Die Fünfte Schweiz trainiert ihre Muskeln
Der Auslandschweizerrat (ASR) setzt auf Lobbying und Information, damit die Rechte der 600'000 Landsleute im Ausland besser geschützt werden.
An seiner Frühjahrssitzung in Bern lehnte der Rat am Samstag einen Systemwechsel klar ab. Die Idee eines direkt gewählten Konsultativ-Organs blieb chancenlos.
Einen virtuellen Kanton für die Auslandschweizer Wählerinnen und Wähler? Sollen sie in einem Kanton konzentriert werden? Reservierte Sitze in der Bundesversammlung? Mit direktem Wahlrecht gewählte Parlamentarier? Nichts davon!
Fast einstimmig hat der Auslandschweizerrat (ASR) festgestellt, das diese Wege nicht praktikabel seien. Das Hauptargument: Solche Schritte verlangten Verfassungsänderungen, da sie eine Ungleichbehandlung von Landsleuten im In- und Ausland schaffen würden.
Aus diesem Grund hat der ASR am Samstag beschlossen, auf einen Systemwechsel zu verzichten.
Lobbying
Es wurde entschieden, eine politisch durchmischte Parlamentariergruppe zu bilden, die den Anliegen der «Fünften Schweiz» aufgeschlossen gegenüber steht.
«Man muss den Parlamentariern begreiflich machen, welch grossen wirtschaftlichen Einfluss die Schweizer im Ausland haben», sagte Nationalrat Yves Guisan eindringlich.
Seiner Ansicht nach sollte die Auslandschweizer-Organisation ihre Kräfte verdoppeln, um politisches Lobbying zu betreiben. Sie möchte auch die Möglichkeit haben, Initiativen einzureichen.
Dazu sei es nötig, die Schallgrenze von 100’000 ins Wahlregister eingeschriebenen Auslandschweizern zu durchbrechen. Ende 2003 waren es bereits 90’000. Man scheint dem Ziel also schon recht nahe zu sein.
Demokratische Legitimität
Der vom Auslandschweizerrat eingeladene Max Frenkel übernahm die Rolle des «Advocatus Diaboli»: «Aus demokratischer Sicht sind die politischen Rechte der Auslandschweizer ein Fehler», sagte der pensionierte Journalist der Neuen Zürcher Zeitung. «Partizipation bedeutet, jeden Tag die Auswirkungen seiner Entscheidungen zu erfahren.»
Das sei bei ihnen auch der Fall, erwiderte Georg Stucky, Präsident der Auslandschweizer-Organisation ASO. «Die Schweizer im Ausland werden insbesondere durch die Entscheidungen berührt, die mit den sozialen Versicherungen und mit dem Fiskus zusammenhängen!»
E-Voting
Und um den Einfluss der Auslandschweizer zu vergrössern, ist die ASO für eine rasche rasche Einführung des E-Votings. Dies sollte zu mehr Stimmabgaben führen, verfügten doch rund 80% der Auslandschweizerinnen und –schweizer über einen Internet-Anschluss. ASO Präsident Georg Stucky: «Die Schweizer Demokratie braucht die elektronische Abstimmung – besser heute als morgen!»
Technische und institutionelle Gründe würden eine Einführung von E-Voting jedoch frühestens gegen 2010 ermöglichen, erklärte Peter Sutter, Vertreter des Departements für Auswärtige Angelegenheiten EDA.
«Es ist wichtig, dass die ASO mit der Bundeskanzlei zusammenarbeitet, damit die Auslandschweizer bei der Einführung des nationalen E-Votings gleich mitmachen können», sagte Peter Sutter weiter.
Positive Bilanz
Für ASO-Präsident und alt-Nationalrat Georg Stucky geht die FünfteSchweiz gestärkt aus den Parlamentswahlen vom Oktober 2003 hervor. Seine positive Bilanz: Zahlreiche Kandidaturen, ein intensiver Dialog mit den Parteien sowie ein breites Medienecho brachten den Anliegen der Auslandschweizer grosse Beachtung.
Für den ASO-Präsidenten galt das letzte Wochenende als gutes Omen, da in den St. Galler Grossen Rat ein Auslandschweizer gewählt wurde.
Am Kongress ging es auch um die Auslandschweizer in Argentinien. Ein Land, in dem sich die Situation für viele langsam verbessert, wo aber für Härtefälle mit einem neuen Hilfsfond vom Sommer an Erleichterung geschaffen werden kann.
Wichtiges Radio und TV-Gesetz
Weiter hat der Auslandschweizerrat am Samstag einmal mehr seine Grundsatzhaltung zum neuen Radio- und Fernseh-Gesetz bekräftigt.
Es sei wichtig, dass der Bund definitiv die Hälfte der Kosten von swissinfo übernehme, damit für die Schweizer im Ausland ein entsprechendes Medium zur Verfügung stehe.
swissinfo, Pierre-François Besson
(aus dem Französischen übertragen von Etienne Strebel)
Der Auschlandschweizerrat (ASR) gilt als Parlament der «Fünften Schweiz».
Der ASR vereinigt 68 Delegierte der Schweizergemeinschaften im Ausland sowie 23 Vertreter der im Dienste der «Fünften Schweiz» tätigen Institutionen und Repräsentanten des schweizerischen öffentlichen Lebens.
Er ist das oberste Organ der Auslandschweizer-Organisation und tritt zwei Mal jährlich zusammen.
Der ASR ist das wichtigste Sprachrohr der ASO. Er verteidigt die Interessen der Auslandschweizer und bezieht Stellung zu politischen Problemen.
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