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Im 2006 boomten die Volksrechte

Im 2006 wurden zahlreiche Schachteln mit Unterschriften bei der Bundeskanzlei in Bern abgegeben. Keystone Archive

Im Vorwahljahr 2006 haben die Schweizer Stimmberechtigten von ihren Volksrechten so fleissig Gebrauch gemacht wie seit acht Jahren nicht mehr.

Zehn Volksinitiativen wurden lanciert, fünf eingereicht und sechs weitere Begehren angekündigt. Mit sechs lancierten Referenden war auch hier die Zahl überdurchschnittlich hoch.

Fachleute hatten in den vergangenen Jahren eine Trendwende bei den Initiativen ausgemacht und die Frage der Demokratiemüdigkeit aufgeworfen.

So wurden 2005 nur gerade zwei Volksinitiativen lanciert. Das bevorstehende Wahljahr scheint Parteien und Interessenorganisationen 2006 aber aufgeweckt zu haben.

Erstmals seit 1998, als gleich 19 Unterschriftensammlungen für Volksbegehren gestartet wurden, erreichte die Zahl der neu lancierten Initiativen mit zehn wieder einen zweistelligen Wert.

Routinier und Neuling

Darunter sind zwei Doppelinitiativen. Und zwar die so genannte Tandem-Initiative des Umweltschützers Franz Weber zur Rettung des Schweizer Bodens sowie zwei ebenfalls umweltpolitisch motivierte Steueranliegen einer ökologischen Wirtschaftspartei um den Freiämter Pius Lischer.

Im Unterschied zum Initiativ-Routinier Weber – er und seine Helvetia Nostra hatten schon 2005 zwei Initiativen eingereicht – steht Lischer mit seinen Begehren für eine Umlenkung der Tabak- und Alkoholsteuern in die Krankenversicherung sowie für eine ökologische Energiesteuer weitgehend alleine da.

Ebenfalls um die Tabaksteuer – hier aber um eine radikale Senkung – geht es bei der Initiative «Prävention statt Abzockerei – Für eine Neuausrichtung der Tabaksteuer»; federführend ist der Gründer einer neuen Splitterpartei Schweizerisch-Nationale Volkspartei.

Für mehr Gerechtigkeit

Mit wenig erprobten Organisationen und vorerst bescheidener Unterstützung sind auch zwei weitere Unterschriftensammlungen unterwegs. Der Schaffhauser Kleinunternehmer Thomas Minder und die Katholische Volkspartei haben mit ihren Initiativen «gegen die Abzockerei» beziehungsweise «für eine Solidaritätsabgabe» aber der Thematisierung der hohen Managergehältern ein Thema aufgegriffen, dem man Popularität nicht absprechen kann.

Mehr Gerechtigkeit bei den Steuern verspricht die SP mit ihrer Initiative «Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb».

Links von ihr sammelt die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee Unterschriften für eine neue Initiative zum Verbot der Kriegsmaterialexporte.

Schliesslich läuft die Unterschriftensammlung für eine neue Tierschutz-Initiative; sie will unter dem Titel «Gegen Tierquälerei und für einen besseren Rechtsschutz der Tiere» das Einsetzen von kantonalen Tierschutzanwälten in der Verfassung vorschreiben.

Viele Referenden

Fleissig beansprucht wurde 2006 das Referendumsrecht. In vier Fällen kamen die nötigen 50’000 Unterschriften zusammen.

Das Volk hiess aber das verschärfte Asyl- und das Ausländerrecht sowie die Harmonisierung der Kinderzulagen und das Osthilfegesetz an der Urne gut.
Gescheitert ist das Referendum gegen das Hooligangesetz, das die notwendige Unterschriftenzahl nicht erreichte.

Die Gegner der 5.IV-Revision haben noch bis zu 25. Januar Zeit die nötigen Unterschriften für eine Abstimmung zu sammeln.

Fünf Initiativen sind im zu Ende gehenden Jahr formell zu Stande gekommen. Und zwar die Hanf-Initiative zur Legalisierung des Kiffens, die Initiative «für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern», die Initiative für ein flexibles AHV-Alter des Gewerkschaftsbunds, die Gewässerschutz-Initiative der Fischer, sowie die Initiative zur Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts der Zürcher Sektion der Schweizerischen Volkspartei (SVP).

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Minarette und Waffenrecht

Auch 2007 dürften mehrere Initiativen lanciert werden. Mehr oder weniger konkrete Pläne gibt es für sechs Volksbegehren.

Sie reichen von den Plänen der AUNS (Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz) zur Beschneidung der aussenpolitischen Kompetenzen des Bundesrats über die Förderung des Bausparens, die Begrenzung der Bauzonen sowie der Restriktion des Waffenrechts und dem Ruf nach einem Minarett-Verbot bis zur Verankerung der musikalischen Bildung in der Verfassung.

Nicht immer sind die Unterschriftensammlungen aber vom Erfolg gekrönt. Seit der Einführung des Initiativrechts im Jahre 1891 sind 73 Initiativen gescheitert.

Mit der Jagdabschaffungsinitiative verfehlte auch im zu Ende gehenden Jahr ein Begehren das Quorum von 100’000 Unterschriften.

Zu Gunsten von indirekten Gegenvorschlägen zurückgezogen wurden die Initiativen «Tierschutz Ja» und «Für fairere Kinderzulagen». An der Urne gescheitert ist die KOSA-Initiative. Sie wollte die Nationalbankgewinne in die AHV (Alters- und Hinterlassenen-Versicherung) umlenken.

swissinfo und Agenturen

Am 26. November hat die Schweiz beide Abstimmungsvorlagen angenommen. Erstens die Fortführung der Osthilfe und die «Kohäsionsmilliarde», den Schweizer Beitrag an die Entwicklung der neuen EU-Länder.
Zweitens das neue Familienzulagengesetz: Im ganzen Land wird ein Minimalbetrag festgelegt. Gegen beide Vorlagen war das Referendum eingereicht worden.

Drei Vorlagen kamen am 24. September 2006 an die Urne: Die KOSA-Initiative der Sozialdemokraten, die einen Teil der Nationalbankgewinne für die Altersvorsorge wollte. Sie wurde mit 58,3% abgelehnt.
Bei den anderen ging es um die Revision des Asylgesetzes und das neue Ausländergesetz. Sie wurden mit je 68% überraschend deutlich angenommen.

Am 21. Mai haben die Bürger und Bürgerinnen deutlich einer Änderung der Verfassung zugestimmt, mit der das Schweizer Bildungswesen einheitlicher werden soll. Die Vorlage war kaum umstritten.
Dennoch kann man von einer kleinen Revolution sprechen, denn heute hat jeder der 26 Kantone sein eigenes System. Dies erschwert unter anderem die Mobilität.

Neun von zehn Volksinitiativen (dafür werden 100’000 Unterschriften benötigt) werden von den Schweizer Stimmberechtigten und den Ständen abgelehnt.

Seit es die heutige Volksinitiative gibt (in der Verfassung seit 1891) wurden nur 15 von 160 angenommen.

Das Recht, ein neues Gesetz oder die Änderung eines Gesetzes zur Volksabstimmung zu bringen (Referendum mit 50’000 Unterschriften), gibt es seit 1874.

Seither wurden 160 Referenden eingereicht. Beim Referendum ist die Erfolgsquote höher: In 87 Fällen wurde das Referendum angenommen, das heisst, das Gesetz wurde abgelehnt.

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