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Nina Fehr Düsel: Herzlich, aber hart

Nina Fehr Düsel
Nina Fehr Düsel, fotografiert in der Empfangshalle des Swiss Life Hauptsitzes in Zürich. Thomas Kern / swissinfo.ch

Nina Fehr Düsel lebt das Leben einer modernen Frau und vertritt die Hardliner-Werte der konservativen SVP. Wie geht das zusammen? Ein Porträt.

Sie tragen Namen wie Giezendanner, Wasserfallen, Blocher – oder Nina Fehr Düsel. Im Nationalrat gibt es eine Handvoll Parlamentarier:innen, deren Väter auch schon dort tagten. Die Herausforderung dieser Nachkömmlinge ist, aus den Schatten der Väter zu treten – um irgendwann vielleicht eigene Schatten zu werfen.

Nina Fehr Düsel geht es entspannt an. Klar sei sie auch die Tochter ihres Vaters, sagt die 43-Jährige, aber das werde sich erledigen, eine Frage der Zeit. Ihr Vater Hans Fehr war ein prononcierter Hardliner der Schweizerischen Volkspartei SVP. Sein Kernthema war die Zuwanderung. Eritreer, Kosovaren, und vor allem Muslime: Stets hatte er das Fremde im Visier. Als er 2015 nach 20 Jahren den Nationalrat von Bern verliess, trat Tochter Nina in den Zürcher Kantonsrat ein.

2023 hat sie es auch in den Nationalrat geschafft – und bereits wirft sie eigene Schatten. Sie wird als weniger hart wahrgenommen als ihr Vater. Sie hat in der Pandemie auch ein eigenes Thema gefunden, mit dem sie von sich reden machte: keine Maskenpflicht für Kinder an Schulen.

Im vergangenen Oktober zogen 56 neu gewählte Vertreterinnen und Vertreter ins nationale Parlament ein. Die Schweizerische Volkspartei, die Mitte und die Sozialdemokratische Partei haben bei den eidgenössischen Wahlen 2023 am meisten zugelegt und stellen auch die meisten Neulinge im Parlament. Die Grünen haben – als die grossen Verlierer der Wahlen – keine neuen Gesichter nach Bern schicken können.

In dieser Serie porträtiert SWI swissinfo.ch neun Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die ihre ersten Schritte in der nationalen Politik machen.

Stets angenehm im Umgang

Nina Fehr Düsel sagt: «Wer glaubt, mir seien viele Sachen in die Wiege gelegt worden, liegt falsch.» Gerade in der eigenen Partei sei ein Vater mit Hardliner-Profil nicht nur von Vorteil gewesen. «Man muss ja auch seinen eigenen Stil entwickeln.»

Nina Fehr Düsel primo piano
«Sie kam rasch vorwärts»: Nina Fehr Düsel. Thomas Kern / swissinfo.ch

Ihr Stil? Effizienz und Herzlichkeit. Das sagen alle, die sie und ihre Arbeit kennen. Gelobt wird zudem ihr angenehmer Umgang, man erlebt diesen auch im Gespräch mit ihr. Andere sagen vielleicht: «Nein, das stimmt nicht.» Sie aber sagt: «Gut, das kann man unterschiedlich sehen.» Das ist anerkennend und wirkt gewinnend.

Nicole Barandun, Nationalrätin der Mitte, die mit Fehr Düsel sei Jahren gut bekannt ist, beschreibt sie als offen und lernfähig: «Bei ihr ist nicht von Anfang klar, welche Position sie einnimmt.»

Ihre Position gegenüber den Auslandschweizer:innen etwa geht auf ihre Zeit als Flight Attendant nach der Matura zurück. In den Fliegern traf sie viele Schweizer Ausgewanderte. Sie sah, dass diese oft eine besondere Beziehung zur Schweiz pflegen.

«Darum sollen sie auch das Schweizer Bürgerrecht und das Stimmrecht behalten», sagt sie heute. Die doppelte Staatsbürgerschaft sei grundsätzlich zwar eher problematisch, «aber bei Auslandschweizern sehe ich das anders.» 

«Alles fällt ihr leicht»

Die Versicherungsgesellschaft Swiss Life residiert in einem imposanten Gebäude mit raffinierter Lichtführung an bester Lage in Zürich, direkt am See.

Swiss Life ist mit 20 Milliarden Franken Umsatz und als grösster Lebensversicherer der Schweiz ein Teil der Zürcher Hochfinanz. Hier arbeitet Nina Fehr Düsel im Rechtsdienst, oberes Kader. Der Händedruck ist fest, ihre Haltung unverkrampft und doch verbindlich, fast kollegial.

Wenn etwas bei Swiss Life eskaliert, landet es bei ihr auf dem Tisch: Kundengeschäfte, interne Anfragen oder Rechtsfragen um Immobilien. Wer hier in dieser Position arbeitet, hat Karriere gemacht.

«So schnell ist meine Karriere nun auch nicht gelaufen», sagt sie, aber logisch komme man irgendwann weiter, «und das war für mich auch wichtig.» Ihr Vater, Hans Fehr, sagt: «Sie kam rasch vorwärts: Familie, Wohneigentum, Unternehmensjuristin. Man hat den Eindruck, dass ihr alles leichtfällt.»

Seine Tochter habe sich immer schon viel zugetraut, sei auch gerne mal an ihre Grenzen gegangen, berichtet der Vater: «Sie sagt, das kann ich, und dann macht sie es.»

Ein Herz für Tiere

Weniger beabsichtigt als ihre Berufskarriere war der Weg in die Politik. «Ich dachte, es reicht, wenn mein Vater aktiv war, ich wollte mich eher auf den Beruf konzentrieren», erzählt sie. Doch dann habe die Parteileitung angefragt, und vieles habe sich ergeben. «Politik ist nicht planbar.»

Nina Fehr Düsel
Thomas Kern / swissinfo.ch

Viel früher allerdings verbuchte sie einen Erfolg als Aktivistin. In der Primarschule startete sie eine Petition gegen Delfinarien in der Schweiz. Mit ihrer Klasse sammelte sie 100’000 Unterschriften.

«Das hat mich politisiert, weil ich merkte, was man in der Schweiz als Einzelne für Möglichkeiten hat.» Ihre Petition kam als Motion in den Nationalrat und wurde dort angenommen.

Dann, am Gymnasium, gab es auch Lehrerinnen und Lehrer mit linken und grünen Positionen, die sie beeindruckten. «In diesem Alter hat man ja das Rebellische in sich.»

Der Zeitschrift Beobachter erzählte sie 1994, dass sie, wenn überhaupt, je am ehesten für die Grünen politisieren werde. «Ihre Pubertät bewegte sich im normalen Rahmen», erinnert sich der Vater. Eine Episode darin bildet die Teilnahme an einem Model-Wettbewerb, 17-Jährig, Rang 3.

Ihr Weg zur SVP

Etwas Grün ist geblieben. «Mir liegt am Herzen, dass wir nachhaltig mit unserer Umwelt umgehen und unsere Ressourcen sparsam nutzen.» Sie erzählt von kleinen persönlichen Verzichten und von den bedeutenden Entbehrungen ihres Vaters, der als Bauernbub in einfachsten Verhältnissen aufwuchs.  

Auf SVP-Linie kam Nina Fehr Düsel später, mit der Arbeit. Als junge Juristin arbeitete sie in Winterthur für die kantonale Justiz. «Ich sah, wie Leute die Schweiz ausnutzen, auch Fälle häuslicher Gewalt. Oder wie Ausländer über ihre Herkunft logen», erzählt sie. Klar, das seien alles Einzelfälle gewesen, aber prägende.

Eine weitere Prägung erfolgte in den Vororten von Paris, wo sie einen Teil des Jus-Studiums verbracht hatte. Sie sah Kriminalität, sogar an ihrer Uni, und verwahrloste Gegenden. Sie fühlte sich nicht mehr sicher. «Ich fuhr nicht mehr gerne mit den Nahverkehrszügen. Es hatte sehr viele Algerier dort. Ich sah einiges, von dem ich dachte, das will ich in der Schweiz nicht haben.» Später wechselte sie an die Uni Lausanne.

Sätze wie von ihrem Vater

Heute sagt die frisch gebackene SVP-Nationalrätin: «Man muss dafür sorgen, dass sich Frauen auch in Zukunft frei bewegen können und keine Angst haben müssen.» Wenn es mit der Zuwanderung so weitergehe, sei es eine Frage der Zeit, bis auch die Schweiz solche Parallelgesellschaften habe. Es sind Sätze, die von ihrem Vater stammen könnten.

Smartspider Nina Fehr Düsel

Bei der Zuwanderungspolitik sei sie tatsächlich nahtlos auf SVP-Linie, auch bei Fragen um die EU oder die bewaffnete Neutralität, bei denen die Partei auf eine Schweizer Eigenständigkeit pocht. Die Schweiz, für die sie kämpft, sieht Nina Fehr Düsel etwa dort, wo sie wohnt, an der privilegierten Zürcher Goldküste.

«Die hohe Lebensqualität im Bezirk Meilen gefällt mir sehr gut, landschaftlich auch die Gegend um Altdorf in Uri, wo die Schweiz entstanden ist – und natürlich das Zürcher Unterland, wo ich herkomme.»

Zwiespältiger blickt sie auf die Stadt Zürich, die in den letzten Jahren stark internationalisiert wurde – mit Auswirkungen. «Schweizer werden in Zürich verdrängt», sagt sie. Selbst in ihrem Wohnort Küsnacht habe es bei der Klasse eines ihrer Söhne praktisch nur noch Expats.

«Einige Eltern können gar nicht Deutsch.» Das seien zwar die erwünschten, hoch qualifizierten Einwanderer, aber auch hier sei es eine Frage des Masses.

Eine moderne Frau

Es gibt auch Themen, die sie offener sieht als ihre Partei, etwa die Energiepolitik. «Da müssen wir neuen Lösungen offen gegenüberstehen.» Ebenso sieht sie Klimawandel, anders als viele in ihrer Partei, als «teils menschengemacht». «Er bereitet mir Sorgen, und ich glaube, dass wir Einfluss haben.»

Nina Fehr Düsel
«Gleichberechtigung ist mir wichtig», sagt Nina Fehr Düsel. Thomas Kern / swissinfo.ch

Der grösste Bruch mit der Ideologie ihrer Partei bildet jedoch ihr Leben selbst. Ihre gelebte Vereinbarkeit von Beruf und Familie passt nicht zum konservativen Frauenbild der Partei.

Als Mutter von zwei Knaben, sieben und acht Jahre alt, arbeitet sie Teilzeit, seit der Wahl in den Nationalrat im Herbst 2023 sind es noch 50%.

Entsprechend beschreiben sie Weggefährtinnen als Frau, die mit der Zeit geht. «In gesellschaftspolitischen Fragen ist sie sehr modern», sagt FDP-Nationalrätin Bettina Balmer, die mit ihr in Zürich jahrelang zusammen politisierte.

Ein Beispiel: Fehr Düsel will ein Handyverbot an Schulen, weil man Kinder auch vor dem «Sog des Digitalen» schützen müsse.

«Ihre Botschaft ist urfeministisch»

Ratskollegin Nicole Barandun, selbst berufstätig, Mutter und Politikerin, sagt: «Man braucht auf diesem Weg einen Partner, der unterstützt, allein schon, weil viele Anlässe am Abend stattfinden.» Nina Fehr Düsel sagt: «Gleichberechtigung ist mir wichtig. Darüber haben wir schon nach dem Kennenlernen geredet.»

Gatte Thomas Düsel arbeitet ebenfalls Teilzeit, er kann sich als Unternehmensberater die Zeit einteilen. Diese konsequente Rollenteilung – Beruf und Kinder, Hand in Hand – macht von sich reden. Die SonntagsZeitung schrieb: «Obschon sich Fehr Düsel nicht als Feministin bezeichnet, ist ihre Botschaft urfeministisch.»

«Wir Frauen sind in der SVP immer eher in der Minderheit», sagt sie. Auch im städtischen Gemeinderat von Zürich war sie eine Zeitlang die einzige Frau unter 40 Männern. Gleichzeitig ist sie heute eine erklärte Gegnerin der Gendersprache. Die Schweiz habe wichtigere Probleme. Und wieder nennt sie – die Zuwanderung.

Editiert von Mark Livingston

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