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Ja zur Ausschaffungs-Initiative

Ausschaffungsgefängnis Zürich-Kloten: Zwischenstation für kriminelle Ausländer auf dem Weg aus der Schweiz. Keystone

Das Schweizer Stimmvolk hat die Ausschaffungs-Initiative der SVP mit 52,9% angenommen. 17,5 der 23 Kantone stimmten zu. Der Gegenentwurf scheiterte mit 54,2% Nein. Die Steuerinitiative der SP wurde mit 58,5% Gegenstimmen klar bachab geschickt.

Der Blick auf die Resultate der Kantone zeigt, dass die Abstimmungen letztlich eine klare Sache waren. Die Ausschaffungs-Initiative wurde lediglich von sechs Kantonen verworfen. Es sind dies Waadt, Freiburg, Neuenburg, Jura, Genf und Basel-Stadt. Alle anderen hiessen die Verschärfung der Verfassung gut.

Noch klarer fiel das Bild beim Gegenentwurf aus. Dieser fand in keinem einzigen Kanton Zustimmung. Die Stimmbeteiligung lag bei hohen 53%.

Die Volksinitiative der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) verlangt, dass Ausländer, die sich schwerwiegende Straftaten zu Schulden kommen lassen, das Land zwingend verlassen müssen. Bei einem Ja drohen der Schweiz Konflikte mit dem internationalen Völkerrecht.

Sommaruga will Initianten einbinden

Die Mehrheit der Stimmbürgerinnen und -bürger habe mit ihrem Votum deutlich gemacht, dass sie die Ausländerkriminalität als Problem erachten, sagte die neue Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP). Sie respektiere den Willen des Stimmvolks und nehme den Auftrag an, die Initiative nun auf Gesetzesebene umzusetzen.

Dabei will Sommaruga die SVP stark einbeziehen. Es gehe darum, den Konflikt mit Verfassung und Völkerrecht zu mildern oder gar zu lösen. Sie erwartet dabei die Unterstützung der Initianten. Die Arbeitsgruppe unter Einschluss des Initiativ-Komitees werde noch vor Weihnachten gebildet.

Siegerin SVP bleibt hart

Nach der Annahme ihrer Ausschaffungsinitiative zeigt sich die SVP in ersten Reaktionen zu keinen Zugeständnissen bereit. Eine Prüfung des Einzelfalls wird abgelehnt. Es sei nun nicht an der Zeit zu relativieren, sagte der Zürcher SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer.

Bei schweren Verbrechen müsse künftig automatisch ausgeschafft werden, sagte er. Aber auch bei sogenannt geringen Delikten müsse das Gesetz dem Volkswillen entsprechend umgesetzt werden. «Fragen wir die Opfer eines Einbruchs, ob es sich dabei um etwas Schlimmes handelt oder nicht», so Schlüer.

«Abmachungen mit EU einhalten»

Die EU nimmt zur Kenntnis, dass «das Schweizer Volk die Ausschaffungsinitiative angenommen hat», erklärte Michael Reiterer, EU-Botschafter in der Schweiz.

Nun hätten die Schweizer Regierung und das Parlament die Aufgabe, die Initiative umzusetzen. Dabei müssten zwei Verpflichtungen, jene gegenüber der Initiative und jene gegenüber den Abmachungen mit der Europäischen Union, in Einklang gebracht werden. Nach den EU-Vorgaben reicht ein Strafbestand alleine nicht aus, einen EU-Bürger oder eine EU-Bürgerin auszuschaffen.

«Bekenntnis zu Steuerwettbewerb»

Die Initiative der Sozialdemokraten für mehr Steuergerechtigkeit wurde von der grossen Mehrheit der Kantone verworfen. Lediglich die vier Stände Genf, Neuenburg, Jura und Basel-Stadt sprachen sich für höhere Abgaben der Reichen und Vermögenden aus.

Der Bundesrat sei «sehr erfreut», dass das Abstimmungsresultat eindeutig ausgefallen sei, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Das Stimmvolk habe sich zum Steuerwettbewerb bekannt und zum Ausdruck gebracht, dass es keine materielle Steuerharmonisierung wolle.

Widmer-Schlumpf betonte, dass der Ausgleich viel mehr über den Neuen Finanzausgleich (NFA) stattfinden müsse, den die Stimmenden 2004 angenommen hätten.

Dem Steuerwettbewerb sind laut der Finanzministerin schon heute Grenzen gesetzt. In der Bundesverfassung sei verankert, dass die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erfolgen habe. Zudem habe das Bundesgericht degressive Steuern verboten.

Wirtschaft erfreut

Als Achtungserfolg bezeichnete der Schaffhauser SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr das Ergebnis. Die fehlenden Mittel für den Abstimmungskampf hätten einen Sieg verhindert. Die Gegner hätten rund 30 Mal mehr Geld aufgewendet als die Befürworter.

«Das Volk hat ein feines Gespür für Steuerfragen», sagte der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann, Mitglied des siegreichen Nein-Komitees. Das zeigten unter anderem Beispiele von Gemeinden, in denen das Volk Steuersenkungen verworfen habe.

Das klare Volks-Nein zur Steuerinitiative ist laut Christian Wanner, Präsident der Finanzdirektorenkonferenz, ein Sieg der Kantone. Das Volk bekenne sich mit dem Votum zur Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden sowie zum Föderalismus in der Schweiz.

Economiesuisse, der Spitzenverband der Schweizer Wirtschaft, zeigte sich hocherfreut. Das Volk habe zum Ausdruck gebracht, dass es dem steuer- und finanzpoltischen Modell der Schweiz vertraue, sagte Economiesuisse-Direktor Pascal Gentinetta.

Die Volksinitiative «Für die Ausschaffung krimineller Ausländer» wurde 2008 mit fast 211’000 gültigen Unterschriften eingereicht.

Ausländerinnen und Ausländer, die wegen bestimmter Straftaten verurteilt wurden oder die missbräuchlich Sozialleistungen bezogen haben, sollen alle Aufenthaltsansprüche verlieren und ausgewiesen werden.

Im Parlament lehnte sie eine Mehrheit der Abgeordneten ab: In der Schlussabstimmung sagte der Nationalrat mit 92 zu 82 Stimmen Nein, der Ständerat mit 26 zu 5 Stimmen.

Da es sich bei einer Volksinitiative immer um eine Verfassungsänderung handelt, kam sie automatisch vors Volk.

Zudem bedingt eine Verfassungsänderung (Initiative wie auch Gegenvorschlag) neben dem Volksmehr zwingend das Ständemehr (eine Mehrheit der Kantone).

Mit der Ausschaffungs-Initative hat die SVP zum sechsten Mal in den letzten sieben Jahren eine Abstimmung gegen die übrigen Bundesratsparteien gewonnen.

Bereits vor einem Jahr hatte die SVP die Anti-Minarett-Initiative als einzige Bundesratspartei unterstützt – und siegte.

Ausserdem gewann sie gegen die übrigen Regierungsparteien 2008 bei der Initiative für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern und 2004 bei der Verwahrungs-Initiative. Einzig kleine Rechtsparteien standen jeweils auf ihrer Seite.

2004 gelang ihr ein solcher Quasi-Alleingangs-Erfolg bei ihren Referenden gegen die erleichterte Einbürgerung der 2. Ausländer- Generation sowie das Bürgerrecht für die 3. Ausländer-Generation.

Demgegenüber unterlag sie seit 2004 zehn Mal bei Abstimmungen in der Rolle als «lonesome Cowboy».

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