Atomtest sendet Schockwellen aus
Die erfolgreiche Zündung einer Atombombe durch das nordkoreanische Diktaturregime vom Montag wird in der Schweizer Presse einhellig verurteilt.
Über dessen Auswirkungen auf das Land, die Region und die gesamte Staatengemeinschaft gehen die Meinungen jedoch ziemlich auseinander.
«Kim Jong Il, Brillenfetischist und brutaler Diktator, ist seinen Weg bis zu Ende gegangen.» Unbekümmert von allen Warnungen habe er Nordkorea Atomwaffen verschafft und nun deren Einsatzfähigkeit vor aller Welt mit einem Test demonstriert, kommentiert der Tages Anzeiger.
«On le sait, la boîte de Pandore de la Proliferation atomique n’a pas été refermée avec la fin de la guerre froide», schreibt die Freiburger La Liberté. «Man weiss, die Büchse der Pandora der atomaren Proliferation ist mit dem Ende des Kalten Krieges nicht geschlossen worden.»
«Worüber soll man sich eigentlich mehr empören – über die Selbstherrlichkeit, mit der Pjongjang seine Erpressungspolitik zelebriert, oder über die Ohnmacht, mit der ihr der Rest der Welt begegnet?» fragt die NZZ, die Neue Zürcher Zeitung. Den zweifellos trage es nicht zur Gemütlichkeit auf der Erde bei, wenn eine unberechenbare Diktatur gefährliche Spiele in ihrem atomaren Sandkasten spiele.
Atomkontinent Asien
«Asien wird zum Atomkontinent». Für den Berner Bund ist das die grösste Gefahr der nordkoreanischen Atomtests. «Vermutlich Japan und Südkorea, vielleicht auch Taiwan werden – wenn sie die Diktatur in Pjöngjang nicht schnell stoppen können – sehr bald selbst eine atomare Aufrüstung beginnen.»
Eine weitere beunruhigende Vorstellung ist für die NZZ, «dass der heruntergewirtschaftete Hungerstaat, der seine Schatullen in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch illegale Geschäfte mit Drogen, gefälschten Dollarnoten oder Raketen zu äufnen pflegte, die atomare Technologie und das spaltbare Material an den meistbietenden Interessenten und somit allenfalls an terroristische Organisationen verscherbeln könnte».
Versicherung
Was für Nordkoreas Nachbarn Grund zu höchster Besorgnis sei, meint der Winterthurer Landbote, habe für das Regime von Kim Jong Il den Charakter einer Versicherung: «Es ist von aussen unangreifbar und kann das Ausland erpressen, sein Land mit Hilfsleistungen über Wasser zu halten.»
Die Aargauer Zeitung schiebt einen Teil der Verantwortung aber auch auf die US-Regierung: «Kim Jong Il hat seine Lektion gelernt: Hätte Saddam Hussein 2003 Kernwaffen besessen, hätten die USA den Irak nicht angegriffen.»
Wie reagieren?
Ratlosigkeit zeigt sich bei den Kommentatoren bei der Frage, wie denn am besten auf Nordkoreas Provokation zu reagieren sei.
So schreibt die NZZ: «Neben rhetorischer Empörung scheinen die Möglichkeiten des Protests für ausländische Staaten eng begrenzt zu sein. Ein Militärschlag kommt nur schon deshalb kaum in Frage, weil Nordkorea über massive Vergeltungskapazitäten konventioneller Natur verfügt und Südkoreas Hauptstadt Seoul in der Reichweite von Nordkoreas Artilleriegeschossen liegt.»
Noch gebe es aber Hoffnung, dass Nordkorea sich das Atomprogramm abkaufen lasse, meint die Basler Zeitung. «Zumal es gestern zwar eine Atombombe testete, aber noch nicht in der Lage sein dürfte, diese auf Trägerraketen zu montieren.»
Mit «Überzeugungskraft und diplomatischem Geschick, aber auch Unbeugsamkeit und Härte» müsse die internationale Gemeinschaft reagieren, schreibt die Berner Zeitung.
Und die NZZ hinterfragt auch die Unterstützung des nordkoreanischen Regimes durch die Schweiz: «Auch gut gemeinte Entwicklungshilfe, wie sie unter anderen die Schweiz gewährt, dient letztlich den Interessen des Regimes.»
swissinfo
Die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates und Japan besprechen am Dienstag eine Antwort des Rates auf den nordkoreanischen Atomtest. Dazu steht eine dreizehn Punkte umfassende Resolution der USA auf dem Tagesprogramm.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat angedeutet, die Schweiz werde eventuelle durch den UNO-Sicherheitsrat beschlossene Sanktionen gegen Nordkorea unterstützen.
2002: Nordkorea weist die Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) aus dem Land.
2003: Piöngjang tritt aus dem Atomwaffen-Sperrvertrag aus.
2004: Beginn der «Sechsergespräche» (Nord- und Südkorea, China, USA, Japan, Russland).
2006:
5. Juli – Langstreckenraketen-Test (könnte die USA erreichen).
15. Juli – Sanktionen des Sicherheitsrates.
9. Oktober – Sein erster Atombombentest etabliert Nordkorea als 8. Staat mit Atomwaffen.
Bisher haben sieben Staaten offen erklärt, über Atomwaffen zu verfügen: USA, Russland, Grossbritannien, Frankreich, China, Indien und Pakistan. Israel hat den Besitz von Atomwaffen nie bestätigt, das Land wird trotzdem als Atommacht eingestuft.
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