Zwischen Expansion und Konsolidierung
Die Tessiner Universität befindet sich auf Expansionskurs. Schon im nächsten Jahr soll Informatikwissenschaft als vierte Fakultät dazukommen.
Die Fakultäten der jüngsten Hochschule der Schweiz müssen sich nach Turbulenzen noch konsolidieren.
Was noch vor 10 Jahren als Träumerei galt, ist inzwischen Realität. Die italienische Schweiz verfügt über eine eigene Universität, und das Tessin ist als Hochschulkanton anerkannt. Die USI als einzige italienischsprachige Universität ausserhalb Italiens zählt drei Fakultäten, 1500 Studierende aus 35 Ländern, 300 Professoren und Assistenten, mehrere Forschungs-Institute und Masterprogramme.
Das 1996 gegründete Athenäum hat dieses Jahr eine wichtige Etappe erreicht. Die ersten 67 Absolventen der Architekturakademie erhielten im November ihre Diplome. Es handelt sich um den ersten Jahrgang, der den gesamten sechsjährigen Studienzyklus durchlaufen hat. Die beiden anderen Fakultäten in Lugano – Ökonomie und Kommunikationswissenschaften – kürten bereits im Jahr 2000 ihre ersten Diplomanden.
Die Università della Svizzera italiana (USI) will sich jedoch nicht auf dem bisher Geleisteten ausruhen. Während andere Schweizer Universitäten den Gürtel enger schnallen, bereitet sich die USI auf die Eröffnung einer vierten Fakultät unter dem Namen Informatik-Wissenschaft vor. Den Aufruf der zurückgetretenen Bundesrätin Ruth Dreifuss, mehr für die technischen Wissenschaften zu tun, hat man südlich des Gotthard ernst genommen.
Grosser Rat muss Projekt absegnen
Die neue Fakultät soll bereits zum Herbst 2003 ihren Betrieb aufnehmen. Realistischer erscheint aber das Jahr 2004, weil der Grosse Rat noch seinen Segen geben muss und zudem im Frühling 2003 kantonalen Wahlen anstehen. Der neue Fachbereich, zu dem jährlich 60 Studienanfänger erwartet werden, wird pro Jahr bei voller Auslastung (ab 2007/2008) 8,6 Millionen Franken kosten. Davon gehen 4 Millionen zu Lasten des Kantons.
Auf die Uni-Informatiker wartet ein dreijähriges Grundstudium, das mit dem Bachelor beendet wird und sich durch ein breites Angebot von der fachspezifischen Ausbildung von Informatik-Ingenieuren an der Fachhochschule der italienischen Schweiz (Supsi) abheben soll. Kritiker sprechen aber gleich wohl von einer gewissen Doppelspurigkeit zwischen USI und Supsi.
Die eigentliche Spezialisierung erfolgt im zweijährigen Hauptstudium, das zum Master führt. Geplant sind derzeit sieben Mastertitel, die von Finanzinformatik bis zur Informatik naturwissenschaftlicher Modelle reichen.
Vernetzung fördern und Fakultäten stärken
Die neue Fakultät soll auch beitragen zur stärkeren Vernetzung bereits bestehender wissenschaftlicher Institute im Kanton. Dabei denkt man an das biomedizinische Forschungszentrum in Bellinzona (IRB, das Institut Dalle Molle zur Erforschung Künstlicher Intelligenz (Idsia) aber auch an das Hochleistungs-Rechenzentrum der ETH in Manno, das demnächst in die Nähe des Uni-Campus Lugano zügeln wird.
Während sich die Energien der USI auf das neue Fakultätsprojekt konzentrieren, müssen gleichzeitig die bisherigen Fakultäten konsolidiert werden. Dies scheint vor allem für die Architektur-Akademie nötig, die für negative Schlagzeilen sorgte, nachdem Direktor Kurt Forster nach nur wenigen Monaten im März 2002 das Handtuch warf.
In Interviews erhob er damals schwere Vorwürfe und kanzelte die Akademie als «Ableger von Mario Bottas Architekturbüro» ab, in der Vetternwirtschaft gang und gäbe sei. Bei einiger berechtigter Kritik verschwieg Forster allerdings, dass er selber seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Die von ihm verlangten neuen Studienpläne legte er nie vor. Jetzt hat Botta das Zepter als Direktor übernommen.
Studentengruppe aufgelöst
Konsolidierung ist auch bei der Fakultät für Kommunikations-Wissenschaften gefragt, die in den letzten Jahren ebenfalls unter erheblichen internen Spannungen litt. Dabei ging es neben persönlichen Unverträglichkeiten im Lehrkörper auch um Grundsatzfragen didaktischer Art und die Ausrichtung der Fakultät.
Seit Dekan Eddo Rigotti, der der konservativ-katholischen Laienbewegung «Comunione e Liberazione» nahe stand, sowie der Zürcher Medienwissenschafter Ulrich Saxer und der Soziologe Gaetano Romano die Fakultät verlassen haben, hat sich das Klima aber offenbar verbessert.
Wenig auffällig verhalten sich die Fakultät für Wirtschafts-Wissenschaften sowie die Studentenschaft. Die einzig politisch aktive Studentengruppe «IntrUSI», die in einer Petition die Halbierung der extrem hohen Studiengebühren verlangte (2000 Franken pro Semester für Einheimische und 4000 für Auswärtige), hat sich im Juni 2002 aufgelöst.
swissinfo, Gerhard Lob
Universität der italienischen Schweiz
Anzahl Studenten: 1500
Anzahl Dozenten: 300
Studiengebühren pro Semester: 2000 Franken (Tessiner), 4000 Franken (Auswärtige)
Fakultäten: Architektur, Wirtschafts-Wissenschaften, Kommunikations-Wissenschaften, Informatik (in Planung)
Die Universität der italienischen Schweiz (USI) ist die jüngste Hochschule der Eidgenossenschaft. 1996 begann das Athenäum seinen Betrieb – ohne Segen des Bundes – mit den Fakultäten Wirtschaft, Kommunikation und Architektur. Die Anerkennung des Tessins als Hochschulkanton erfolgte im Dezember 2000. Die Architektur-Akademie wird zur Zeit von Mario Botta geleitet, nachdem Kurt Forster im März 2002 durch seinen überraschenden Abgang eine Polemik im Kanton ausgelöst hat. Die USI hat 2002 ihren ersten vollständigen Zyklus von sechs Jahren durchlaufen. Geplant ist jetzt die Eröffnung einer weiteren Fakultät unter dem Namen Informatik-Wissenschaft.
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