den Chefsessel setzen, um eine Quote zu erfüllen», sagte beispielsweise Pierin Vincenz, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Raiffeisenbanken. «Wir brauchen eine Topperson, Mann oder Frau.»

Was wieder etlichen bestandenen und erfolgreichen Frauen im Plenum etwas sauer aufstiess. Es sei nicht geplant, die Männer zu kopieren oder gar Männer zu werden, war zu hören.

Viel wichtiger, so ein oft gehörter Einwand, sei Teilzeitarbeit. Sie sei in der Schweiz wenig verbreitet und schliesse in der Regel eine Karriere aus. «Gibt es eine Topfirma, welche von einem Mann und einer Frau in Teilzeit geleitet wird?», wurde gefragt.

swissinfo, Urs Maurer, Bern

2004 standen gemäss Bundesamt für Statistik 191’000 Jugendliche und junge Erwachsene in einer Berufsausbildung.
2004 traten 71’000 in eine Lehre ein und 57’000 schlossen ihre Ausbildung mit Erfolg ab.
In der Schweiz studieren rund 49’000 Personen an Fachhochschulen und rund 110’000 an Universitäten (2004).
Der Frauenanteil liegt bei 48%. (Ländermittel 52%).

Modell F ist eine Projekt der Schweizer Frauen-Organisationen (alliance f).

Es wird vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) unterstützt.

Modell F unterscheidet sich nicht vom üblichen Studiengang und führt zum gleichen Abschluss.

Der Unterbruch der Lehrgänge ist möglich. Der Wiederseinstieg wird mit der Fachhochschule geplant.

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