Eine Visitenkarte der Schweiz
Nicolas Lang ist zum Nahost-Sonderbotschafter ernannt worden. Er wird sich vor allem mit der Genfer Initiative beschäftigen.
Im Gespräch mit swissinfo erläutert er das Abkommen, welches der Schweiz zu internationalem Prestige und zu einem Beziehungsnetz in Palästina und Israel verhalf – im Namen des Friedens.
Nicolas Lang verkörpert von nun an die Genfer Initiative für die Schweiz. Der Bundesrat hat ihn kürzlich zum Sonderbotschafter für den Nahen Osten nominiert – ein Schritt, der nicht überrascht. Denn der 45-jährige Diplomat hat sich im Rahmen der Genfer Initiative sehr engagiert.
Lang hat Aussenministerin Micheline Calmy-Rey bei ihrem jüngsten Besuch in Palästina und Israel begleitet. Seine nüchterne Bilanz der Reise im Zusammenhang mit der Genfer Initiative: «Das Abkommen war kein zentrales Thema des Besuchs.»
Auf der politischen Agenda der Aussenministerin, die erstmals den Nahen Osten besuchte, standen die bilateralen Beziehungen der Schweiz zu den Palästinensern und Israel. Dennoch sei die Genfer Friedensinitiative während der ganzen Nahost-Reise der Schweizer Delegation in allen Köpfen präsent gewesen, sagt der Sonderbotschafter.
swissinfo: Nicolas Lang, haben Sie in Ihrem neuen Amt als Nahost-Sonderbotschafter andere, neue Aufgaben?
Nicolas Lang: Der neue Titel soll unsere Arbeit erleichtern. Er ist nützlich bei unseren Kontakten im Ausland, er öffnet Türen und erlaubt mir, meine Aufgaben besser zu bewältigen.
Die Aufgaben ändern sich nicht. Ich werde mich hauptsächlich weiter mit der Genfer Initiative beschäftigen. Dieses Abkommen hat uns den Aufbau eines Beziehungsnetzes sowohl bei den Palästinensern wie auch in Israel ermöglicht.
Weil das Schweizer Volk von der Landesregierung eine aktive Rolle in der Suche nach einer Lösung des Nahost-Konflikts erwartet, sollten wir dieses Beziehungsnetz noch besser ausnutzen.
Wir müssen uns bei der Unterstützung von Projekten und politischen Prozessen engagieren; dies letzten Endes auch zur Wahrung der Interessen der Schweiz in der Region.
swissinfo: Können Sie den Gründungskreis der Genfer Initiative erweitern auf Persönlichkeiten, die in den politischen Prozessen der Region mehr Gewicht haben?
N.L.: Das ist eine berechtigte Frage. Das «Produkt» Genfer Initiative muss unbedingt für alle Leute in Israel und Palästina akzeptabel sein. Und um dies zu erreichen, müssen wir noch weitere wichtige Persönlichkeiten für das Abkommen motivieren.
Der Initiative wird nämlich vorgeworfen – insbesondere von israelischer Seite -, sie sei lediglich in linken Kreisen um den früheren Justizminister Jossi Beilin verankert. Frieden ist aber nur machbar mit allen. Und deshalb muss auf israelischer Seite die Rechte unbedingt auch für die Initiative mobilisiert werden.
swissinfo: Wie sieht es auf der palästinensischen Seite aus? Yassir Abed Rabbo, einer der Mitbegründer der Genfer Initiative, scheint politisch nicht ein Schwergewicht zu sein.
N.L.: Wir haben immer gesagt, dass die Genfer Initiative ein Unterfangen der Zivilgesellschaft ist. Es ist nicht Aufgabe der Schweiz, neue Persönlichkeiten zu suchen. Aber wir haben unsere palästinensischen Partner auf diesen Aspekt aufmerksam gemacht.
Sie wissen aber sicher, dass Yassir Abed Rabbo dem neuen Präsidenten der palästinensischen Autonomie-Behörden, Mahmud Abbas, sowie dessen Umfeld ziemlich nahe steht. Das zeigt doch, dass Mahmud Abbas nicht weit entfernt von der Genfer Initiative sein kann.
swissinfo: Werden Sie als Nahost-Sonderbotschafter viel reisen?
N.L.: Ich werde weiterhin herumreisen und die Gesprächspartner besuchen, die in der Debatte über den Nahost-Friedensprozess eine Rolle spielen, seien sie nun im Libanon, in Syrien, Jordanien oder Ägypten. Das ist unerlässlich.
swissinfo: Ist die Genfer Initiative eine Visitenkarte der Schweiz?
N.L.: Es ist klar, dass wir dank der Initiative weitergehen können. Das gibt uns Profil auf der internationalen Ebene. Es gibt nicht viele Länder, die dasselbe wie die Schweiz hätten machen können oder wollen. Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat viel Entschlossenheit gezeigt.
Die Genfer Initiative ist anerkannt. Nicht nur die Schweiz unterstützt sie. Das Geneva Initiative Network, eine Plattform der Kontakte, des Austauschs und der Diskussion, konnte an seinem letzten Treffen Vertreter aus 33 Ländern sowie der Europäischen Union (EU) und der UNO versammeln.
Die Genfer Initiative geniesst ein Echo weit über den kleinen Gründerkreis und weit über jene Länder hinaus, die mit der Schweiz zusammen das Unterfangen mitfinanzieren. Die Schweiz ist dabei der sichtbarste Partner.
Das Ding heisst eben Genfer Initiative und nicht Stockholmer oder Pariser Initiative.
swissinfo-Interview: Jugurtha Aït-Ahmed, Sderot, Israel
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)
2004: Schweiz unterstützt Genfer Initiative mit 2,3 Mio. Fr.
Geneva Initiative Network: Kontakt-, Austausch- und Diskussions-Plattform von über 30 Ländern (darunter einige arabische), EU und UNO
2005: Zwei Treffen des Geneva Initiative Network geplant, das erste im Mai
Der jüngst zum Nahost-Sonderbotschafter ernannte Nicolas Lang war an den Diskussionen zur Ausarbeitung der Genfer Initiative beteiligt.
Diese am 1. Dezember 2003 in Genf lancierte Friedensinitiative sieht den fast totalen Abzug der Israelis aus dem Westjordanland und Gaza sowie eine Teilung der Souveränität Jerusalems vor.
Gemäss der Initiative würden die Palästinenser de facto auf das Rückkehrrecht von fast 3,8 Millionen Flüchtlingen in ihre Heimat verzichten.
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