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Schengen-Aussengrenzen befinden sich im Inland

Bald wird das Schengen-Abkommen in der Schweiz umgesetzt. Das bedeutet Reisefreiheit innerhalb der EU. Obschon Binnenland und von EU-Staaten umgeben, ergeben sich dadurch für die Schweiz "Schengen Aussengrenzen" – sogar gegenüber Liechtenstein.

Beim Wort «Schengen-Aussengrenzen» denkt man an die weiten Wälder im Osten, welche die schwer kontrollierbare Grenze zwischen Polen und Weissrussland bilden, wo die Europäische Union aufhört.

Oder es kommen Bilder vom italienischen und spanischen Süden auf, wo Küstenwachen die «Aussengrenzen Europas» gegen den Menschenschmuggel aus Nordafrika abzusichern versuchen.

Für die zentral gelegene Schweiz, die dem Schengenraum Ende Jahr beitritt, bleibt somit der Begriff «Schengen-Aussengrenze» eher abstrakt. Ist doch das Binnenland vollständig von der EU umgeben und steht mit keinen so genannten Drittländern in direkter Nachbarschaft.

Dennoch wird die Schweiz nach dem Beitritt zwei Arten von «Schengen-Aussengrenzen» aufweisen: Erstens sind über die internationalen Flughäfen auch zahlreiche Drittländer der Nicht-EU-Welt direkt mit der Schweiz verbunden.

Und zweitens zeichnet sich eine weitere quasi im Inland ab: Die wenigen Kilometer Grenze zum Fürstentum Liechenstein werden von Brüssel so lange als Drittland-Grenze betrachtet, als Liechtenstein nicht selbst zum Schengenraum stösst. Das wird erst der Fall sein, wenn die Schweiz schon drin ist. Bis dann wird also Innen zu Aussen.

Hauptänderung betrifft Flughäfen

«Die Hauptänderung, die sich durch den Beitritt zum Schengenraum ergibt, betrifft die internationalen Flughäfen», sagt Rudolf Dietrich, Direktor des Schweizer Zolls, zu swissinfo. «Neu werden Personen, die aus Schengen-Staaten einreisen, nicht mehr kontrolliert.»

Für Personen, die aus Drittstaaten einreisen, finde eine Aussen-Grenzkontrolle statt, und zwar gemäss dem Grenzkodex der EU. Diese sei systematisch und umfasse eine Reihe von genau definierten Abfragen in Datenbanken sowie eine genaue Prüfung der Einreisepapiere, besonders des Ausweises.

Hat die Person, die aus einem Drittstaat ankommt, einen Schweizer Pass und reist aus einem Drittstaat ein, genügt am Flughafen eine Mindestkontrolle – wie bisher, so Oberzolldirektor Dietrich.

Strengere Kontrolle für Leute aus Drittländern

Derzeit haben an den Flughäfen 100% der Ankommenden ihre Pässe vorzuweisen – im Gegensatz zu den Strassen-Grenzübergängen, wo Einreisende nur stichprobenweise kontrolliert werden.

Neu werde jener Teil der Ankommenden, der aus Schengenländer einreist, den Pass nicht mehr vorweisen müssen, sagt Dietrich. Hingegen blieben beim Zollausgang Stich-Kontrollen beim Gepäck bestehen.

Jene Leute aber, die aus Drittländern ankommen und damit bei uns in den Schengenraum einreisen, werden zu 100% kontrolliert. Für Personen aus Nicht-Schengenländern gehe diese Kontrolle dann tiefer als bisher.

Absurde Situation am Oberrhein

Fast schon eine paradoxe Grenzkontrollen-Situation zeichnet sich vorübergehend zwischen der Schweiz und Liechtenstein ab. «Mit dem Fürstentum gilt seit 1925 eine Zollunion, und Personenkontrollen gab es eh nie», stellt Dietrich fest.

Die Diskussion darüber, auf welche Weise nun auf einmal kontrolliert werden soll, sei noch offen. «Die Situation aber ist schon etwas absurd.»

«Weshalb wir jetzt ausgerechnet mit Schengen, das doch den Grenzübertritt von Personen beschleunigen sollte, den Grenzübertritt nach Liechtenstein de facto vorübergehend erschweren, ist unverständlich.»

In Liechtenstein landen höchstens Helikopter. Da das Fürstentum keinen internationalen Flughafen betreibt, gibt es wohl kaum viele Suspekte, die aus einem Drittstaat über das Fürstentum in den (Schweizer) Schengenraum einreisen könnten.

Im Ermessen der Evaluationsgruppe

Die Evaluationsgruppe für den Beitritt der Schweiz zum Schengenraum setzt sich aus Experten aus Schengen-Mitgliedländern zusammen. Und darunter gebe es zahlreiche Vertreter von neuen mittelosteuropäischen EU-Ländern.

«Diese Länder mussten die Schengen-Prüfung vor kurzem selber über sich ergehen lassen, bei denen man sehr strikt vorging», sagt Dietrich. Er vermutet, dass sie deshalb auch bei der Schweiz auf denselben Auflagen bestehen.

«Wir vom Zoll versuchen, ihnen ein Konzept mit mobiler Überwachung für das halbe Dutzend Grenzübergänge zu zeigen.»

Alles nur als Übergangs-Lösung

Der Schweizer Zoll hofft auf eine Kompromisslösung, die nicht eine vollständige Schengen-Aussengrenzkontrolle wäre: «Sonst müssten wir tatsächlich an den Übergängen Zollanlagen bauen.»

Möglicherweise werde eine Überwachung mit Kameras genügen, mit systematischer Auswertung. Das alles sei sehr aufwendig und koste viel mehr, als man bisher je an dieser Grenze ausgegeben habe.

«Und das alles nur für die Übergangszeit, bis Liechtenstein ebenso assoziiert ist im Schengenraum wie wir», so Dietrich.

An diesen vorübergehenden Sachzwängen ändere auch der Umstand nichts, dass Liechtenstein durch den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) näher als die Schweiz mit der EU verbunden ist. Während sich die Schweiz seit dem Volksnein zum EWR mit den Bilateralen behelfen müsse.

Im Europäischen Wirtschaftsraum geht es nicht wie bei Schengen um Personenkontrollen. Der EWR bezieht sich auf wirtschaftliche Sachverhalte wie den Waren- und Dienstleistungsverkehr, nicht auf polizeiliche.

swissinfo, Alexander Künzle

Zirka 390’000 Schweizer leben und arbeiten momentan in der EU.
In der Schweiz leben umgekehrt rund 890’000 EU-Bürger.
Darüber hinaus gibt es noch 180’000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger.

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