Kleinere Bilanz, bittere Lektion, weiterhin Boni
Am Tag danach: Nach der viel beachteten Aktionärs-Generalversammlung der Grossbank UBS Mitte Woche ortet die Schweizer Presse neben den alten auch einige neue Schwächen - und Ansätze zu einer Normalität, wenn auch nicht Normalisierung.
«Zuerst ging das Renommee eines Jobs bei der UBS verloren», fasst die Aargauer Zeitung zusammen, «dann fielen die hohen Boni. Und nun werden selbst Tausende von Stellen abgebaut».
So bitter das auch sei, so die AZ weiter, der Wandel zeige doch, dass sich der Bankensektor ein Stück weit normalisiert habe – und zu einer Branche wie jede andere auch werde.
Doch Normalität deutet nicht unbedingt auf eine Normalisierung hin: Es sei schon fast normal, respektive «Konstanz, dass die UBS in sechs der sieben letzten Quartale einen Verlust ausgewiesen hat», schreibt der Bund aus Bern.
Die Zeitung zeigt sich erstaunt über den neuerlichen Milliarden-Abschreiber und malt bereits das beunruhigende Szenario einer möglichen weiteren Kapitalerhöhung an die Wand: «Die Unsicherheit darüber bleibt belastend.»
Grübel kommt gut weg
Allgemein kommt in den Kommentaren der neue UBS-Chef Oswald Grübel besser weg als der neue Verwaltungsrats-Präsident Kaspar Villiger. Grübels Sparprogramm sei bereits von seinem Vorgänger Marcel Rohner erwartet worden – es bedeute die «Anpassung der Kapazitäten an ein tieferes Geschäftsvolumen» (der Bund).
Grübel spare zwar «auf dem Buckel des Personals», so der Tages-Anzeiger. Aber niemand macht ihn dafür verantwortlich. Das Boulevard-Blatt Blick bezeichnet ihn als «Super-Osi» und fragt: «Hält er auch, was er verspricht?»
Grübel sei seinem Ruf schon beim ersten Auftritt gerecht geworden. Gerade mal 49 Tage im Amt, sei er vor die Aktionäre getreten und habe gesagt: «Leider muss ich Ihnen weitere schlechte Zahlen und einschneidende Massnahmen zumuten.»
Doch sei der Deutsche im Hallenstadion, wo die Generalversammlung ablief, gut angekommen: Die Aktionäre hätten in ihm den Heilsbringer gesehen.
«Villiger setzt keine Akzente»
Weniger gut weg in den Zeitungskommentaren kommt Villiger. Der alt-Bundesrat habe es verpasst, Akzente zu setzen, kritisiert der Tages-Anzeiger. Konzernchef Grübel sei «zuständig für die Drecksarbeit».
«Villiger, der neue Präsident, ist für die edlere (…) Aufgabe verantwortlich: Das Vertrauen zurückzugewinnen.» Er soll der UBS ein neues Image verpassen. Das würde laut Tagi heissen, mit der UBS-Vergangenheit zu brechen – «genau das hat Villiger in seiner ersten öffentlichen Rede nicht gemacht».
Stattdessen habe er Bücklinge nach allen Seiten gemacht – auch gegenüber jenen, die mitverantwortlich für die Misere seien. «Villiger hat es verpasst, eigene Akzente zu setzen und bei der UBS eine neue Ära einzuläuten», folgert der Tages-Anzeiger.
Bilanz verkleinern
Auf Villiger warte aber noch ein weiteres, wenig angenehmes Thema, glaubt die Berner Zeitung: «Die Grösse der Bilanzsumme ist nach wie vor das grösste Problem der Bank.»
Eine Grössenordnung von 2000 Milliarden sei für die Bank und für die Schweizer Volkswirtschaft viel zu viel. Die UBS müsse, so die BZ, diese Grösse um einen Drittel oder gar die Hälfte reduzieren.
Grübel habe sich vor den Aktionären darüber ausgeschwiegen. Es liege am neuen VR-Präsidenten Villiger, hier konkrete Ziele aufzuzeigen.
Noch konkreter wird der Blick: «Ginge die UBS hops, wäre die halbe Schweiz lahmgelegt», zitiert er die sozialdemokratische Ständerätin Simonetta Sommaruga.
Und kommentiert: «Die UBS muss sicher kleiner werden, weniger global. Ein einst so starkes Unternehmen extra zurückzubinden, im Drang zur Grösse behindern – das ist kein einfacher Gedanke.»
US-Damoklesschwert über Bankgeheimnis
Einerseits zurück an die heimischen Gestade des traditionellen Kreditgeschäfts an inländische Unternehmen, andererseits die «konstante Bedrohung und der Dauerstress» wegen dem «Disput mit den amerikanischen Steuerbehörden»: Die Neue Zürcher Zeitung zeigt das Dilemma einer globalen Bank.
Die NZZ legt den Finger auf diesen wunden Punkt: «Die UBS hat nicht nur Ertragssorgen in einem unstabilen Marktumfeld – nicht minder gravierend sind juristische Probleme.»
Womit das Thema Bankgeheimnis gemeint ist: Die NZZ setzt die Übergabe der Kundendaten in 300 Fällen an die US-Behörden mit dem Abfluss von Neugeld in der Höhe von netto 23 Mrd. Franken in einen Bezug: Das sei ein arger Rückschlag für eine Bank, die «laut Villiger eine faktische Staatsgarantie geniesst».
«Bonus-Lektion – nicht gelernt»
Die Basler Zeitung kommentiert das neue Kompensations-Modell für die Entlöhnung der UBS-Mitarbeiter. «In der Tat, manches hat sich verbessert.» Die Leistungsanreize würden die Mitarbeiter viel weniger als bisher zu riskanten Geschäften verleiten.
Doch: «Eine Bonus-Obergrenze soll es aber künftig nicht geben.» Da fragt sich die BAZ: «Aber bitte, Herr Kurer: Die exorbitanten Löhne der UBS waren doch gerade die Folge der fehlenden Obergrenze!»
Aus lauter Angst, Talente zu verlieren, wolle sich die UBS keine Grenzen setzen lassen: «Die neue Bankleitung wird diese verpasste Geschichtslektion kaum nachholen.»
«Weiterhin Blut und Tränen»
Laut der Freiburger Tageszeitung La Liberté befindet sich die UBS «immer noch tief drin im dunklen Tunnel». Grübel verspreche seiner Truppe «nicht anderes als Blut und Tränen».
Sogar Vermögensberater sollen unter den Entlassenen sein, vermutet La Liberté fast ungläubig: «Sie bezahlen für den Exodus der Kundschaft. Für was soll man sie denn verantwortlich machen?»
«Bonjour l’ambiance», so La Liberté. Man könne es auch den Kontoinhabern nicht verübeln, wenn sie sich von der UBS absetzten. Denn das Vertrauen fehle.
Grübel wisse zwar, wie man Köpfe abhaut – aber was geschieht danach? Erwartet die UBS eine «Verwurstung», Verstaatlichung, oder eine Fusion? Da bleibe noch alles recht vage.
swissinfo, Alexander Künzle
Das Bruttoinlandprodukt der Schweiz beträgt 490 Mrd. Franken.
Die Bilanzsumme der UBS beträgt (vorderhand) etwas über 2000 Mrd. Franken.
Die Bilanzssumme der Credit Suisse beträgt rund 1170 Mrd. Franken.
Die UBS muss im Zusammenhang mit dem Subprime-Debakel und der Steueraffäre in den USA keine Untersuchung durch die Strafverfolgungs-Behörden des Kantons Zürich befürchten.
Die Abteilung für Wirtschaftsdelikte der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat ihr Monitoring im Fall UBS vor einigen Tagen mit einem internen Bericht abgeschlossen, wie der Leitende Staatsanwalt Peter Pellegrini in der Sendung «HeuteMorgen» von SR DRS sagte.
Was die Beihilfe zum Steuerbetrug durch UBS-Mitarbeiter in den USA betrifft, bietet das Schweizer Recht keine Handhabe für eine Strafverfolgung.
Hier bestehe eine Gesetzeslücke, und nach dem Grundsatz «Keine Strafe ohne Gesetz» könne auch nicht ermittelt werden, sagte Pellegrini.
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