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Gesetz gegen künftiges «too big to fail»

Eveline Widmer-Schlumpf will mit ihrer Gesetzesvorlage eine Schädigung der Volkswirtschaft durch die beiden Schweizer Grossbanken verhindern. Reuters

Der Bundesrat veröffentlicht einen Gesetzesentwurf zur Verminderung der Systemrisiken der beiden Schweizer Grossbanken. Dass die Regierung dabei über den internationalen Regulierungsstandard Basel III hinausgeht, wird von der UBS und der Rechten kritisiert.

Der Staat will den Grossbanken UBS und Credit Suisse in Zukunft nicht mit Milliardenhilfen unter die Arme greifen müssen. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf präsentierte den Entwurf der Regierung für ein revidiertes Bankengesetz, das weitgehend auf den Vorschlägen einer Expertenkommission basiert.

Um die Gefahren eines Konkurses der beiden Grossbanken einzudämmen, der die Schweizer Volkswirtschaft mit in den Abgrund reissen könnte, haben die Experten ein Eigenkapitalpolster in der Höhe von 19% für die beiden systemrelevanten Institute vorgeschlagen. Der Schweizer Wert ist höher als die 10,5%, welche der internationale Regulierungsstandard Basel III vorsieht.

Das Polster soll sich aufteilen, dass 10% der Eigenmittel mit Eigenkapital oder Gewinnvorträgen gehalten werden müssen und weitere 9% als Pflichtwandelanleihen, so genannte CoCos, welche im Krisenfall in Eigenkapital umgewandelt würden.

Auf die genaue Dicke des Polsters hat sich die Regierung noch nicht festgelegt, sie will das auf Verordnungsebene nachliefern. UBS-Chef Oswald Grübel hatte die Anhebung der Eigenkapitalvorschriften über Basel III-Niveau im Vorfeld scharf kritisiert und als Reaktion eine mögliche Abwanderung der Bank in den Raum gestellt. Unterstützt wurde er dabei von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und von Teilen der anderen bürgerlichen Parteien.

Grössere Systemrelevanz

Die Finanzministerin begründet die höheren Eigenkapitalwerte in der Schweiz mit der ungleich grösseren Systemrelevanz der beiden Grossbanken. So seien die Aktiven, das Vermögen und die Guthaben der UBS um ein mehrfaches höher als das Schweizerische Bruttosozialprodukt (BSP).

«Die UBS ist Leaderin aller Banken im Verhältnis zu einem staatlichen Bruttosozialprodukt», so Widmer-Schlumpf. Mit anderen Worten: Keine Bank besitzt mehr Aktive im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt ihres Staates. Auch die Aktiven des CS-Stammhauses seien so hoch wie das Schweizerische BSP.

Eine solche Situation sei einmalig auf der Welt. Deshalb müsse in der Schweiz sehr rasch und weitergehend als in der Europäischen Union gehandelt werden, erklärte sie das hohe Tempo bei der Ausarbeitung und geplanten Umsetzung der Vorlage.

Weitere Massnahmen

Mit Begleitmassnahmen wie der Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für den schweizerischen Bondmarkt, insbesondere CoCos, will die Regierung den Erwerb von Pflichtwandelanleihen attraktiver machen. Konkret schlägt der Bundesrat etwa die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Obligationen und Geldmarktpapiere vor. Diese und weitere Massnahmen würden laut Widmer-Schlumpf zu Mindereinnahmen von rund 220 Mio. Franken pro Jahr führen.

Weiter sollen auch die Liquiditätsanforderungen an die systemrelevanten Banken erhöht werden, damit diese im Krisenfall während eines angemessenen Zeitraums über ausreichend Liquidität verfügen.

Mit Massnahmen zur Risikoverteilung will die Regierung die Verflechtung innerhalb des Bankensektors verringern und damit die Abhängigkeit kleinerer von systemrelevanten Banken mindern.

Weitere organisatorische Massnahmen sollen im Fall einer Insolvenz einer systemrelevanten Bank die Weiterführung des Zahlungsverkehrs sowie das Einlagen- und Kreditgeschäft sicherstellen.

Sollten trotzdem staatliche Massnahmen nötig sein, stelle die vorgestellte Gesetzesvorlage auch sicher, dass eine vom Staat unterstütze Bank keine Boni an ihre Kader auszahlen dürfe, sagte die Finanzministerin weiter.

Reaktionen

Während dem Schweizerische Gewerkschaftsbund, den Sozialdemokraten und den Grünen die Kapitalvorschriften für die volkswirtschaftlich kritischen Banken in die richtige Richtung weisen aber zu wenig weit gehen, greifen sie für die Schweizerische Volkspartei (SVP) viel zu weit. Sie hält den Vorschlag für «unausgewogen» und «unvollständig».

Zufrieden sind die bürgerlichen Mitteparteien FDP.Die Liberalen und die Christlichdemokraten (CVP). Während die FDP noch ein paar Verbesserungsmöglichkeiten sieht, ist die CVP der Ansicht, der Bundesrat habe mit seinem Vorschlag die Vorschläge der CVP übernommen.

Ob jedoch die bürgerlichen Parteien das Gesetz schliesslich, wie von der Regierung gewünscht, rasch gutheissen, damit die neuen Regeln vielleicht bereits 2012 in Kraft treten können, wird sich weisen.

Basel III bezeichnet ein Reformpaket des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), das die Bankenregulierung 

BASEL II ersetzen soll. Das Paket ist eine Antwort auf die von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 zu  Tage getretenen Schwächen der bisherigen Bankenregulierung.

Im Dezember 2010 wurde die vorläufige Endfassung von Basel III veröffentlicht. Einige Aspekte werden noch diskutiert. In der Europäischen Union (EU) wird die Umsetzung ab 2013 schrittweise in Kraft treten.

Eine von Peter Siegenthaler, dem früheren eidgenössischen Finanzverwalter geleitete Expertengruppe hat dem Bundesrat Ende 2010 Vorschläge unterbreitet , wie die Schweiz mit Grossbanken umgehen soll, die im Konkursfall die gesamte Volkswirtschaft gefährden könnten.

Die Experten-Kommission hat ihre Empfehlungen zuhanden des Bundesrats einstimmig gefällt.

Vorgeschlagen wurden vier Kernmassnahmen zu den Eigenmitteln, der Risikoverteilung, der Organisation und der Liquidität. Sie bilden laut Siegenthaler ein Ganzes.

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