Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Kulturelle Vielfalt im internationalen Recht

Die USA fürchten, dass die UNESCO-Konvention den Export von Filmen und Musik behindert. imagepoint

Ernst Iten, Schweizer UNESCO-Botschafter, äussert sich im Gespräch mit swissinfo zur 33. UNESCO-Generalversammlung, die am Freitag zu Ende ging.

Dabei verabschiedeten die UNESCO-Delegierten eine Konvention zur kulturellen Vielfalt, gegen den heftigen Widerstand der USA und Israel.

Die Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt und künstlerischem Ausdruck anerkennt die spezifische Natur von kulturellen Gütern und Dienstleistungen, gibt den Parteien das Recht, Massnahmen zugunsten der kulturellen Diversität zu ergreifen und bestätigt die Wichtigkeit der kulturellen Entwicklung.

Mit einer erdrückenden Mehrheit von 148 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen wurde die Konvention angenommen. Die Vereinigten Staaten und Israel stimmten dagegen.

Die USA bezeichnen die Konvention als «fehlerhaft, zwiespältig und protektionistisch» und befürchten, sie könnte zu Handelsbarrieren bei Kulturexporten wie Filmen oder Pop-Musik führen und indirekt die freie Meinungsäusserung einschränken.

Die 191 Mitgliedsstaaten der UNO-Unterorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) beschlossen in deren Hauptsitz in Paris auch über eine Deklaration universeller Normen für die Bioethik und über eine Konvention gegen Doping im Sport.

swissinfo: Wie erfolgreich ist die Generalversammlung verlaufen?

Ernst Iten: In den 60 Jahren seit es die UNESCO gibt, waren noch nie so viele Minister und Staatschefs präsent: Es waren acht Staatsoberhäupter und fast 200 Minister vor Ort.

Wir sind sehr zufrieden mit den Abkommen, die erreicht wurden. Insbesondere jene vollständige Übereinkunft im Bereich der kulturellen Diversität.

swissinfo: Die USA verlangten 28 Änderungen im Entwurf zur Konvention, die alle verworfen wurden. Haben Meinungsverschiedenheiten nicht zu einer Verwässerung geführt?

E. I.: Es gab keine Änderungen zu den Vorschlägen, auf welche sich die internationalen Experten in der dritten Runde im Juni geeinigt hatten.

Der Grund war klar: Hätten wir angefangen, Änderungen zuzulassen, hätte das Risiko bestanden, dass der ganze Prozess neu aufgerollt würde und wir nicht zu einer Übereinkunft gekommen wären.

swissinfo: Sorgte der Widerstand der USA und Israels für eine schlechte Stimmung?

E. I.: Ich möchte nicht von einer schlechten Stimmung sprechen. Ich denke, alle sind sich über die Wichtigkeit der kulturellen Diversität einig. Die Frage ist, mit welchen Massnahmen sie erreicht werden soll – und hier gehen die Meinungen auseinander.

Die USA und Israel waren gegen die Konvention, die schliesslich verabschiedet wurde. Auch wir betrachten sie als einen Kompromiss, aber als einen ausgewogenen Kompromiss.

swissinfo: Können Sie die amerikanische Position nachvollziehen?

E. I.: Jedes Land hat seine eigene Interpretation, ob es einen Kompromiss akzeptieren kann oder nicht. Offenbar konnten die USA dies nicht.

swissinfo: Die Schweiz war sehr darauf erpicht, dass die Konvention angenommen wird. Welche Rolle haben Sie als Schweizer Botschafter an der Generalversammlung gespielt?

E. I.: Wir waren von Beginn weg sehr aktiv, als die Konvention entwickelt wurde. Etwas möchte ich besonders betonen: Die Beziehung dieser Konvention zu anderen internationalen Abkommen.

Es wurde uns schnell klar, dass es zwei Meinungen gab. Jene, die besagt, dass die neue Konvention über anderen Abkommen stehen sollte und jene, die meinte, sie sollte keinen Staatus wie die andern Abkommen haben.

Die Schweiz hat eine dritte Position eingebracht, die jetzt auch ihren Niederschlag gefunden hat. Unsere Vorschläge zielten auf ein gegenseitiges Stützen [der Abkommen], Komplementarität und Nicht-Unterordnung.

swissinfo: Was wird die Konvention Ihrer Einschätzung nach bewirken?

E. I.: Die Bedeutung der kulturellen Vielfalt findet Eingang in internationale Gesetzeswerke. Die Staaten werden sich verschieden stark an die Konvention halten.

Aber allgemein ist es das erste Mal, dass sie im internationalen Recht auftaucht, ähnlich wie die Biodiversität.

Wir werden sehen, wie schnell die Konvention ratifiziert wird. Die Schweiz will das so schnell wie möglich tun.

swissinfo-Interview Thomas Stephens
(Übertragung aus dem Englischen: Philippe Kropf)

Die 33. General-Versammlung der UNESCO fand vom 3. bis 21. Oktober in Paris statt.

Über 2000 Delegierte aus 191 Mitgliedländern nahmen daran teil.

Die UNESCO feiert dieses Jahr ihr 60-jähriges Bestehen.

Die USA sind 2003 nach einer 19-jährigen Abwesenheit in die UNO-Unterorganisation zurückgekehrt.

Drei Hauptthemen wurden an der Generalversammlung behandelt: Die Konvention über kulturelle Vielfalt, eine Konvention gegen Doping im Sport und eine Deklaration universeller Normen in der Bioethik.

Die Delegierten stimmten mit 148 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen für die Konvention, welche die kulturelle Vielfalt vor den Auswirkungen der Globalisierung schützen soll. Dagegen waren die USA und Israel.

Die Konvention tritt drei Monate nach ihrer Ratifizierung durch mindestens 30 Länder in Kraft.

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft