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Calmy-Rey zu einem Arbeitsbesuch in China

China bereitet sich auf Olympia 2008 vor: Schweizer Architekten haben das Stadion für die Eröffnungsfeier entworfen. Keystone

Bundesrätin Micheline Calmy-Rey ist zu einem offiziellen Arbeitsbesuch in China eingetroffen. Die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und China stehen im Vordergrund der Gespräche.

Zudem wird die Schweizer Aussenministerin in Kanton das neue Generalkonsulat der Schweiz eröffnen.

Zwischen Bern und Beijing (Peking) besteht seit Jahren eine intensive Zusammenarbeit. Nur in einem Punkt kommt man sich nur sehr langsam näher: in der Menschenrechtsfrage.

Nachdem der chinesische Aussenminister Li Zhaoxing seiner Schweizer Amtskollegin im Februar in Bern einen Besuch abgestattet hat, erwidert diese nun die Visite auf chinesischem Terrain.

Die Vorsteherin des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) wird vom 27. bis 30. Oktober 2006 das Reich der Mitte besuchen, um die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern weiter zu verbessern.

In der chinesischen Hauptstadt wird Calmy-Rey mit Aussenminister Li Zhaoxing und Vizepräsident Zeng Qinghong Gespräche führen. “Die bilateralen Beziehungen sowie aktuelle regionale Fragen stehen dabei im Zentrum”, sagt EDA-Sprecher Lars Knuchel.

In der südchinesischen Metropole Guangzhou (Kanton) – einer der dynamischsten Wirtschaftsräume Chinas – wird die Aussenministerin das neue Generalkonsulat der Schweiz eröffnen und sich mit hochrangigen Vertretern der lokalen Behörden treffen.

Frühe Anerkennung

Obwohl die Schweiz und China nicht nur geografisch, sondern auch demografisch und wirtschaftlich weit auseinander liegen, unterhalten die beiden Länder schon lange intensive bilaterale Beziehungen.

Die Schweiz gehörte zu den ersten westlichen Ländern, welche die Volksrepublik China offiziell anerkannten. Das war 1950. Ausserdem war die Schweiz das erste Land, das ein “Joint Venture” mit einem lokalen Unternehmen einging.

Die Schweiz hat zudem über ihren Botschafter Pierre-Louis Girard an den Verhandlungen Chinas zum Beitritt in die Welthandels-Organisation (WTO) teilgenommen.

Investitionen und Tourismus

Beide Länder sind überzeugt, dass sie den vor einem halben Jahrhundert eingeschlagenen Weg fortfahren wollen. Dies unterstrich zu Beginn dieses Jahres auch Bundespräsident Moritz Leuenberger, als er vom “Willen zur Intensivierung der gegenseitigen Beziehungen” sprach.

Diese Annäherung beruht auf Gegenseitigkeit. Auf der einen Seite bewundert (und beneidet) die Schweiz den Wirtschaftsboom im gigantischen China, auf der anderen Seite interessiert sich China immer stärker für das kleine, neutrale Alpenland im Herzen Europas.

Dies widerspiegelt auch das stets wachsende Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern, das von 4,8 Mrd. Franken (2003) auf 6 Mrd. im Jahr 2005 kletterte. In ähnlichen Proportionen entwickelten sich die Schweizer Direktinvestitionen in China. Der Zuwachs von 2003 auf 2004 betrug 12%.

Peking ist zufrieden und dankt auf seine Weise: Vor zwei Jahren hat das Reich der Mitte die Schweiz in die Liste “anerkannter Touristendestinationen” aufgenommen. Damit können Millionen von chinesischen Touristen die Schweiz als Reiseziel ansteuern.

Streitpunkt Menschenrechte

In Bereichen wie Wirtschaft, Finanzen, Handel und Tourismus sind die Beziehungen folglich sehr gut. Doch es gibt auch Bereiche, in denen die Meinungen auseinander gehen. Beispielsweise bei Fragen zu den Menschenrechten.

Seit 1991 politische Gespräche über fundamentale Freiheitsrechte aufgenommen wurden, konnten schon einige wichtige Ergebnisse erreicht werden (im Justizsystem und Gefängniswesen). Doch in einigen Punkten ist keine Einigung in Sicht.

Die Tibet-Frage – China besetzt Tibet seit 1950 – hätte fast zu einer ernsthaften Störung der Freundschaft zwischen den beiden Ländern geführt. Im März 1999 war der damalige chinesische Präsident Jiang Zemin bei einem offiziellen Arbeitsbesuch in Bern auf dem Bundesplatz mit Pfiffen von Exil-Tibetern begrüsst worden.

Zemin goutierte diesen Empfang nicht. “Sie haben einen guten Freund verloren”, sagte er der damaligen Bundespräsidentin Ruth Dreifuss sichtlich entnervt.

Doch die Welt ändert sich. Und auch China. Zeichen der Öffnung hat jedenfalls auch Aussenministerin Calmy-Rey festgestellt. Vor acht Monaten führte sie Gespräche mit Li Zhaoxing über Menschenrechtsfragen. Angeblich “ohne Tabus”.

swissinfo, Luigi Jorio
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

China (ohne Hongkong) ist nach Japan der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien.
Schweizer Exporte nach China: 415 Mio. Fr. (1990), 3,1 Mrd. Fr. (2004).
Importe aus China in die Schweiz: 418 Mio. Fr. (1990), 2.8 Mrd. Fr. (2004).
Schweizer Direktinvestitionen in China: 257 Mio. Fr. (2004).
Rund 300 Schweizer Unternehmen sind in China tätig.

Die erste Schweizer Botschaft in China wurde 1957 eröffnet.

Nach dem Abschluss von Handelsverträgen im Jahr 1974 intensivierte sich der wirtschaftliche, kulturelle und wissenschaftliche Austausch in den Achtziger- und Neunzigerjahren.

Namentlich wurde ein Investitionsschutz-Abkommen abgeschlossen (1986), ein Abkommen zur wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit (1989), ein Doppelbesteuerungs-Abkommen (1990), ein Abkommen zum Patentschutz (1992) und ein Fonds für Risikokapital (1997).

Auch einige Schweizer Gemeinden haben den bilateralen Weg eingeschlagen und sind Partnerschaften mit chinesischen Städten eingegangen (Zürich und Kunming, Lugano und Beihai).

1999 gab es diplomatische Verstimmungen wegen der Tibetfrage. Doch seit Ende 2004 pflegen die Schweiz und China wieder einen Dialog über politische Themen.

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