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Jahr des Europa-Richtungsentscheids

Wehen die Flaggen der Schweiz und der EU künftig im selben Wind? imagepoint

Im nächsten Jahr muss die Schweiz skizzieren, wie die künftigen Beziehungen mit der Europäischen Union (EU) aussehen sollen.

Das geschieht nicht ganz freiwillig: Die EU drängt zu einer Klärung des Verhältnisses Bern-Brüssel.

In diesem Jahr haben die Schweizerinnen und Schweizer eine europapolitische Öffnung signalisiert: Eine Mehrheit war an der Urne sowohl für den Beitritt zu den Abkommen Schengen/Dublin als auch für die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Bürger der zehn neuen EU-Mitgliedsländer.

Wie sich die Schweiz aber in näherer Zukunft zu Brüssel stellen soll, darüber gehen die Meinungen im Land meilenweit auseinander. Deshalb mehrten sich in der EU-Zentrale Stimmen, welche eine Klärung verlangen.

Die Schweizer Regierung hat diese Stimmen offenbar gehört. Der Bundesrat kündigte an, im Jahr 2006 einen Bericht zur Europafrage vorzulegen. Statt eines dritten bilateralen Abkommens, wie da und dort vermutet, könnte auch ein Rahmenvertrag EU-Schweiz angestrebt werden.

Sanfter Druck

«Ich beglückwünsche die Schweiz und ihr direktdemokratisches System für die geführte Europadebatte und das Resultat der beiden Abstimmungen», sagt die Europa-Parlamentarierin Diana Wallis, die das Komitee für die Beziehungen mit der Schweiz präsidiert. «Aber jetzt muss sich Bern eine Reflexions- und Konsolidierungspause zugestehen, genauso wie es die EU in der Verfassungsfrage macht.»

Gemäss Wallis wird im Jahr 2006 die Klärung einiger Detailfragen anstehen, beispielsweise zum Satteliten-Navigationssystem Galileo oder zu Dienstleistungen, die nicht in den beiden bilateralen Abkommen erfasst wurden. «Aber es wird nichts Grundlegendes sein», so Wallis.

Die Europa-Parlamentarierin erwartet den bundesrätlichen Bericht zur Europafrage mit Spannung. Ihrer Meinung nach könnte ein technischer Rahmenvertrag eine langfristige Lösung darstellen, um die Beziehungen zwischen Bern und Brüssel zu definieren. «Das würde beiden Seiten erlauben, die Beziehungen auf Verwaltungsebene zu erleichtern.»

Europafrage gelöst

Die Möglichkeit eines Rahmenvertrags war schon 2002 im Parlament aufgetaucht. Sie wird auch von economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Unternehmungen, ins Auge gefasst. «Wir begrüssen einen Rahmenvertrag aber nur, wenn er dazu dient, ein besseres Funktionieren der bestehenden bilateralen Abkommen zu garantieren», präzisiert Stefano Modenini, Leiter des Tessiner Büros economiesuisse in Lugano. Modenini unterstreicht, dass die Schweiz durch diesen Vertrag in keinem Fall zu einem Satelliten der EU werden darf.

«Zuerst muss die Ratifizierung der bilateralen Abkommen II abgeschlossen sein. Wir müssen auch Erfahrungen mit den bisherigen Verträgen sammeln. Für economiesuisse ist die Europafrage für die kommenden zehn Jahre gelöst,» macht Modenini klar.

Gemäss dem Wirtschaftsvertreter könnte die Schweiz in einigen Jahren allenfalls neue Verhandlungen für einige Dossiers aufnehmen. Beispielsweise für den Bereich der Energielieferungen und des Energietransits oder zu Galileo. Beide Themen figurieren indes schon auf der politischen Traktandenliste.

Die Schwerpunkte der Regierung

Für den Bundesrat stellen das Inkrafttreten der bilateralen Verträge und das Ausloten neuer Verhandlungsthemen wie Elektrizitätsmarkt, Galileo und das Gesundheitssystem die Schwerpunkte in der Europapolitik 2006 dar, wie Adrian Sollberger, Informationschef des Integrationsbüros vom Aussenministerium (EDA) sagt. Er erwähnt dabei auch den angekündigten Europabericht.

Sollberger betont, dass für beide Seiten eine vertiefte Diskussion über ein Rahmenabkommen nützlich wäre. Und nennt folgende Gründe: «Es würde den bilateralen Weg vereinfachen und eine gemeinsame Plattform könnte den politischen Dialog zwischen der Schweiz und der EU stärken.»

Nützliches Instrument

Bei der ständigen Vertretung der Schweiz bei der EU in Brüssel sind in der Tat vorbereitende Diskussionen zu den Themen Elektrizitätsmarkt, Galileo und Gesundheitswesen angelaufen. Sprecher Hanspeter Mock weist zudem darauf hin, dass das EU-Recht sich ständig weiter entwickle und die bilateralen Verträge daher angeglichen werden müssten. Ein Rahmenvertrag könnte laut Mock für beide Seiten ein nützliches Instrument darstellen.

Der Bericht des Bundesrats zur künftigen Europapolitik wird in der Schweiz mit Spannung erwartet. Er sollte noch vor der Sommerpause im nächsten Jahr vorliegen. Die politischen Positionen sind bereits abgesteckt. Die Linke, vor allem die Sozialdemokraten, liebäugelt immer noch mit einem Beitritt zur EU.

Die Rechte, vor allem die isolationistische Schweizerische Volkspartei (SVP), lehnt jede weitere Annäherung an Brüssel strikte ab. Die Christlichdemokraten (CVP) sind für ein Weitergehen auf dem bilateralen Weg. Eine Mehrheit kann jedoch weder das eine noch das andere Lager hinter sich scharen, wie das jüngst veröffentlichte Europabarometer zeigte. Eine intensive Debatte zeichnet sich ab.

swissinfo, Mariano Masserini
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

2005 hat das Schweizer Stimmvolk dem Beitritt zu Schengen-Dublin und der Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf die Bürger der zehn neuen EU-Länder zugestimmt.

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU fussen sind in zwei bilateralen Abkommen geregelt. Ein Rahmenabkommen könnte deren Umsetzung erleichtern.

2006 dürfte ein solches näher geprüft werden. Die EU erwartet von der Schweiz, dass sie ihre langfristige EU-Strategie überdenkt.

Der Bundesrat hat für das erste Halbjahr 2006 einen Bericht zur Europapolitik angekündigt, der mit grosser Spannung erwartet wird.

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