Schweiz versöhnt sich mit Frankreich in Davos
Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat die 40. Ausgabe des World Economic Forums (WEF) in Davos eröffnet. Nach einem Treffen der schweizerischen und französischen Regierungsspitzen verlautete, es sei eine Einigung bei der HSBC-Affäre erzielt worden.
Mit einer kapitalismuskritischen Rede forderte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy den Umbau des Finanz- und Währungssystems. Er rief die WEF-Teilnehmer auf, gemeinsam die Lehren aus der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise zu ziehen.
Im Vorfeld von Sarkozys Auftritt vor dem WEF hat ein Treffen mit dem Schweizer Finanzminister Bundesrat Hans-Rudolf Merz stattgefunden. Mit von der Partei war auch der französische Budgetminister Eric Woerth.
«Wir haben jetzt ein Einvernehmen gefunden in Bezug auf die gestohlenen Daten», sagte Merz nach dem Treffen vor den Medien.
So habe erstens Frankreich Kopien der Daten an die Schweiz ausgeliefert. «Zweitens hat man uns versprochen, dass Paris aufgrund dieser Daten keine Gesuche um Amtshilfe stellen wird», sagte Merz.
Und drittens habe Frankreich der Schweiz eine Drittstaatenregelung zugesichert. Diese beinhalte, dass Frankreich die Daten nicht an Drittstaaten liefert, sondern diese Staaten ersuche, allfällige Amtshilfegesuche auf dem offiziellen Weg an die Schweiz zu richten.
«Diese drei Massnahmen sind gegenseitig nützlich und lösen das Problem dieser gestohlenen Daten», sagte Merz: Die Krise mit Frankreich sei damit auf jeden Fall vorbei.
Der Datendiebstahl eines ehemaligen Angestellten der Genfer Privatbank HSBC hatte zu Spannungen zwischen beiden Ländern geführt. Paris benutzte die Tausenden von Daten, um gegen eigene Steuersünder vorzugehen. Bern zeigte sich empört, dass die gestohlenen Daten für Ermittlungen und Amtshilfegesuche genutzt werden sollten, und forderte deren Rückgabe.
Im Dezember beschloss der Bundesrat, die Ratifizierung des neuen Doppelbesteuerungsabkommens mit Frankreich zu sistieren. Dazu meinte Merz: «Wir haben da nur noch eine kleine Differenz.» Diese betreffe eine Interpretationsfrage.
Leuthard fordert Ende der Rhetorik
Bundespräsidentin Doris Leuthard hat in ihrer Eröffnungsrede angesichts der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise ein Ende der Rhetorik gefordert. «Jetzt ist Zeit zu handeln».
Sie forderte in ihren Grusswort Politik und Wirtschaft auf, nicht zu den Praktiken vor der Krise zurückzukehren. Eine Regulierung des Finanzsystems sei unbedingt nötig. Sie appellierte dabei insbesondere an die Bankiers, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Strategien für nachhaltiges Wachstum zu unterstützen.
Zudem müssten die grossen Industrie- und Schwellenländer im Kampf gegen den Protektionismus endlich ernst machen und die Doha-Runde für eine Liberalisierung des Welthandels zu einem erfolgreichen Abschluss bringen.
Zwar hätten Regierungen, Zentralbanken und Wirtschaftsführer im Gegensatz den 1930er Jahren erstmals grenzübergreifend gemeinsam gegen die schlimmste Krise seit 80 Jahren Front gemacht, um einen Kollaps der Finanz- und Wirtschaftswelt zu verhindern. Heute bestehe in vielen Punkten Einigkeit darüber, was tun sei.
Aufruf zu Haiti-Hilfe
Ein Rückkehr zum alten System sei nicht möglich, betonte auch WEF-Gründer Klaus Schwab zum Auftakt. Nach der Finanzkrise 2009 ortete er im laufenden Jahr die gesellschaftliche Krise. Diese könne leicht zur Generationenkrise werden, wenn die echte Problemlösung weiter aufgeschoben werde.
Schwab kündigte zudem eine Initiative für das erdbebengeschädigte Haiti an. «Die Mitmenschen in Haiti brauchen unsere Hilfe», rief er den Wirtschaftsführern und Spitzenpolitikern zu.
Positiverer Blick in die Zukunft
Eine traditionell vor dem Treffen von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) vorgelegte Umfrage in 54 Ländern zeigt, dass zwei Drittel von 1200 weltweit befragten Spitzenmanagern bessere Wirtschaftsaussichten in diesem Jahr erwarten. Danach setzen die Unternehmen wieder auf Aufschwung.
Von den von PWC befragten Firmenchefs blicken 81% wieder optimistischer in die Zukunft, nur 16% gaben an, dass sie pessimistisch bleiben. Das ist ein deutlicher Unterschied zum vergangenen Jahr. Rund 90% glauben an ein Wirtschaftswachstum innerhalb der kommenden drei Jahre.
Zwar will noch immer ein Viertel der Unternehmensführer Arbeitsplätze abbauen, doch fast 40% planen Aufstockungen.
swissinfo.ch und Agenturen
Die Finanz- und Wirtschaftskrise stehen im Zentrum der Diskussionen der Eliten aus Politik und Wirtschaft am World Economic Forum (WEF) im bündner Ferienort Davos.
Rund 30 Staats- und Regierungschefs, über 60 Minister und zahlreiche Zentralbanker haben ihr Kommen angekündigt.
Auch die Wirtschaftskapitäne sind stark vertreten an dem fünftägigen Treffen.
Ingesamt kommen über 2500 Teilnehmer aus mehr als 90 Ländern. Die Veranstaltung steht unter dem Motto: «Den Zustand der Welt verbessern: überdenken, umgestalten, erneuern».
Das World Economic Forum wurde 1971 als «Management Symposium» von Klaus Schwab gegründet.
Das WEF ist eine nicht profit-orientierte Stiftung nach Schweizer Recht. Sie setzt sich für ein Unternehmertum im globalen öffentlichen Interesse ein. Die von rund tausend Mitgliederfirmen getragene Stiftung hat ihren Sitz in Cologny, Genf.
Die Organisation sieht sich als Dialog-Plattform zwischen Entscheidungsträgern, als Hilfsinstrument für strategische Entscheide und als Katalysator für verschiedene Initiativen, die den «Zustand der Welt» verbessern wollen.
Das WEF organisiert weltweit Symposien, fördert Initiativen und Arbeitsgruppen, realisiert Studien und schlägt Master-Programme vor.
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