Ein weiteres Paket zur Stützung der Konjunktur
Mit einem weiteren Investitions-Programm von diesmal 700 Millionen Franken will die Landesregierung die Konjunktur in der Schweiz stützen und die Folgen der internationalen Finanzkrise mindern. Steuerreformen sollen die Kaufkraft der Haushalte stärken.
Die Linke forderte ein Mehrfaches der nun vom Bundesrat beschlossenen 700 Millionen Franken. Als «Sammelsurium kleinlicher Massnahmen ohne politisches Ziel» bezeichnet Ursula Wyss, Fraktionschefin der Sozialdemokraten, das Programm.
Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei kristisiert, damit werde der Staatshaushalt unnötig weiter aufgebläht. Die politische Mitte zeigt sich zufrieden.
«Für uns ist es wichtig, dass wir Projekte haben, die Arbeit bringen und schnell umsetzbar sind», sagt Volkswirtschafts-Ministerin Doris Leuthard gegenüber swissinfo.
«Wir wollten auch, dass alle Regionen der Schweiz profitieren und dass das Gewerbe Arbeit hat. Denn es ist auch psychologisch wichtig, dass die Menschen sehen, dass der Bausektor läuft.»
Auch im Vergleich mit den als grosse Pakete angekündigten Konjunkturprogrammen Deutschlands oder Frankreichs könne sich die Schweiz sehen lassen, sagt Leuthard: «Wenn man die effektiv ausgelösten direkten Investitionen, die Steuererleichterungen, die Gelder, die über die Arbeitslosen-Versicherung als automatische Stabilisatoren einfliessen und die Gelder der Kantone berücksichtigt, dann sind wir eben auch bei 1,5% des Bruttoinlandproduktes und somit im europäischen Vergleich absolut adäquat.»
Vor allem zugunsten der Binnenwirtschaft
Mit dem Programm bleibt der Bundesrat innerhalb der Grenzen der Schuldenbremse. Die Ökonomen des Bundes gehen davon aus, dass zusammen mit den Massnahmen der Kantone mehr als eine Milliarde Franken an Investitionen ausgelöst werden.
Von den 700 Bundes-Millionen sind 390 Mio. für Schiene und Strasse, 100 Mio. für Infrastrukturen in wirtschaftlich schwachen Regionen, 80 Mio. für ökologische Gebäudesanierungen und 40 Mio. für Sanierungen von Bundesbauten vorgesehen.
«Der Bund hat kein Budget für Industriepolitik. Wir können nicht direkt Aufträge an die Uhrenindustrie oder an die Textilindustrie vergeben», begründet Leuthard den Umstand, dass der Bund mit dem Investitionsprogramm vor allem die vergleichsweise gesunde Binnenwirtschaft und nicht die stärker betroffene Exportwirtschaft stützt.
«Aber bei vielen Projekten, zum Beispiel im Bereich der Bundesbahnen, aber auch in der Regionalpolitik, profitieren viele Betriebe, die eben auch exportabhänig sind», so Leuthard.
Kurzarbeit statt Entlassungen
Zur Stützung der Exportindustrie will die Regierung den Zugang zu Exportfinanzierungen erleichtern und die Finanzierungskosten von Exporten senken. Dazu ist eine Gestzesrevision nötig, die bis 2011 befristet werden soll. Volkswirtschaftsministerin Leuthard erhofft sich überdies von Freihandelsabkommen «eine stabilisierende Wirkung» auf die Exportwirtschaft.
Schliesslich soll auch die Verlängerung der Kurzarbeitszeit-Berechtigung von 12 auf 18 Monate die Exportwirtschaft stützen. Diese ist besonders von Kurzarbeit betroffen.
«Ich bin überzeugt, dass das ein Signal an die Unternehmen ist, den Leuten nicht zu künden, sondern die Flaute mit Kurzarbeit zu überbrücken», so Leuthard.
Was aber, wenn die Flaute länger als 18 Monate anhält? «Im Fall einer schweren Rezession müsste der Bundesrat ein drittes Konjunkturprogramm in Erwägung ziehen», sagt Leuthard.
Entscheiden, ob ein drittes Programm nötig ist oder nicht, will die Landesregierung im Juli. «Das Expertenteam Konjunktur verfolgt die Situation genau und verfasst wöchentlich eine Analyse.»
Beschleunigte Verfahren
Im Paket mit dem Konjunkturprogramm will der Bundesrat auch die Kaufkraft der Haushalte stärken. So soll die kalte Progression bei den Bundessteuern schneller als bisher und erstmals 2010 ausgeglichen werden.
Mit dem Teuerungsaugleich rutschen die Steuerpflichtigen in eine höhere Tarifstufe und müssen deshalb mehr Steuern bezahlen. Bis jetzt hat der Bund diese kalte Progression ausgeglichen, wenn die Teuerung 7% erreichte. Neu will er bereits bei einem Schwellenwert von 3% ausgleichen.
Mehr Kaufkraft verspricht sich der Bundesrat auch von Steuerrefomen zugunsten von Familien mit Kindern. Der höhere Kinderabzug und der Ausgleich der kalten Progression brächten dem Bund Mindereinnahmen von rund einer Milliarde Franken jährlich. Damit die Schuldenbremse eingehalten werden kann, muss dieser Betrag anderswo kompensiert werden.
Die steuerlichen Massnahmen und Teile des Konjunkturprogramms müssen noch vom Parlament bewilligt werden. Damit sie schnell wirksam werden, will der Bundesrat das Verfahren beschleunigen und die Konsultationsfristen kurz halten.
Er hoffe, dass das Parlament die Dringlichkeit einsehe und den «Fächer der Möglichkeiten nicht zu weit auftut», sagt dazu Bundespräsident Hans-Rudolf Merz.
swissinfo, Andreas Keiser
Schon im November 2008 hat der Bundesrat erste Massnahmen zur Stützung der Konjunktur beschlossen.
Damals hat er dem Parlament vorgeschlagen, für 2009 Ausgaben in der Höhe von rund 340 Millionen Franken vorzuziehen.
Es handelte sich unter anderem um bereits beschlossene Ausgaben, für die die Kreditsperre für 2009 aufgehoben wurde.
Zudem wurden Ausgaben für den Schutz vor Hochwasser und Naturgefahren oder für energetische Sanierungen aufgestockt oder vorgezogen.
Dazu gab der Bundesrat die Arbeitsbeschaffungsreserven der Unternehmen im Umfang von 550 Millionen Franken frei. Damit wurden für 2009 insgesamt rund 890 Millionen Franken ausgelöst.
Gleichzeitig stellte der Bundesrat eine zweite Stufe von Konjunkturmassnahen in Aussicht für den Fall, dass sich die Wirtschaftslage spürbar verschlechtern sollte.
Diese Tranche hat er nun vorgestellt, weil die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Internationale Währungsfonds (IWF) seither ihre Prognosen für 2009 nach unten korrigiert haben.
Das Parlament wird sich im März mit den Massnahmen zur Stützung der Konjunktur befassen.
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