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Multis sollen Menschenrechte respektieren

Dass Kinder für Schweizer Firmen Baumwolle ernten, soll es nicht mehr geben. Keystone

Die UNO will multinationale Konzerne verpflichten, Menschenrechte zu respektieren. Aus diesem Grund tagt die UNO-Menschrechtskommission in Genf.

Die Schweiz hat keine offizielle Position, steht dem Vorhaben aber positiv gegenüber.

«Wir fordern von den Delegierten, dass sie die Normen weder abschwächen noch das Papier ganz begraben», sagt Florence Gerber von der Erklärung von Bern (EvB) gegenüber swissinfo. Die Vertreterin der Nichtregierungs-Organisation (NGO) mit Sitz in Zürich beobachtet in Genf die Verhandlungen.

Dort diskutiert die Menschenrechts-Kommission der Vereinten Nationen (UNO) die Vorschläge der Unterkommission für Menschenrechte, welche Vorschläge für die «UNO-Menschenrechtsnormen für transnationale Konzerne und andere Wirtschaftsunternehmen», kurz «UNO-Normen», vorstellt.

Die UNO-Normen verbieten Zwangs- und Pflichtarbeit oder Kinderarbeit und beinhalten Bestimmungen zum Umweltschutz. Es handelt sich dabei nicht um ein neu geschaffenes Regelwerk. Bindend ist es nicht.

Selbstregulierung funktioniert nicht

Die UNO-Normen gehen weiter als die gegenwärtig umgesetzten freiwilligen Regeln, wie beispielsweise jene, die des sogenannten «Global Compact». Von UNO-Generalsekretär Kofi Annan 1999 am World Economic Forum in Davos präsentiert, stützen sich diese auf neun Prinzipien, welche alle teilnehmenden Firmen einhalten sollten.

«Global Compact ist eine Plattform, um den Dialog mit wichtigen Stakeholders zu führen. Das hilft der UNO, sich den Veränderungen der Welt zu stellen und den privaten Sektor ins Boot zu holen», sagt Gérald Pachoud, zuständig beim Aussenministerium EDA für den Bereich Wirtschaft und Menschenrechte, gegenüber swissinfo.

Weniger zufrieden mit Global Compact ist Michel Egger von der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke. Er schreibt in einem Kommentar in der «Tribune de Genève», dass sich nur 10 bis 15 Prozent aller 1200 teilnehmenden Firmen wirklich um die Umsetzung der Grundsätze bemühen.

Auch die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen enthalten Empfehlungen für verantwortungsvolle Unternehmenspraktiken im Bereich der Menschenrechte und der Arbeitsrechte.

Schweizer Multis als Musterschüler

Auch der grösste Schweizer Multi, der Nahrungsmittelkonzern Nestlé, macht mit bei Global Compact. «Wir wollen in all unseren Aktivitäten ein gutes Beispiel für den Umgang mit den Menschenrechten sein und haben ein Interesse daran, Verbesserungen der sozialen Umstände zu fördern», sagt Nestlé-Sprecher Marcel Rubin gegenüber swissinfo. «Dies sind wichtige Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung.»

Der Technololgiekonzern ABB und der Chemieriese Novartis gehören sogar zu den Gründern der «Global Leaders», welche von der ehemaligen irischen UNO-Menschenrechts-Beauftragten Mary Robinson ins Leben gerufen wurde. Zusammen mit fünf weiteren Multis wollen sie die Vorschläge der UNO-Subkommission der Menschenrechte umsetzen.

Viele andere Firmen betreiben eigene Programme, wie beispielsweise der Kleiderhersteller Switcher, der Biobaumwolle aus Afrika kauft, oder Migros mit dem Ethik-Programm «Engagement».

Kinder ernteten für Basler Multi

«Allerdings», gibt Gerber von der EvB zu bedenken, «verstecken sich Unternehmen oft hinter einer Fassade des guten Willens, um ihr Image zu verbessern und Vorwürfen zu entfliehen.»

So geraten gelegentlich Schweizer Unternehmen in die Kritik, wie beispielsweise der Agrochemie-Konzern Syngenta. Dieser musste im vergangenen Mai Probleme mit Kinderarbeit eingestehen, die dem Konzern bereits seit zwei Jahren bekannt gewesen waren: Auf Feldern in Indien ernteten Kinder bis zu 12 Stunden pro Tag Baumwolle.

Basis für bindende Normen

Die gegenwärtig in Genf diskutierten Normen würden dies verbieten. Weil sie aber nicht bindend sind, sind sie für die EvB-Vertrterin nur ein erster Schritt. «Die Normen könnten langfristig die Basis bilden für einen internationalen, juristischen Rahmen, dem sich die Multis unterstellen müssten», sagt Gerber.

Vorerst verlangt die EvB aber noch nicht einmal die Annahme der Vorschläge durch die Kommission, sondern nur, dass sie nicht aus der Agenda gekippt werde und die Diskussion ausgeweitet wird. «Die Vorschläge sind von den grossen Wirtschafts-Lobbys bedroht, die Druck auf die Regierungen ausüben.»

Offizielle Schweiz unterstützt UNO-Normen

Jean-Daniel Vigny, Vertreter des EDA bei der UNO-Unterkommission der Menschenrechte, sagt gegenüber swissinfo, dass die Schweiz keine offizielle Position einnehme.

Aber: «Die Schweiz engagiert sich – im Gegensatz zu andern Ländern welche dieses Thema gerne wegfallen lassen würden – dass die Vorschläge auf der Tagesordnung bleiben. Hier sind die Ansichten der Länder aber sehr geteilt.»

swissinfo, Philippe Kropf

Die UNO muss strengere Normen für die Einhaltung der Menschenrechte durch multinationale Konzerne einführen, verlangt die Erklärung von Bern.

Die Normen sollten Minimumlöhne, Transparenz, Kampf gegen die Korruption und Förderung von nachhaltiger Entwicklung umfassen.

Auch das Verbot von Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Rassendiskiminierung gehören dazu.

Die UNO-Kommission für Menschenrechte berät zur Zeit Vorschläge ihrer Subkommission in Genf.

Sie will keine neuen rechtlichen Normen aufstellen, sondern einen Rahmen für das internationale Recht schaffen.

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