Info-Gipfel: Angespanntes Klima in Tunis
Kurz vor Eröffnung des UNO-Gipfels zur Informations-Gesellschaft in Tunis hat das Regime von Präsident Ben Ali die Meinungs-Freiheit noch stärker eingeschränkt.
Die Schweizer Delegation hat bei den Behörden protestiert. Doch sie begrüsst die Einigung von Dienstag-Abend, besonders was die Internet-Regelung betrifft.
Bei der Ankunft in Tunis werden die Delegationen von Zöllnern freundlich willkommen geheissen. Werbeflächen preisen Tunesien als «Land der Toleranz, der Solidarität, der Öffnung und des Dialogs».
Die Strassen zu den Hotels und zum zehn Kilometer ausserhalb der Stadt gelegenen Konferenz-Zentrum sind für Einheimische teilweise gesperrt.
Der UNO-Gipfel ist in mehrfacher Hinsicht eine internationale, vom Rest des Landes abgeschirmte Sonderzone. Die Kulisse entspricht dem Bild, das die Tourismus-Destination Tunesien von sich abgeben möchte.
Eingriffe in die Versammlungsfreiheit
Ausländische Journalistinnen und Journalisten, die es wagen, sich ausserhalb der vorgesehenen Orte zu bewegen, müssen damit rechnen, dass ihre Arbeit gestört wird. Damit bekräftigen die tunesischen Behörden den Eindruck, dass der Gipfel auf einer Insel, fern von den Realitäten im Gastland, stattfindet.
Am Montag blockierten tunesische Polizeikräfte die Zugänge zum Goethe Institut in Tunis. Schweizerische und internationale Nichtregierungs-Organisationen wollten im deutschen Kulturinstitut den geplanten Bürgergipfel vorbereiten. Dieser versteht sich als Gegenveranstaltung zum UNO-Gipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) und will das Problem der Menschenrechte in Tunesien thematisieren.
Mehrere Journalisten – darunter der Schweizer Roman Berger – wurden von tunesischen Polizisten angegriffen. Wie Berger swissinfo erzählte, wollten sie ihm die Fotokamera aus der Hand reissen. Er hatte zuvor Polizeibeamte fotografiert, während diese sich mit einer belgischen Film-Crew balgten.
Auch Botschafter angegriffen
Auch der deutsche Botschafter in Tunesien kam in den Genuss von tunesischer «Toleranz, Solidarität, Öffnung und Dialog», als er zu vermitteln versuchte und ihn tunesische Polizisten bedrohten.
Zu ihrer Verteidigung erklärten die Behörden, die Versammlung im Goethe Institut sei illegal gewesen. «Ich bin Jurist, aber wir haben offensichtlich nicht dieselben Vorstellungen von Legalität», kommentiert der Chef der Schweizer Delegation, Marc Furrer, den Vorfall im Gespräch mit swissinfo.
«Wir bedauern die Vorfälle und haben bei den tunesischen Behörden protestiert, mehr können wir nicht machen», so Furrer. Dennoch hofft Furrer weiterhin auf einen Erfolg des UNO-Gipfels.
Eine Einigung in letzter Minute
Für Marc Furrer ist das wichtigste, die in Genf 2003 lancierte Gangart auch am zweiten Gipfel in Tunis beizubehalten. Auch nachher soll sie sich fortsetzen.
Für Furrer, den Chef der Schweizer Delegation, bleibt dies ein aktuelles Ziel. Der Präsident der Eidgenössischen Kommunikations-Kommission (ComCom) begrüsst deshalb die Einigung, die in der letzten vorbereitenden Sitzung zum Gipfel in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch erzielt worden ist.
Diese Einigung bezieht sich auf die vier Themen, bei denen bisher noch Differenzen bestanden: Internet-Regulierungen, Neuordnung, Finanzierungsfragen und die politische Deklaration von Tunis.
Überraschenderweise erzielte man in der Regulierungs-Frage, wo die USA sich gegen den Rest der Welt stellten, eine Einigung.
Auch wenn diese laut Frédéric Riehl, dem Verantwortlichen für internationale Beziehungen beim Bundesamt für Kommunikation, etwas «weich» ausgefallen ist, stellt die Einigung doch einen sicheren Fortschritt dar.
Die Regierungs-Delegationen kamen überein, ein offenes Forum für alle einzuführen, wo Regierungen, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft teilnehmen können.
Eingebauter Fortsetzungs-Mechanismus
Dieses Forum hat die Aufgabe, alle rund um die Regulierung des Internets auftauchenden Fragen zu diskutieren – also zum Beispiel das Spamproblen, die Cyberkriminalität und die Bezeichnung der Domänen.
Eine Entscheidungs-Kompetenz jedoch hat dieses Forum nicht. Die Regierungen können aber ein Wort bei den Domäne-Bezeichnungen ihres eigenen Landes mitreden.
Die vorbereitende Sitzung in Tunis hat sich auch mit der Einsetzung eines Mechanismus beschäftigt, der den Informations-Gipfel fortsetzen soll.
Jede internationale Organisation beschäftigt sich demnach, je nach ihrer Kompetenz, mit den verschiedenen Themen, die am Gipfel vorgegeben werden. Und zwar – und dies ist neu – in Zusammenarbeit mit den Regierungen, der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft.
swissinfo, Frédéric Burnand, Tunis
Nach einem ersten Teil des Weltinformationsgipfels (WSIS) im Dezember 2003 in Genf findet der zweite Teil vom 16. bis 18. November in Tunis statt.
175 Staaten sind vertreten.
Die mehr als 20’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vertreten Regierungen, internationale Organisationen, die Zivil-Gesellschaft und die Privat-Wirtschaft.
Rund 50 Staats- und Regierungs-Chefs werden erwartet.
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