Menschenrechtsrat: Minarettverbot islamfeindlich
Der UNO-Menschenrechtsrat hat in Genf das Verbot von Minaretten als islamfeindlich verurteilt. Die von Pakistan eingebrachte Resolution gegen die Verunglimpfung der Religionen wurde mit 20 gegen 17 Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen.
Die EU-Staaten, die USA sowie mehrere lateinamerikanische Staaten stimmten dagegen.
Frankreichs Botschafter Jean-Baptiste Mattei etwa sagte im Namen der EU, die Menschenrechte schützten das Individuum, nicht Glaubenssysteme.
Hinter die islamischen Länder, die die Resolution befürworteten, stellten sich China, Kuba und die afrikanischen Staaten.
Der Text verurteilt unter anderem auch das Minarettverbot, ohne aber die Schweiz namentlich zu erwähnen. Das Papier wurde von der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) eingebracht. Es kritisiert das Bauverbot von Minaretten und Moscheen sowie andere Diskriminierungen.
Indirekte Kritik an der Schweiz
Sämtliche Aktionen seien Ausdruck einer Islamfeindlichkeit und widersprächen den internationalen Menschenrechts-Bestimmungen deutlich, heisst es in dem Text weiter. Solche Bestimmungen würden die Diskriminierung, aber auch den Extremismus fördern und führten zu einer gefährlichen Polarisierung.
Die Resolution behandelt zwar das Minarettverbot, kritisiert die Schweiz aber nur indirekt: Namentlich wird die Eidgenossenschaft in dem Papier nicht erwähnt. Das Schweizer Stimmvolk hatte Ende November 2009 dem Minarettverbot zugestimmt.
Der Schweizer Botschafter bei der Uno in Genf, Dante Martinelli, betonte gegenüber swissinfo.ch, dass die Schweiz gegen diese Resolution gewesen sei.
«Wir sind dagegen, dass Religionen an sich geschützt werden. Wir wollen es jedoch den einzelnen Menschen ermöglichen, die Religion ihrer Wahl zu praktizieren. Wir akzeptieren nicht, dass jemand wegen seiner Religion diskriminiert wird», sagte er.
Es müsse beachtet werden, dass es in der Schweiz 150 Orte gebe, in denen Muslime beten können, und dass neue dazukommen könnten. Die muslimischen Gemeinden würden in der Schweiz durch das Gesetz geschützt.
Für Botschafter Martinielli ist die Annahme des Minarettverbots nicht islamfeindlich. «Die Leute sind verunsichert wegen der Wirtschaftskrise und wegen der Situation weltweit. Es ist keine Entscheidung gegen die islamischen Gemeinden in der Schweiz oder ausserhalb der Schweiz.»
Freie Meinungsäusserung
Die Resolution gegen die Diffamierung der Religionen wird regelmässig in der Generalversammlung der UNO und im Menschenrechtsrat behandelt.
Sie ist allerdings heftig umstritten: Westliche Staaten und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) kritisieren die Resolution als Beeinträchtigung der freien Meinungsäusserung.
Die Kräfteverhältnisse im UNO-Menschenrechtsrat ermöglichen es den muslimischen und neutralen Staaten aber, der Resolution jeweils zum Durchbruch zu verhelfen.
Nur Beobachterstatus
Die Schweiz hat in diesem Jahr im Menschenrechtsrat lediglich Beobachterstatus und konnte weder abstimmen noch sich vor der Abstimmung zu der Resolution äussern.
«Diese Resolution hat keinen Einfluss auf die positive Rolle, die die Schweiz in Menschenrechtsfragen einnimmt», sagte der Menschenrechtsexperte Peter Splinter gegenüber swissinfo.ch. «Sie könnte aber von anderen Ländern dazu benutzt werden, die Schweiz einzuschüchtern».
Laut Adrien-Claude Zoller, dem Direktor der Nichtregierungsorganisation «Geneva for Human Rights» stammt die Idee dieser Resolution aus den Jahren vor 2001. Sie erlaube bestimmten muslimischen Ländern, sich vor Kritik zu verstecken.
«Die Tatsache, dass es keinen Bezug zu anderen Vorfällen gibt, ist beunruhigend. Beispielsweise wurden in Nigeria 500 Katholiken massakriert. Eine Islam-spezifische Resolution widerspricht den Prinzipien des Menschenrechtsrats fundamental», sagt er.
Jede Religion müsse über ihre eigenen intoleranten Aspekte nachdenken, sagt Zoller
Simon Bradley, swissinfo.ch und Agenturen
Bereits kurz nach der Volksabstimmung vom 29. November 2009 hatte die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, das Minarett-Verbot als «klar diskriminierend» bezeichnet.
Die Organisation der islamischen Konferenz (OIC) forderte die Schweizer Regierung dazu auf, das Resultat der Anti-Minarett-
Abstimmung für ungültig zu erklären. Dieses sei islamophob und
völkerrechtsverletzend.
Einen ähnlichen Aufruf erliess auch das Parlament der Arabischen Liga.
Aber auch bei verschiedenen Regierungen Europas, im Europarat und im Vatikan war der Volksentscheid auf Kritik gestossen.
Das US-
Aussenministerium zeigte sich «zunehmend besorgt» über die Diskriminierung von Muslimen in Europa. In seinem Jahresbericht
verwies es dabei auf das Minarettverbot in der Schweiz.
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