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Schweinegrippe: Behörden mahnen zur Vernunft

Ein Virus, von dem wir heute nicht wissen, ob es sich allenfalls in ein noch aggressiveres Virus verwandeln könnte. Keystone

Die Schweiz hat ihren ersten Fall von Schweinegrippe, und die Weltgesundheits-Organisation WHO hat die Pandemiestufe auf 5 erhöht. Trotzdem beruhigen die Behörden: Es seien im Moment keine weiteren Massnahmen nötig.

«Diese Grippe ist in ihrem Verlauf in der Schweiz weniger aggressiv als eine saisonale Grippe», beruhigte Thomas Zeltner, Direktor des Bundesamts für Gesundheit (BAG), am Donnerstagmittag in Bern.

Daher habe die Schweiz keine zusätzlichen Massnahmen ergriffen, obwohl sie wie alle anderen Länder von der Weltgesundheits-Organisation (WHO) auf Pandemiestufe 5 gesetzt wurde.

Allerdings wisse man aus der Vergangenheit, dass neue Viren, die von Mensch zu Mensch übertragbar seien, das Potenzial hätten, sich noch einmal in eine gefährlichere Variante zu verwandeln. «Und das gilt es zu verhindern», betonte Zeltner.

Flughäfen beobachten

«Unabhängig von den Stufen 4 und 5 werden wir jetzt die Frage der Flughäfen und der Informationsverstärkung dort an die Hand nehmen müssen», so Zeltner gegenüber swissinfo.

Wärmebildkameras, wie sie von einigen asiatischen Ländern eingesetzt werden, um Fieber bei Reisenden festzustellen, werden die ankommenden Fluggäste an Schweizer Flughäfen allerdings nicht zu sehen bekommen.

«Wir haben das zweimal geprüft», erklärte Zeltner. «Diese Wärmebildkameras sind nicht nützlich: Sie zeigen viele falsch Negative und falsch Positive an.»

Als Beispiel der Kontrolle an Flughäfen erwähnte Zeltner den am Donnerstag aus dem Badeort Cancun gelandeten Charter, dessen Passagiere kontaktiert wurden.

«Wenn man wie heute in Zürich den grenzärztlichen Dienst beim Aussteigen ans Gate stellt und damit eine Auge-zu-Auge-Kontrolle der Passagiere macht, ist das viel nützlicher als Wärmebildkameras.»

Kein Grund zur Beunruhigung

Zeltner nutzte die Gelegenheit, einen Aufruf an die Bevölkerung zu machen: «Lassen Sie sich nicht beunruhigen durch den ersten Schweizer Fall. Es wird vielleicht weitere Fälle geben, die einfach durch die Reisetätigkeit in die Schweiz zurückkommen. Wir haben diese Fälle sicher unter Kontrolle.»

Die Schweiz habe dazu verschiedene Vorkehrungen getroffen, erklärte Zeltner: «Wachsam sein, jeden Fall isolieren, behandeln, die Umgebung wenn nötig abschirmen und sicherstellen, dass sich die Krankheit in der Schweiz nicht irgendwie in den Gemeinden oder Städten unkontrolliert ausbreitet.»

Weil die Inkubationszeit 7 Tage betrage, stellten alle Menschen, die vor mehr als 14 Tagen aus Mexiko zurückgekehrt seien, keine Gefahr für ihre Familien und ihre Umwelt dar.

Test vorhanden

Gute Nachrichten gibt es auch aus dem nationalen Influenza-Zentrum in Genf, das die Tests durchführt: Seit Mittwochabend liegt ein Test vor, dank dem mit grosser Wahrscheinlichkeit zwischen positiv und negativ unterschieden werden kann.

«Er ist spezifisch auf dieses Virus ausgerichtet, Influenza H1N1 schweinischer Herkunft», erklärte Patrick Mathys, Leiter der Pandemievorsorge im BAG.

In wenigen Tagen werde es möglich sein, das Influenza-Virus der Schweinegrippe mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nachzuweisen.

Mathys informierte auch über den Stand der Abklärungen und der Verdachtsfälle. Derzeit gelten neben dem einen bestätigten Fall, einem 19-Jährigen aus dem Kanton Aargau, 29 Personen als Verdachtsfälle. Alle kehrten aus Mexiko in die Schweiz zurück.

Panne mit Patienten

Der junge Mann ist jetzt isoliert im Kantonsspital Baden. Am Mittwoch aber war er kurzzeitig entlassen worden.

«Der Patient hatte kein Fieber und keine Symptome mehr während drei Tagen», sagte Jürg Beer, Chefarzt am Kantonsspital Baden.

Er habe einen negativen Befund für Influenza A und B, also der klassischen Grippe, erhalten. «Es war auch keine Virenausscheidung mehr nachzuweisen.» Damit sei er entlassungsfähig gewesen.

Zum Zeitpunkt der Entlassung habe man im Spital von der Existenz des neuen Tests nichts gewusst, so Beer weiter. Nach dem positiven Befund wurde der Patient am Mittwochabend gleich wieder einberufen. «Dem Patienten geht es sehr gut. Er ist ein bisschen verärgert. Das verstehen wir.»

Trotzdem mussten nun 11 Angestellte des Spitals nach Hause in Quarantäne geschickt werden, weil sie in Kontakt mit ihm gekommen waren. Etwa 13 weitere Personen, mit denen der Patient am Mittwoch Kontakt hatten, müssen nun ebenfalls zu Hause bleiben und werden ärztlich überwacht.

swissinfo, Christian Raaflaub

Das Bundesamt für Gesundheit BAG hat eine Hotline zu Fragen rund um die Schweinegrippe eingerichtet.

Sie ist unter der Nummer +4131’322’2100 von 08.00 Uhr bis 18.00 Uhr besetzt.

Über Bandansagen werden unter dieser Nummer auch die wichtigsten Informationen vermittelt.

1918: Die Spanische Grippe gilt als die verheerendste Grippe-Pandemie aller Zeiten. Es handelte sich um den Virenstrang H1N1, der besonders junge, gesunde Erwachsene dahinraffte. Experten schätzen die Zahl der Opfer auf 40 bis 50 Millionen.

1957: Bekannt als Asiatische Grippe, wurde der Virenstrang H2N2 zuerst in China nachgewiesen. Zunächst erkrankten hauptsächlich Kinder, später auch ältere Menschen. Weltweit geht man von etwa 2 Mio. Toten aus.

1968: Die Hongkong-Grippe ist die letzte und schwächste der drei Pandemien. Erstmals wurde 1968 das Virus mit dem Strang H3N2 in Hongkong nachgewiesen, von wo aus es sich über die ganze Welt verbreitete. Besonders ältere Menschen erkrankten, insgesamt gab es etwa 1 Mio. Grippetote.

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