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Lob und Zweifel am Euro-Rettungspaket

Der Euro steht und fällt mit der Verantwortung der Regierungen. Keystone

Mit dem beschlossenen Schuldenschnitt für Griechenland und neuen finanzpolitischen Massnahmen hätten die Euroländer zwar Fortschritte erzielt, so der Tenor der Kommentatoren in der Schweizer Presse. Das Schuldenproblem sei aber bei weitem noch nicht gelöst.

«Der Euro ist für den Moment gerettet, aber weitere Reformen müssen unbedingt in Kraft gesetzt werden», schreibt die Westschweizer Zeitung Le Matin.

In der Nacht auf Donnerstag haben die Euroländer nebst einem Schuldenschnitt für Griechenland und einer Rekapitalisierung der Banken beschlosen. Ausserdem soll der Rettungsschirm von derzeit 440 Mrd. mit einer so genannten Hebelung auf eine Billion Euro aufgestockt werden.

Diese Hebelung sei ein zweifelhaftes Instrument, das «eine falsche Sicherheit vortäuscht und durch das die Welt vor drei Jahren überhaupt erst in die Finanz- und Wirtschaftskrise gestürzt wurde», heisst es in der Basler Zeitung.

Der Wendepunkt ist noch nicht erreicht

Die Eurozone ist laut der BaZ damit nicht gerettet, denn das Grundproblem bleibe. «An einer radikalen Entschuldung oder gar dem Bankrott Athens führt kein Weg vorbei. Es wäre ehrlicher gewesen, Merkel und Co. hätten sich diese Wahrheit in Brüssel eingestanden – so wie das die Banken tun.»

Auch der Tages-Anzeiger und Der Bund sind der Meinung, dass der Wendepunkt in der europäischen Schuldenkrise noch nicht erreicht sei. «Dafür sind zu viele Fragen offengeblieben, haben die papierenen Lösungsmodelle erst den Realitätstest durch die Märkte zu bestehen und bleiben die Rückwirkungen auf das Finanzsystem abzuwarten.»

Nicht mehr als Etappensieg

Das Ergebnis des Eurogipfels gebe Merkel und Sarkozy bestenfalls etwas Zeit zum Luftholen. «Wenn sie aber die vielen Unklarheiten in ihrem Lösungspaket nicht bald ausräumen können, wird ihnen der nächste Sturm noch vor dem Jahreswechsel ins Gesicht blasen», befürchten der Tages-Anzeiger und DerBund.

Auch die Neue Zürcher Zeitung(NZZ) mahnt in ihrem Kommentar angesichts der grossen Herausforderung vor zu grossen Erwartungen. «Eine Lösung durfte am Gipfel nicht erwartet werden, denn die Ursachen der Krise liegen sehr tief in den Fehlern bei der Konstruktion der Währungsunion und strukturellen Fehlentwicklungen in den Mitgliedstaaten.» Sie zu beheben, so die NZZ, bedürfe entsprechend jahrelanger Korrektur-Anstrengungen.

Auch der Corriere del Ticino schreibt von einem «unvollständigen Brüsseler Abkommen». Aber, so das Blatt weiter: «Dieses Abkommen ist immerhin besser als das Chaos. Die Fragen werden aber bleiben und die Märkte wollen konkrete Lösungen.»

Europäisches Grounding

Ziemlich schwarz malt der Genfer Le Temps und spricht gar von einem «europäischen Grounding». In Wahrheit hätten die europäischen Führer mit dem Abkommen in der Nacht das «Grounding» eingeleitet, das «ebenso unausweichlich wie unbequem ist».

Etwas weniger düster sieht das Boulevard-Blatt Blick die Lage. Unter dem Titel «Merkozys politisches Kunststück» schreibt der Kommentator: «Nach dem Gipfel können wir festhalten: Griechenland geht nicht pleite. Die Euro-Zone bricht nicht auseinander. Und die 27 EU-Staats- und Regierungschefs bekennen sich vorbehaltlos zu ihrer Währung. Alles Dinge, die keine Selbstverständlichkeit mehr waren.

Zwar gesteht auch der Blick ein, dass noch Vieles schiefgehen könnte. Aber seit dem Befreiungsschlag von Merkel und Sarkozy scheine die Lage erstmals seit langer Zeit nicht völlig ausweglos. «Ob sich die Griechen wieder aufrappeln können, bleibt ungewiss. Aber seit gestern ist es nicht mehr unmöglich.»

An einem Treffen in Bern haben am Donnerstag Staatssekretär Michael Ambühl und der griechische Generalsekretär im Finanzministerium, Ilias Plaskovitis, Gespräche über ein mögliches Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Griechenland geführt.

Die beiden Gesprächspartner diskutierten über die Möglichkeit eines Steuerabkommens, wie es die Schweiz vor einigen Wochen mit Deutschland und Grossbritannien unterzeichnet hat.

Dabei geht es um eine Regularisierung von Vermögen griechischer Steuerpflichtiger auf Schweizer Bankkonten in der Vergangenheit sowie um eine Quellensteuer auf künftigen Kapitaleinkünften.

Die Steuererträge würden von der Schweiz auf anonymer Basis an die griechischen Behörden überwiesen. Zudem soll der gegenseitige Marktzugang für Finanzdienstleistungen verbessert werden.

In den kommenden Wochen sollen die Regierungen der beiden Länder über die konkrete Aufnahme von Verhandlungen entscheiden.

(Quelle: Bundesbehörden)

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