Lobbying – nicht immer salonfähig
Politiker sehen sich mit einer wachsenden Zahl von immer komplexeren Themen konfrontiert. Lobbying hat auch in der Schweiz an Bedeutung gewonnen.
Eine neue Publikation will Licht bringen in die Schattenwelt zwischen Demokratie und Partikulärinteressen.
Lobbyisten – so ihr Ruf – agieren als Strippenzieher hinter den Kulissen der Politbühne. «Die Berufsbezeichnung ‹Lobbyist› steht auf keiner Visitenkarte», bemerkt Othmar Baeriswyl in seinem Buch «Lobbying in der Schweiz».
«Das Buch richtet sich in erster Linie an Studierende der Kommunikations-Wissenschaften, aber auch an Politiker und Politikerinnen. Die Botschaft: Mehr Transparenz ist nötig», erzählt der Dozent für Public-Relations an der Universität Freiburg. «Auftraggeber und Quelle des Lobbyisten müssen klar sein.»
Der Stammtisch
Die kleine Schweiz mit ihren ausgeprägten Milizsystemen begünstige persönliche Bekanntschaften, Seilschaften und damit die Bildung von Netzwerken. Erfolgreiches Lobbying setze persönliche Kontakte voraus, aber: «Stammtisch-Vereinbarungen garantieren in keiner Weise den nachhaltigen Erfolg», so Baeriswyl.
«Die Kenntnis des Netzwerkes ist eine Voraussetzung, aber alles andere ist eine Frage der Professionalität, die in der Informations-Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt.»
Baeriswyl plädiert im Gespräch mit swissinfo für «politisch korrektes und pragmatisches Lobbying und für die moralische Integrität der Akteure». Sehr viele Parlaments-Abgeordnete übten eine Doppelfunktion aus. «Sie sind Volksvertreter und damit dem Gemeinwohl verantwortlich und verfolgen gleichzeitig Partikulärinteressen.»
Das Übermass
Dass Netzwerke, Seilschaften, Bekanntschaften und Aktionen nicht in allen Fällen zum Erfolg führen, zeigt das Buch anhand verschiedener Beispiele.
So bombardierten nach dem Entscheid des Parlaments im Herbst 2004, der Kulturstiftung Pro Helvetia das Budget zu kürzen, Kulturschaffende aus der Romandie die Abgeordneten mit Mails. Die Umworbenen reagierten geharnischt, zeigten sich alles andere als kompromissbereit, setzten die Kürzungen vollumfänglich durch und kürzten überdies gleichzeitig auch beim Umweltschutz.
Ein anderes Beispiel: Am Tag nach dem Entscheid von Bundesrat Pascal Couchepin, gewisse medizinische Leistungen aus der Grundversicherung zu streichen, startete eine Krankenkasse umgehend eine Werbeoffensive für genau diese Leistungen.
Couchepin ist ehemaliger Verwaltungsrats-Präsident der Kasse. Das verleitete Politiker und Medien zur Annahme, Couchepin habe die «Groupe Mutuel» vorinformiert. Der Schaden war da, unabhängig davon, ob die Annahme stimmte oder nicht.
Das Aufsehen für die Wiederwahl
In seinem Beitrag stellt auch Renatus Gallati, der Präsident der Standesorganisation «Public Affairs Geselschaft», fest, dass sein Beruf weite Kreise an «Filz, Bestechung und Grauzonen» denken lasse.
«Die direkte Aufgabe des Lobbyisten ist es, Informationen zu überbringen, Missverständnisse zu klären und Beziehungen zu knüpfen», schreibt Gallati und hält fest: «Die Aufgabe findet ihre klare Grenze dort, wo es um den politischen Entscheid geht. Dieser ist ausschliesslich Sache der Politiker.»
Wichtig sei, dass der Lobbyist seine Botschaften verlässlich und klar formuliere und auf die jeweiligen Adressaten zuschneide. Denn die Politiker müssten auf der politischen Bühne Aufsehen erregen und gleichzeitig glaubwürdig sein, da sie – im Hinblick auf ihre Wiederwahl – von ihrem politischen und wirtschaftlichen Umfeld abhängig seien.
Die Geschenke: Grauzone Bestechung
Gemäss Gallati ist professionelles Lobbying in der Schweiz weniger verbreitet, als in den USA oder in Brüssel.
Doch die Bedeutung des Lobbying habe auch in der Schweiz zugenommen, da die Politiker mit einer ständig steigenden Menge von immer komplexeren Dossiers konfrontiert würden.
Gleichzeitig sei der Einfluss der Branchenverbände am sinken. Für diese sei es – so Gallati – wegen ihren nicht homogenen Mitgliederstrukturen zunehmend schwierig, sich einheitlich zu manifestieren.
Punkto Methoden, die der Lobbyist anwenden sollte, rät Gallatti zur Zurückhaltung. Apéros für Parlamentsmitglieder mit Stehlunch und einem offiziellen Referat seien in Bundes-Bern häufig.
Im Unterschied zu andern Staaten sei es in der Schweiz jedoch nicht üblich, die Wirkung des Lobbyings mit Geschenken zu verstärken. «Allzu rasch begibt man sich damit in die Grauzone der Bestechung.»
swissinfo, Andreas Keiser
Das Buch «Lobbying in der Schweiz» ist im Verlag Mediata erschienen.
Herausgeber ist Othmar Baeriswyl, Dozent für Public Relations an der Universität Freiburg.
Gemäss Schätzungen gibt es in der Schweiz zwischen 300 und 400 Lobbyisten.
Bis jetzt existiert in der Schweiz keine Ausbildung zum Lobbyisten. Die meisten Lobbyisten sind Juristen, Wirtschaftswissenschafter, Politologien, Soziologen oder Kommunikations-Spezialisten.
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