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Freisinnige Weissgeld-Strategie – eine graue Maus

Bezeichnet die Weissgeld-Strategie seiner Partei als Resultat der Vertrauenskrise zwischen Bevölkerung und Boni-Elite: Fulvio Pelli. Keystone

Vor zwei Monaten noch wollte die Spitze des Schweizer Freisinns das Bankgeheimnis für ausländische Kunden weiter aufweichen und im Inland entscheidend relativieren. Nun hat sich die Partei auf eine vergleichsweise zahme Strategie geeinigt.

Am 8. März gab Fulvio Pelli, der Präsident der FDP.Die Liberalen, dem zusehends zunehmenden Druck aus dem Ausland und dem Drängen von Parteiexponenten aus dem Gewerbe- und Industrieflügel nach und trat vor die Medien.

Dabei kündete er eine weit reichende und mit der parlamentarischen Fraktion nicht abgesprochene Strategieänderung an. Diese betraf nicht irgendein Randthema, sondern das freisinnige Schlüsseldossier Bankgeheimnis und Finanzplatzstrategie.

Pelli wollte die Banken dazu verpflichten, nur noch nachweislich versteuertes Geld von ausländischen Kunden anzunehmen. Die im Inland geltende Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug wollte er modifizieren, das heisst, einen Tatbestand schwere Steuerhinterziehung einführen.

Die unter dem Begriff «Weissgeld-Strategie» segelnden Vorschläge bedeuteten je nach Interpretation eine massive Aufweichung oder doch zumindest eine Relativierung des Bankgeheimnisses und lösten parteiintern ein entsprechend massives Gewitter aus. Exponenten der Finanzplätze grollten. Die freisinnigen Flügelkämpfe machten Schlagzeilen. Der Rest der Politwelt schüttelte den Kopf und erfreute sich am Spektakel.

Selbstdeklaration nur gegen Marktzutritt

In der Zwischenzeit haben eine FDP-interne Arbeitsgruppe um den Zuger Ständerat Rolf Schweiger und die Kantonal-Parteipräsidenten-Konferenz der Weissgeld-Strategie gründlich ihre Ecken und Kanten abgeschliffen.

Das heisst: Die Partei hält im Inland am Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug fest. Das Bankgeheimnis bleibt unangetastet. Banken müssen nicht nachweisen, dass das von ausländischen Kunden neu angelegte Geld versteuert ist. Eine Selbstdeklaration des Kunden soll genügen. Die Selbstdeklaration will die Partei in den Verträgen und Abkommen mit anderen Ländern mit dem Markzutritt für Schweizer Finanzintermediäre verkoppeln.

Der Forderung der EU-Kommission nach einem automatischen Datenaustausch von Bankkundendaten und dem Problem der unversteuerten Altvermögen wollen die Freisinnigen mit der Einführung einer Abgeltungssteuer begegnen, also mit einem Instrument, das von den Schweizer Banken propagiert und von der EU-Kommission entschieden abgelehnt wird.

Was, wenn der Bankkunde lügt?

Mit dem neu einzuführenden Tatbestand der Bankgeheimnisverletzung soll der Gefahr des Datenklaus begegnet und damit der Handel mit Bankkundendaten-CDs verhindert werden. Zudem fordert die Partei bis 2015 eine umfassende Revision der heute uneinheitlichen und hoch komplexen Steuerstrafgesetzgebung. Schliesslich soll die Finanzmarktaufsicht gestärkt werden.

Den Delegierten des Finanzplatzes Genf, anderer Westschweizer Kantone und dem Zürcher Finanzplatzflügel ging das Strategiepapier an der Versammlung trotz der weit gehenden Konzessionen seitens der Werkplatz-Exponenten zu weit. Sie wehrten sich vor allem gegen die Selbstdeklaration. «Wenn ich meiner Bank gegenüber erklären muss, das ich das Geld versteuert habe, fühle ich mich bevormundet», kritisierte ein Genfer Delegierter.

«Was passiert, wenn der Kunde lügt? Dann werden die Banken zwar nicht in rechtlicher, aber in moralischer Hinsicht die Schuld tragen», warnte die Genfer Nationalrätin Martine Brunschwig Graf.

«Wer in Kunst oder in Gold investiert, muss auch keine Erklärung abgeben, dass sein Geld versteuert ist», sagte ihre Zürcher Kollegin Doris Fiala. «Wer dem Staat ein Konto verheimlicht, der lügt auch seine Bank an», argumentierte der Zürcher Kantonsrat und Bankdirektor Hans-Peter Portmann. Andere Delegierte kritisierten, die Schweiz sei «das einzige Land, das sowas einführen will».

Drohender Datenaustausch

Der Werkplatz-Flügel hingegen warnte vor dem drohenden automatischen Datenaustausch und plädierte für einen «sauberen und starken» Finanzplatz. «Wenn wir nicht handeln, kommen wir unter Druck und andere Länder befehlen uns, was wir zu tun haben», sagte ein Delegierter. Nationalrat Johann Schneider-Ammann bezeichnete die Selbstdeklaration als die «schwächste Form», die das Ausland einfordern könne.

Schliesslich hiessen die Delegierten die Selbstdeklaration als Ziel ihrer künftigen Finanzplatz-Strategie mit 181 zu 148 Stimmen gut.

Weit einiger waren sich die FDP-Delegierten darüber, dass die Unterscheidung zwischen der lediglich in einem Verwaltungs-Verfahren geahndeten Steuerhinterziehung und dem strafrechtlich relevanten Steuerbetrug im Inland beibehalten werden soll.

Andreas Keiser, Bern, swissinfo.ch

Weiterhin soll grundsätzlich zwischen den Kategorien Steuerbetrug und Steuerhinterziehung unterschieden werden, ihre Abgrenzung aber namentlich auch nach der materiellen Schwere des Steuerdelikts erfolgen

Die FDP verlangt die gesetzliche Verankerung des Prinzips, dass die Steuerbehörden keine direkten Informationen von Banken erhalten dürfen.

Die FDP begrüsst die Übernahme des OECD-Standards 26 und die Amtshilfe auch bei Verdacht auf einfache Steuerhinterziehung im Rahmen von Doppelbesteuerungs-Abkommen mit einzelnen EU- oder OECD- Staaten.

Weitergehende Konzessionen gegenüber der OECD und der EU (automatischer Informationsaustausch) werden abgelehnt.

Die FDP befürwortet den raschestmöglichen Ersatz der vorliegenden Amtshilfeverordnung durch ein Amtshilfegesetz zur Präzisierung des Amtshilfeverfahrens zur Verfolgung von Steuersündern durch ausländische Steuerbehörden und zur Verhinderung der Verwendung von gestohlenen Daten.

Als zusätzliche Massnahme zur Sicherstellung der Steuerkonformität des Finanzplatzes Schweiz befürwortet die FDP von der Finanzmarktaufsicht kontrollierte Verhaltensregeln für Finanzintermediäre und die Einführung einer Selbstdeklaration für ausländische Bankkunden. Letzteres wird nur im Gegenzug zum Marktzutritt für Schweizer Finanzintermediäre angeboten.

Die FDP unterstützt die Schaffung eines neuen Tatbestandes der Bankgeheimnisverletzung, um den Diebstahl von Kundendaten schärfer bestrafen zu können.

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