Der Verteidigungsminister meldet sich ab
Seit Monaten war er in politischen Kreisen und in der Presse unter Druck. Nun nimmt Verteidigungsminister Samuel Schmid den Hut. Porträt eines Mannes, der nach acht Jahren im Bundesrat ein kontrastreiches Bild hinterlässt.
Sichtlich gerührt stand Schmid am Mittwoch in Bern vor die Medien und gab seinen Rücktritt per Ende Jahr bekannt. Er war vergangene Woche an der Gallenblase operiert worden und hatte am gestrigen Dienstag die Arbeit teilweise wieder aufgenommen.
Wegen verschidener Armee-Unfälle und der Affäre um Armeechef Roland Nef war Schmid in letzter Zeit in der Kritik gestanden. Seit Monaten forderten politische Kreise seinen Rücktritt.
Sowohl auf persönlicher wie auch auf politischer Ebene bleibt eine nuancierte Erinnerung zurück – mit guten und mit weniger guten Phasen.
Der scheidende Verteidigungsminister wurde oft als farblos bezeichnet. Zurückhaltend, mit bedächtiger Redeweise, strahlte er nie den Enthusiasmus seines Vorgängers Adolf Ogi aus.
Samuel Schmid mischte sich nie in die Dossiers seiner Regierungskollegen und -kolleginnen ein, mochte das Spiel der kleinen, polemischen Seitenhiebe nicht – kurz, man merkte wenig von ihm.
Der Anwalt vom Lande
Oft wurde er als Mann ohne Charisma und als Archetyp für einen «Anwalt vom Lande» bezeichnet, der an die Spitze des Staates gelangt ist.
Auf der anderen Seite ist Schmid eine sehr umgängliche Person. Leute, die ihn kennen, sprechen von einem offenen, leicht ansprechbaren Mann, der mit jedem spricht. Der Verteidigungsminister war bekannt dafür, dass er sich in den Gängen des Bundeshauses Zeit nahm, um auch mit dem Putzpersonal zu plaudern.
Schmid war aber auch imstande, Blitzaktionen zu unternehmen. Wie am 1. Januar 2005, als er am ersten Tag seiner Amtsperiode als Bundespräsident einen unerwarteten Besuch bei Grenzsoldaten machte – eine symbolische Geste, die sehr geschätzt wurde.
Und alle erinnern sich noch an Schmids mutigen Auftritt am Weltgipfel über die Informationsgesellschaft in Tunis, als er öffentlich die Zensur des tunesischen Regimes verurteilte.
Der Anti-Blocher
Samuel Schmid war immer ein Gegengewicht zum radikalen Flügel der Schweizerischen Volkspartei (SVP), seiner Partei. Dies wurde schon bei seiner Wahl als Bundesrat am 6. Dezember 2000 klar, als das Parlament Schmid statt der offiziellen SVP-Kandidatin Rita Fuhrer wählte.
Wegen seiner Gegenposition zur SVP-Führung musste Schmid viele Kröten schlucken; die bekannteste war der Ausspruch des damaligen SVP-Nationalrats Christoph Blocher, der Schmid einen «halben Bundesrat» nannte.
Jahrelang hat Schmid mit stoischer Ruhe die Kritik seiner eigenen Partei ertragen, namentlich auch dank der Unterstützung der Parteien, die sich gegen die radikale SVP-Führung stellten. Jedenfalls verlieh dies dem Berner Bundesrat das Image eines Politikers, der Schläge einzustecken weiss.
Schmid kann aber bei Gelegenheit auch Schläge austeilen. Entnervt schlug er vor kurzem die Tür zur SVP zu und trat über in die neue Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP), die sich von der SVP abgespalten hatte.
Durchzogene Bilanz
Samuel Schmid war während seiner achtjährigen Amtszeit als Bundesrat immer Verteidigungsminister.
Er hat nie gewünscht, ein anderes Departement zu übernehmen, obwohl er dazu Gelegenheit gehabt hätte. Denn während dieser Zeit hatten fünf seiner Amtskollegen die Regierung verlassen.
Kritiker sehen darin einen Mangel an Ambitionen. Tatsächlich hätte ein ehrgeiziger Politiker ein prestigereicheres Departement wie das Innen-, das Finanz- oder das Wirtschaftsministerium anvisiert. Schmid hat immer erklärt, er wolle das Verteidigungsschiff nicht verlassen, bevor die Armeereform verwirklicht sei.
Nach acht Jahren ist die Bilanz des Verteidigungsministers durchzogen. Sicherlich konnte er einige Erfolge verbuchen, wie zum Beispiel die Annahme des Reformprojekts Armee XXI durch das Volk oder den Einsatz von bewaffneten Schweizer Truppen für Friedensmissionen im Ausland.
Aber heute scheint es, dass sich die Schweizer Armee nicht im Klaren ist über ihre wirklichen Ziele. Und die Ablehnung des Rüstungsprogramms durch den Nationalrat, die grosse Kammer, ist eine deutliche Misstrauenskundgebung gegen Samuel Schmid.
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Historiker gefragt
Ein kurzer Augenschein der Karriere von Samuel Schmid zeigt also das Porträt einer kontrastreichen politischen Figur, mit ihren Erfolgen und Fehlschlägen.
Derzeit fällt die Bilanz negativ aus. 2008 war für Schmid ein veritables «annus horribilis», mit dem unglaublichen Durcheinander um den Abgang von Armeechef Roland Nef als Höhepunkt. Ein Jahr zuviel für Schmid, wie es scheint.
Von seiner früheren Partei seit längerer Zeit im Stich gelassen, der Kritik der anderen Parteien preisgegeben, wurde er ohne Ruhm in Richtung Ausgang gezogen.
Wenn die Wogen seines Rücktritts geglättet sind, ist es an der Zeit, ein ruhigeres Porträt des Mannes und seines Werkes zu zeichnen. Doch das ist dann die Aufgabe der Historiker.
swissinfo, Olivier Pauchard
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)
Geboren 1947, verheiratet, drei Söhne.
Studium der Rechte an der Universität Bern mit Abschluss als Fürsprecher (1973) und Notar (1978).
Nach kurzer Tätigkeit bei der eidgenössischen Finanz-verwaltung (1973) Eintritt in ein Anwaltsbüro in Bern.
Ab 1978 selbständiges Advokatur- und Notariatsbüro in Lyss. Ab 1998 Rechtskonsulent im Advokaturbüro Kellerhals & Partner in Bern.
Verschiedene Führungs-funktionen in Wirtschaft und Wirtschaftsverbänden.
Präsident des Bernischen Gewerbeverbands seit 1990; Vorstandsmitglied des Schweizerischen Gewerbeverbands seit 1991.
Beginn der politischen Karriere als Mitglied der Legislative und später der Exekutive in der Gemeinde Rüti bei Büren (BE).
Von 1982 bis 1993 Mitglied des Berner Kantonsparlaments.
Seit 1994 präsent in der nationalen Politszene, zuerst als Nationalrat (1994-1999), dann als Ständerat (1999-2000).
1998 bis 1999 Fraktions-präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Am 6.12.2000 wird Schmid vom Parlament zum Bundesrat gewählt. Amtsantritt am 1.1.2001.
2005 ist er Bundespräsident. Ende 2008 tritt er nun zurück.
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