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Kampf dem Klima, drinnen wie draussen

Es braucht schon eine gehörige Portion Geduld, um überhaupt zum Konferenz-Kongress vorzudringen. AP/Virginia Mayo

Die Klima-Verhandlungen in Kopenhagen werden von der Schweizer Delegation als "ziemlich angespannt" bezeichnet. Ebenfalls angespannt zu und her geht es beim Zugang zum Konferenzzentrum, wo sich Medien- und NGO-Vertreter die Zähne ausbeissen. Ein Augenschein.

«Shame on UN!» (Schande über die UNO!): Hunderte von Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungs-Organisationen, die am Eingang des Bella-Centers Schlange stehen, machen ihrer Wut Luft. Sie beissen auf die Zähne, oder ringen nach Luft, es rinnt sogar manch eine Träne.

Die gestresste dänische Polizei hat soeben verkündet, dass, wer ins Center hinein wolle, es morgen wieder versuchen solle. Jene, die immer noch nicht akkreditiert sind und keinen Badge erhalten haben, treten aus der Schlange. Auch an diesem Tag harrten viele bis zu acht Stunden in der Kälte aus, hüpften auf dem Boden, um sich warm zu halten und rückten Millimeter um Millimeter vor.

Weder die Sprechchöre wie «Let us in» (Lasst uns rein) noch Versuche, einen der zahlreichen und nicht sehr humorvollen dänischen Polizisten umzustimmen, haben sie ihrem Ziel näher gebracht.

Anders sieht es bei den nationalen Delegationen aus. Die meisten Mitglieder wurden ziemlich schnell ins Bella-Center eingelassen. Ziemlich schnell wurde denn auch die Limite von 15’000 Personen erreicht.

«Ich habe schon zahlreiche UNO-Konferenzen besucht, aber so etwas habe ich noch nie gesehen», sagt ein deutscher Journalist.

NGO an Überbuchung schuld

Für die Überbuchung sind besonders die Nichtregierungs-Organisationen (NGO) verantwortlich. Sie stellen fast die Hälfte der über 46’000 an der UNO-Konferenz in Kopenhagen registrierten Personen. Die Organisatoren haben gnadenlose Massnahmen angekündigt: Die NGO haben ab Donnerstag nur noch Anrecht auf 1000 Akkreditierungen und am Freitag, wenn die Staatschefs anreisen, gerade noch 90.

«Man weiss, dass es für die Klima-Verhandlungen wichtig ist, dass die Regierungsvertreter den Druck spüren. Ich bin deshalb beunruhigt, dass man den Druck in dem Moment wegnimmt, wo es ihn am dringendsten bräuchte», sagt Ricken Patel, der kanadische Direktor einer grossen NGO-Vereinigung.

Alliance Süd argwöhnt

Rosmarie Bär von Alliance Süd glaubt hingegen nicht, dass man auf diese Weise die NGO zum Schweigen bringen oder vom Bella-Center fernhalten wolle, um zum Konferenz-Schluss wütende Reaktionen zu verhindern. «Es fehlt ganz einfach an Platz», so Bär, die für sich in Anspruch nimmt, eine Brückenfunktion zwischen Zivilgesellschaft, der Stimme des Südens und der Schweizer Delegation einzunehmen.

Die NGO sind in Kopenhagen sehr zahlreich repräsentiert. Einige von ihnen haben einen Gegen-Gipfel organisiert. Diese Organisationen nehmen im engeren Sinn nicht an den Verhandlungen der nationalen Vertreter teil.

Doch übernehmen sie das Lobbying: Informieren, alarmieren, Druck ausüben, analysieren, überzeugen, mit Konferenzteilnehmenden und Medien Kontakte pflegen.

Die Verhandlungen selbst sind äusserst komplex. Sie finden, grob gesagt, im Bereich der UNO-Rahmenvereinbarung über die Klimaveränderung und beim Kyoto-Protokoll statt.

Seit Monaten, und konkret seit Konferenzbeginn, versuchen die ‹technischen› Unterhändler, bei zahlreichen Themen ins Reine zu kommen, wie Abholzung, Technologietransfer, Finanzierung von Drittweltländern oder CO2-Emissionen.

Dieser Verhandlungsprozess durchläuft offizielle und inoffizielle Stadien: Offiziell trifft man sich an multilateralen Sitzungen hinter verschlossenen Türen, um darauf inoffiziell in einer Kongressraum-Ecke eines der steckengebliebenen Themendossiers bilateral flott zu kriegen.

Danach geht es wieder zurück ins Plenum.

Bald sind die Regierungschefs dran

In den kommenden Tagen werden die Umweltminister die Dossiers in die Hand nehmen und die Verhandlungen weiterführen, bevor dann die Regierungs- und Staatschefs eintreffen. Diese werden am Freitag oder Samstag versuchen, sich auf ein Schlussabkommen zu einigen.

In diesem Stadium befänden sich die Verhandlungen dann in einem angespannten Zustand, sagt José Romero, stellvertretender Leiter der Schweizer Delegation: Denn im Moment des Abschlusses des Dokuments zeige sich die Interessenvielfalt der Länder am deutlichsten.

«Da bleibt man bis zwei oder drei Uhr morgens am Verhandeln, in Gruppen, um eine bis zum Schluss ausgehandelte Version niederzuschreiben.» In der Ausarbeitung dieses Puzzle habe jede Seite ihre unumgänglichen Vorgaben, meist langfristiger Art. Im Fall der Entwicklungsländer ist es das Geld. Diese Länder sind seit langem der Überzeugung, keine eigene Politik der Herabsetzung der Emissionsgase betreiben zu können, ohne dass sie Finanz- und technische Hilfe der Industrieländer beanspruchen können.

Bei den Industrieländern wiederum gilt die Vorgabe, dass sie diese Gelder nur sprechen, wenn deren Einsatz transparent gemacht wird.

In Richtung politisches Abkommen

Es wäre möglich, so Romero, dass die Verhandlungen in ein politisches Abkommen münden, das die wichtigen Grundsätze umfasst. Doch ein rechtsverbindliches Abkommen, ein konkretes Abkommen, als nächste Etappe sozusagen, erscheint zum jetzigen Zeitpunkt wenig machbar.

Im besten Fall könnte Kopenhagen zu einem Abkommen führen, das «den Handlungsbedarf in Sachen Klimapolitik auf dem Weg der Reduktion der Emissionen und der Finanzunterstützung» festlegt, vermutet der Schweizer Delegations-Vize.

Dazu könnte ein Mandat für die Weiterführung der Verhandlungen des Kyoto-Protokolls gehören und ein Vertragswerk über eine entsprechende Konvention, einschliesslich den USA und der Schwellenländer.

Pierre-François Besson, Kopenhagen, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Corinne Buchser, Alexander Künzle)

An der UNO-Klimakonferenz von Kopenhagen vom 7. bis 18. Dezember versuchen rund 200 Länder, sich auf ein globales Klima-Abkommen zu einigen, als Nachfolge oder Verlängerung des Kyoto-Protokolls, das Ende 2012 ausläuft.

Das Ziel der Klimakonferenz ist es zu verhindern, dass das Weltklima sich um 2 Grad Celsius erhöht im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

Die zwischenstaatliche Expertengruppe über die Klimaentwicklung (Weltklimarat, IPCC) ist der Meinung, dass eine Treibhausgas-Reduktion der Industriestaaten von 25% bis 40% bis 2020 im Vergleich zu 1990 nötig ist.

Die Giec fordert die reichen Länder auf, bis 2050 80% bis 95% der Treibhausgase einzuschränken. Die Entwicklungsländer sollen dies bis 2050 um 50% tun.

Die Landesregierung schlägt für die Schweiz eine Reduktion von jetzt bis 2020 von mindestens 20% der Emissionen im Vergleich zu 1990 vor. Die Schweiz ist bereit, die Reduktion auf 30% zu erhöhen, je nach Ausgang der Klimakonferenz in Kopenhagen.

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