Schweizer Gauchos kommen zurück
Hunderte von Argentinien-Schweizern kehren in die Schweiz zurück. Sie fliehen vor der grossen Wirtschaftskrise.
Die meisten landen in Zürich oder Genf und sind auf Sozialhilfe angewiesen.
Über 400 argentinisch-schweizerische Doppelbürger haben dieses Jahr ihre Heimat in Argentinien verlassen und kommen zurück in die Heimat ihrer Väter und Grossväter. Diese waren als Armutsflüchtlinge seinerzeit nach Südamerika ausgewandert – nun findet eine eigentliche Rückwanderung statt.
«Für die Doppelbürger ist die Schweiz sehr attraktiv», sagt Nicoletta Regazzi Pfeiffer.
Die Leiterin der Sozialdienste bei der Schweizer Botschaft in Buenos Aires gibt aber zu bedenken: «Viele kennen weder Land noch Leute, aber die Schweiz übt in diesen schwierigen Zeiten eine enorme Anziehungskraft aus.»
Viele der Rückwanderer sprechen nur Spanisch und sind, in der Schweiz angekommen, sofort auf Sozialhilfe angewiesen.
Die Schweiz ist verpflichtet, diesen Doppelbürgern zu helfen. In Argentinien hingegen hat die dortige Staatsbürgerschaft Vorrang, Schweizer Bundeshilfe vor Ort beschränkt sich allein auf Schweizer Bürger, umfasst aber die Doppelbürger nicht.
Fast 15’000 Doppelbürger leben in Argentinien – täglich landen mehrere von ihnen in der Schweiz – Tendenz zunehmend.
Die meisten lassen sich in Zürich und Genf nieder.
Dramatische Peso-Abwertung
Vor einem Jahr wertete die argentinische Regierung den Peso massiv ab – die Währung ist im Verhältnis zum Schweizer Franken dadurch heute vier mal weniger wert. Dramatisch – wie sich am Beispiel der freiwilligen AHV zeigt.
Der Jahresmindestbeitrag von 756 Franken wird für die Auslandschweizer unerschwinglich. Umgerecht in Peso entspricht dies einem Jahressalär eines argentinischen Volksschullehrers.
Wer die AHV-Beiträge nicht zahlt, fliegt nach zwei Jahren aus dem AHV-System.
Eine mögliche Lösung sieht Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO), in einer Stundung der Beiträge, bis sich die argentinische Wirtschaft wieder erholen kann: «Dieser Schritt ist dringend nötig.»
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat jedoch für diesen Vorschlag kein Gehör, die rigorose Peso-Abwertung sei nicht höhere Gewalt wie eine Naturkatastrophe, sondern eine konjunkturelle Schwankung.
Keine Verbesserung in Sicht
Die Situation der Schweizer in Argentinien beschäftigt nun auch die Politik in der Heimat. Am Montag beantwortete die Regierung zwei entsprechende parlamentarische Anfragen.
Die beiden Nationalräte Jacques-Simon Eggly (Genf) und Remo Gysin (Basel) wollten vom Bundesrat wissen, ob angesichts der prekären Einkommens-Situation und der Abwertung des argentinischen Pesos nicht eine Senkung der Beiträge angebracht sei.
In seiner Antwort bedauert der Bundesrat, dass die Auswanderer angesichts der Wirtschaftskrise in Argentinien Schwierigkeiten haben, ihre AHV-Beiträge zu bezahlen. Die freiwillige AHV bilde jedoch zusammen mit der obligatorischen Altersvorsorge der Schweizer Bevölkerung eine Einheit. Die Regierung sieht deshalb keine Möglichkeit, den Mindestbeitragssatz an die jeweilige Situation eines Landes anzupassen.
Eldorado Pampa
Ab 1860 bis in die 40er Jahre verliessen rund 40’000 grösstenteils arme Auswanderer die Schweiz und erhofften sich in Argentinien das grosse Glück. Die meisten liessen sich in Buenos Aires nieder, aber auch in der Pampa Santa Fés oder in der Region von Cordoba.
Zur Zeit der grossen Weltwirtschaftskrise siedelten Schweizer Auswanderer auch im Dreiländereck zu Paraguay und Brasilien – Tausende von Deutschschweizern liessen sich im Dschungelgebiet der nördlichen Provinz Missiones nieder – viele sind völlig verarmt.
swissinfo, Peter Salvisberg und Sergio Regazzoni
500 Argentinien-Schweizer sind bis Ende November in die Schweiz zurück gekehrt.
15’000 Schweizerinnen und Schweizer leben momentan in Argentinien.
10 % der im Jahr 2001 Zurückkehrenden Ausland -Schweizer kamen aus Argentinien.
Bisher hat die Schweiz rund 2,5 Mio. Fr. für die Heimkehrer aufgewendet (ohne Kantonsbeiträge).
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