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Schlechte Zeiten für die Freisinnigen

Der erste Bundesrat von 1848 bestand ausschliesslich aus Freisinnigen. swissinfo.ch

Die Delegierten der FDP Schweiz debattieren in Glarus über die Zukunft der Bildung in der Schweiz. Doch dabei geht es eher um die Zukunft ihrer Partei.

Tatsächlich wird die grosse Regierungspartei mehr denn je von Wahlniederlagen heimgesucht. Und die Affäre Masoni macht die Sache nicht leichter.

In der Folge der Affäre um Marina Masoni hat sich das Medieninteresse in letzten Tagen stärker auf die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) konzentriert. Als Mitglied der Tessiner Exekutive und verantwortlich für Wirtschaft und Finanzen wurde ihr von ihren Kollegen in der Regierung die Steuerverantwortung entzogen.

Eine Untersuchung hat gezeigt, dass die Stiftung ihrer Eltern im Kanton Schwyz nicht gesetzeskonform ist. Masoni geriet ins Kreuzfeuer der Kritik. Die Linke verlangt ihren Rücktritt. Schon vorher wurden auch Unregelmässigkeiten im Steuerdepartement aufgedeckt.

Ob Rücktritt oder nicht, die politische Zukunft von Masoni, die auch dem Vizepräsidium der FDP Schweiz angehört, scheint ernsthaft in Frage gestellt, obwohl sie einst als mögliche Nachfolgerin von Innenminister Pascal Couchepin gehandelt wurde. Und als ob das nicht schon der Probleme genug wären, musste die FDP in letzter Zeit wiederholt Wählerverluste hinnehmen.

Der Niedergang der FDP ist nicht neu. Werner Seitz, Chef der Sektion Politik, Kultur, Medien im Bundesamt für Statistik, hat die Entwicklung der Partei analysiert. Für ihn ist das Phänomen über 20 Jahre alt.

swissinfo: Seit wann geht es mit den Freisinnigen bergab?

Werner Seitz: Der Niedergang ist beeindruckend. 1979 gehörten die Freisinnigen zum letzten Mal zu den Siegern. Damals hatten sie 28% der Sitze in den kantonalen Parlamenten und 24% der Wählerschaft auf nationaler Ebene.

Seit damals haben sie unaufhaltsam Stimmen verloren. Heute haben sie weniger als 20% der Sitze in den Kantonen. Auf Bundesebene haben sie nur noch 17% der Wählerstimmen. In beiden Fällen ist der Verlust deutlich mehr als ein Viertel. Die Stimmenverluste zeigen sich auch auf Gemeindeebene.

swissinfo: Welches sind die Gründe für diesen Rückgang?

W. S.: Wie bei der Christlich-Demokratischen Partei (CVP) war auch die Spitze der FDP europafreundlich, während ein grosser Anteil der Basis dieser beiden Parteien europafeindlich war. Davon hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) profitiert.

Andrerseits haben führende Freisinnige in den 70er und 80er Jahren einen Schritt nach links gemacht, was die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Umwelt angeht, aber auch in den Bereichen der Drogenpolitik und der Verkehrspolitik. Auch davon hat die SVP profitiert.

swissinfo: Wäre die FDP daher gut beraten, wenn sie härtere Positionen beziehen würde, genau wie die SVP?

W. S.: Überhaupt nicht, denn dieser Prozess ist abgeschlossen. FDP-Präsident Fulvio Pelli hat absolut recht, wenn er versichert, dass man nichtsdestotrotz neue Wähler gewinnen müsse und nicht diejenigen zurückgewinnen, die man bereits an die SVP verloren habe.

swissinfo: Mit welchen Argumenten kann die FDP Wähler gewinnen?

W. S.: Die FDP ist die Partei, die den Bundesstaat gegründet hat und die der Wirtschaft nahe steht. Aber es ist auch die Partei, die die Schweiz modernisiert hat.

Die Partei-Spitzen haben diese Tatsache ein wenig vergessen. Wenn sie diese Modernisierung erneuern würden, hätten sie die Chance, eine moderne, städtische Wählerschaft anzuziehen, ohne linke Ideen anzunehmen.

swissinfo: Würde eine Vereinigung mit der CVP und Schaffung einer grossen Zentrumspartei die Situation der Freisinnigen verbessern?

W. S.: Nein, die Vereinigung dieser beiden Parteien bringt nichts. Sie haben zu grosse Unterschiede, insbesondere historische. Im Moment orientiert sich die CVP Richtung mitte-links, was für die FDP nicht gilt.

swissinfo: Ist die Affäre Masoni bezeichnend für den Niedergang der FDP?

W. S.: Diese Affäre hat zwei Aspekte. Der erste ist der Tessiner Aspekt und also sehr lokal. Aber Marina Masoni ist auch die Vertreterin des Wirtschaftsflügels und der freisinnigen Neoliberalen. Das ist für die FDP auf nationaler Ebene gravierend, da Masoni ja der Vizepräsidentschaft der Partei angehört.

Marina Masoni wollte namentlich die Finanzpolitik ändern. Aber sie hat gerade in ihrem eigenen Bereich ein Problem gehabt. Das ist ein Fiasko für sie selbst und eine Schwächung für den Wirtschaftsflügel ihrer Partei.

swissinfo: Neben Frau Masoni ist in der FDP keine erstrangige Persönlichkeit auszumachen, die die Nachfolge von Pascal Couchepin antreten könnte. Ist das nicht erstaunlich?

W. S.: Das ist gar nicht so erstaunlich. Alle bürgerlichen Parteien haben Probleme, valable Kandidaten zu finden. Bei den Rechten ist die Wirtschaft für Leute, die in der Gesellschaft etwas bewegen möchten, wohl verlockender als die Politik.

Swissinfo, Olivier Pauchard
(Übertragung aus dem Französischen: Susanne Schanda)

Die Freisinnig-Demokratische Partei ist zusammen mit der Christ-Demokratischen Partei, den Sozial-Demokraten und der Schweizerischen Volkspartei an der Landesregierung beteiligt.

Die FDP hat ihre Wurzeln in der liberalen Bewegung des beginnenden 19. Jahrhunderts.

Die Freisinnigen haben 1848 den Schweizer Bundesstaat gegründet und während rund 50 Jahren fast allein regiert.

Seit 1891 haben sie andere rechte Parteien und seit 1943 die Sozialdemokraten in die Regierung integriert.

Die Einführung der Proporzwahl im Bundesparlament (1918) hat der Dominanz der Freisinnigen ein Ende gesetzt.

Seit 1979 verliert die FDP fortlaufend Anhängerschaft, sowohl auf Bundes-, kantonaler wie auch Gemeindeebene.

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