Regierung will Swisscom privatisieren
Die Schweizer Regierung hat die Pläne für eine Volksaktie fallengelassen und will die Swisscom ohne flankierende Massnahmen privatisieren.
Damit folgt sie der Haltung von Finanzminister Hans Rudolf Merz. Anfang April will der Bundesrat die definitive Botschaft ans Parlament verabschieden.
Das Aus für die Volksaktie kommt nicht überraschend. Ursprünglich wollte der Bundesrat (Landesregierung) mit der verbilligten Abgabe von Swisscom-Aktien dem Volk den Schweizerinnen und Schweizern (wollen wir nicht einfach schreiben dem Volk, der Bevölkerung?) die umstrittene Privatisierung versüssen. Doch die Idee fiel in der Konsultation bei sämtlichen Parteien durch.
Selbst Kreise, welche die Privatisierung unterstützen, äusserten Unverständnis: Alle Aktien müssten zum bestmöglichen Preis verkauft werden, befand die Schweizerische Volkspartei, SVP. Die Freisinnig-Demokratische Partei, FDP, befürchtete, dass die Volksaktie den Börsenkurs der Swisscom beeinträchtigen würde.
Gebirgskantone dagegen
Finanzminister Hans-Rudolf Merz hatte die Volksaktie deshalb bereits am vergangenen Wochenende als «chancenlos» bezeichnet. Die Regierung folgte ihm nun am Freitag in dieser Einschätzung. Angesichts der einhelligen Kritik verzichte er darauf, die Idee weiterzuverfolgen, teilte er mit.
An der Privatisierung hält die Regierung indes fest – obwohl das am 6. März abgeschlossene Konsultationsverfahren ein «kontroverses» Ergebnis erbrachte, wie sie einräumt. So ist laut Bundesrat eine «leichte» Mehrheit der Kantone gegen den Verkauf des Bundesanteils.
Vor allem die Gebirgskantone haben Angst, dass die Privatisierung in den Randregionen das Ende der Grundversorgung in der Telekommunikation bedeuten könnte. Sie stemmen sich denn auch geschlossen gegen die Vorlage.
Auch Sperrminorität vom Tisch
Von den Parteien befürworten SVP und FDP die Privatisierung, dazu gesellen sich die Wirtschaftsverbände. Die Sozialdemokratische Partei, SP, und die Christlichlichdemokratische Partei, CVP, die allermeisten kleineren Parteien und die Gewerkschaften lehnen sie ab. Die Swisscom selber steht der Veräusserung positiv gegenüber.
Vom Tisch ist für den Bundesrat neben der Volksaktie auch die Idee, eine Sperrminorität von 33% der Swisscom-Aktien zu behalten. Er halte dies nur für die «zweitbeste Lösung» und werde deshalb darauf verzichten, dem Parlament einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten.
Referendum bereits angedroht
Die Botschaft zur Abgabe der Bundesbeteiligung an der Swisscom will der Bundesrat am 5. April zuhanden des Parlaments verabschieden. Am 10. und 11. April behandelt die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen das Dossier. Der Nationalrat (grosse Kammer) soll in einer Sondersession im Mai darüber beraten, der Ständerat (kleine Kammer) in der Sommersession im Juni.
Sollten die beiden Räte der Privatisierung zustimmen, hätte wohl das Volk das letzte Wort. Der Gewerkschaftsbund und die SP drohen nämlich offen mit dem Referendum. Sollte dieses zu Stande kommen, würde die Abstimmung voraussichtlich am 11. März 2007 stattfinden.
swissinfo und Agenturen
Am 23. November 2005 entscheidet der Bundesrat, die Bundesbeteiligung an Swisscom zu verkaufen.
Der Bund hielt damals 66% der Swisscom-Aktien. Das entspricht einem Börsenwert von rund 17 Mio. Franken.
Am 14. Dezember 2005 debattiert das Parlament über das Vorhaben. Die Linke und die Christlich Demokraten drohen mit einem Referendum, falls die Swisscom privatisiert würde.
Am 25. Januar lanciert die Regierung ein Konsultations-Verfahren und lanciert die Idee einer Volksaktie.
Die Eidgenossenschaft hält 62% des Swisscom-Aktienkapitals.
Der Deutsche Staat ist mit 37% an der deutschen Telekom beteiligt.
Frankreich hält 33% an France Telecom.
Österreich hält 38% an Telekom Austria.
Die italienische Telecom Italia ist seit 2002 vollständig privatisiert.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch