Swisscom-Aktie fürs Volk
Im Rahmen der Swisscom-Privatisierung strebt die Schweizer Regierung eine möglichst breite Streuung ihrer Aktien an.
Der Bundesrat hat am Mittwoch ein beschleunigtes Vernehmlassungs-Verfahren eröffnet und will den Kleinaktionären ein Sonderangebot machen.
Mit seinem Vorgehen will der Bundesrat dafür sorgen, dass die Swisscom-Aktien bei der anvisierten Abgabe der Bundesmehrheit möglichst breit gestreut werden. Kleinaktionäre sollen Aktien deshalb bevorzugt und zu einem billigeren Preis als institutionelle Anleger beziehen können, wie EFD-Sprecherin Elisabeth Meyerhans sagte.
Damit verzichtet der Bundesrat bewusst auf einen Verkauf zum höchstmöglichen Preis. Er will dafür gute Voraussetzungen schaffen, damit die Swisscom unabhängig bleiben kann.
Verzichtet hat der Bundesrat auch auf den Vorschlag von Justizminister Christoph Blocher, allen Bürgern Gratisaktien abzugeben. Das Gespenst der Gratisaktie sei vom Tisch, sagte Meyerhans.
Weitere flankierende Massnahmen
Die Regierung hat für ihre Vernehmlassungs-Vorlage weitere flankierende Massnahmen evaluiert und will diese den Vernehmlassungs-Teilnehmern in einem separaten Bericht unterbreiten.
Wie bereits im Dezember bekannt gegeben, handelt es sich dabei unter anderem um eine Sperrminorität von 33% oder um die Verschärfung von Vinkulierungs-Bestimmungen.
All diese weiteren flankierenden Massnahmen seien aber momentan nicht Teil des bundesrätlichen Konzepts, schreibt das EFD. Der Bundesrat weist im Übrigen darauf hin, dass auch die Swisscom selber mittlerweile der Abgabe der Bundesmehrheit positiv gegenüber steht.
Begründet wird der Verkauf nach wie vor mit dem Willen, der Swisscom mehr Freiheit zu geben und den Bund vor politischen Risiken abzusichern.
Im Sommer im Parlament
In der am Mittwoch eröffneten Vernehmlassung können sich die Kantone, politischen Parteien, Dachverbände der Wirtschaft und andere interessierte Kreise in einem verkürzten Verfahren bis zum 6. März 2006 zur Abgabe der Bundesbeteiligung der Swisscom äussern.
Gemäss dem Zeitplan sollte die parlamentarische Behandlung der Swisscom-Privatisierung in der Sommersession des Parlaments möglich sein, hiess es. Im Falle eines Referendums würde damit eine Volksabstimmung am 11. März 2007 möglich.
Unterschiedliche Reaktionen
Dem Vorschlag einer Swisscom-Volksaktie ist bereits breiter Widerstand erwachsen. Christlichdemokraten, Sozialdemokraten und Gewerkschaften lassen sich nicht von ihrer Opposition gegen eine Privatisierung abbringen, und auch die Schweizerische Volkspartei (SVP) reagierte skeptisch. Der bundesrätliche Vorschlag der Volksaktie erhielt nur von den Freisinnigen Rückendeckung.
Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse begrüsste die Privatisierungspläne für die Swisscom erneut. Wichtig sei, dass die Privatisierung rasch erfolge und konsequent umgesetzt werde, hiess es. Der Ertrag aus der Privatisierung sei zum Abbau der Schulden zu verwenden. Zum Vorschlag, den Kleinaktionären ein Sonderangebot zu machen, wollte economiesuisse vorerst noch keine Stellung nehmen.
Die Abgabe von Volksaktien gefährdet im Urteil der Gewerkschaft Kommunikation die Unabhängigkeit der Swisscom. Wenn die Swisscom in der Hand des Volkes bleiben solle, dann müsse sie der Bundesrat in der Obhut des Staates belassen, teilte die Gewerkschaft mit. «Dieser Vorschlag ist keine flankierende Massnahme, sondern vielmehr eine Massnahme zur Schwächung der Swisscom», sagte Gewerkschaftspräsident Christian Levrat.
swissinfo und Agenturen
Am 23. November 2005 kündigt die Schweizer Regierung an, die Aktienmehrheit von 66,1% des Bundes an der Swisscom zu verkaufen.
Wenig später untersagt die Landesregierung Swisscom jegliche Käufe im Ausland. Die Übernahme-Verhandlungen mit der irischen Eircom werden darauf in letzter Minute eingestellt.
Am 2. Dezember 2005 äussert sich die Regierung zu ihrem Verbot von Auslandkäufen. Es gehe dabei lediglich um Geschäfte mit der Festnetztelefonie, heisst es.
Am 20. Januar 2006 tritt Swisscom-Chef Jens Alder nach dem offnen Streit mit der Schweizer Regierung zurück. Sein Nachfolger wird Carsten Schloter.
Das Vernehmlassungs-Verfahren ist eine Eigenheit des politischen Systems der Schweiz. Die Regierung eröffnet es vor dem Erlass eines neuen Gesetzes oder einer Gesetzesänderung.
Bei diesem Konsultations-Verfahren können sich die Kantone, die im Parlament vertretenen Parteien, die Dachverbände der Gemeinden, Städte und der Berggebiete, die Dachverbände der Wirtschaft sowie weitere interessierte Kreise äussern.
Das Vernehmlassungs-Verfahren erlaubt es der Regierung, dem Parlament Gesetzesentwürfe vorzulegen, in denen die unterschiedlichen Meinungen möglichst schon berücksichtigt sind. Damit ist auch die Gefahr eines Referendums kleiner.
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