Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

UBS-Einigung: “Es ist zu früh zum Jubeln”

Keystone

Für die Schweizer Presse ist die UBS nach der Grundsatz-Einigung in der US-Steueraffäre noch nicht aus dem Schneider. Auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf äusserte sich diesbezüglich verhalten. Die Ausland-Presse erwartet weiteren Druck auf das Bankgeheimnis.

Bedenken seien nicht unbegründet, sagte Justizminsterin Eveline Widmer-Schlumpf in einem Interview, das in mehreren Sonntagszeitungen veröffentlicht wurde.

In den Vergleichsverhandlungen mit den USA gehe es in den verbleibenden fünf Tagen noch um Einzelheiten, “die für uns von einiger Bedeutung sind”, sagte sie und fügte hinzu: “Sollten wir hier nicht eine Einigung finden, die unserem schweizerischen Recht entspricht, wäre ein Vergleich in Frage gestellt.”

Anders tönt es bei ihren Bundesratskollegen. Bundesrat Ueli Maurer würdigte die Grundsatzeinigung als Schritt in die richtige Richtung. Die UBS habe nun “die Chance, das zu regeln und endlich wieder Fuss zu fassen,” sagte er am Samstag in der “Tagesschau” des Schweizer Fernsehens.

Maurer zeigte sich zudem überzeugt, “dass wir das Bankkundengeheimnis für die Privatsphäre der Bankkunden schützen können, auch in Zukunft.”

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zeigte sich am Freitag in Washington bei einem Treffen mit ihrer Amtskollegin Hillary Clinton über die Grundsatzeinigung “sehr zufrieden”.

Spekulationen

Die Sonntagspresse spekulierte über die noch offenen Fragen. Der Vergleich sehe keine Busse für die UBS vor, schrieben sowohl NZZ am Sonntag als auch SonntagsZeitung. Beide Zeitungen gehen zudem davon aus, dass die USA die Daten von rund 5000 UBS-Konten erhalten soll.

“Dem Bundesrat gelingt der Befreiungsschlag im Fall UBS”, schreibt die NZZ am Sonntag. Diese grundsätzliche Übereinkunft bestätige, dass die Strategie des Bundesrats zur Lösung dieser Krise richtig war.

Dass es so weit gekommen ist, verdanke die Schweiz zu guten Teilen US-Aussenministerin Hillary Clinton. “Im US-Aussenministerium ist die Schweiz grundsätzlich positiv angeschrieben. Die zahlreichen Vermittlerdienste in den letzten Monaten und Jahren haben hier Bonuspunkte gebracht, die sich jetzt auszahlen”, so die Zeitung.

Kritik an Bundesrat und UBS

“Das Feuer ist gelöscht, jetzt brauchen wir eine Strategie”, fordert die NZZ am Sonntag gleichzeitig in einem weiteren Kommentar. Die krisenbedingte Dürre bei den Steuereinnahmen unserer europäischen Nachbarn werde die Debatte um das Bankgeheimnis immer wieder aufflammen lassen.

“Die Machbarkeit einer Quellensteuer sollten nun jene Kreise rasch abklären, die es jahrelang verschlafen haben, einen ‘Plan B’ zu entwickeln: die Bankiervereinigung und der Bundesrat”, heisst es weiter.

Kritik wird von der Presse auch an der UBS geübt. “Die UBS steht bei der Schweiz schon jetzt in der Schuld. Stellen Sie Rechnung, Herr Merz?”, fragt die SonntagsZeitung und verlangt, dass die Grossbank den Staat für all die Aufwendungen entschädigen soll.

“Peitschenschwinger sind bereit”

Für die SonntagsZeitung ist die UBS mit der Grundsatzeinigung noch nicht aus dem Schneider. “Es wird weiter gedealt, und damit ist noch sehr vieles in Sachen Vergleich offen.”

Kritisch zeigt sich diesbezüglich auch der Sonntag. “Die Schweizer Grossbank bleibt trotz einer möglichen Einigung mit den USA unter Druck”, schreibt die Zeitung. “Zum Jubeln ist es zu früh.”

Die Schweiz zahle möglicherweise einen hohen Preis für die Einigung. “Gratis gibt es von den Amerikanern nichts.”

Für die Schweiz habe ein Vergleich einen bitteren Nachgeschmack. Sie müsse eigenes, souveränes Recht beugen, um die Grossbank aus der Schusslinie zu nehmen. “Bald werden wohl weitere Staaten auf den Geschmack kommen. Die Peitschenschwinger in der EU stehen schon bereit.”

Ende des Bankgeheimnisses?

Während die New York Times in der gestrigen Ausgabe von einem Nachgeben des US-Justizministeriums in einem der wichtigsten Verfahren der letzten Jahre gegen Steuerhinterzieher und Steuerparadiese spricht, berichteten andere ausländische Zeitungen von einem Nachgeben der Schweiz und vom Ende des Bankgeheimnisses.

“Falls die UBS Kundennamen herausgibt, könnte dies den Steuerbehörden anderer Länder als Präzedenzfall dienen und das Schweizer Bankgeheimnis weiter aufweichen”, schrieb die britische Financial Times auf der Frontseite.

Ähnlich äusserte sich die Washington Post: “Wenn die Schweiz aufgrund der aussergerichtlichen Einigung Kundennamen und Konteninformationen preisgibt, wäre dies ein schwerer Schlag für ihr Bankgeheimnis, das dazu beigetragen hat, dass die Schweiz eine Macht im Bankgeschäft geworden ist.”

“Wenn das Ausland nicht mehr ans Bankgeheimnis glaubt, besteht es faktisch nicht mehr”, folgert daraus die Zeitung Sonntag.

Corinne Buchser, swissinfo.ch und Agenturen

Auch wenn die Parteien Stillschweigen über den Inhalt der am vergangenen Freitag zu Stande gekommenen Grundsatzeinigung vereinbart haben, wurde am Wochenende in Umrissen erkennbar, wie der Deal aussehen könnte.

Die USA werden der Schweiz ein neues Amtshilfegesuch zur Herausgabe von Kundendaten der UBS stellen. Dies bestätigte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Sonntag zu einem Bericht der NZZ am Sonntag.

Demnach sagte der Leiter der Schweizer Verhandlungsdelegation, EDA-Staatssekretär Michael Ambühl: “Die Schweizer Rechtsordnung bleibt gewahrt, weil sich die USA verpflichtet haben, auf der Basis der bestehenden Abkommen zu agieren und nochmals um Amtshilfe zu ersuchen.”

Weitere Kundendaten der UBS sollen der US-Justiz nur auf begründeten Verdacht ausgehändigt werden. Ein einfacher Verdacht reiche nicht, sagte auch Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf gegenüber der Südostschweiz am Sonntag.

Bundespräsident Hans-Rudolf Merz schloss im SonntagsBlick nicht aus, dass das im Juni revidierte Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA nochmals angepasst werden müsse.

Offen bleibt, welche Zugeständnisse die Schweiz gemacht hat. Das US-Justizministerium hatte früher klar gemacht, dass jede aussergerichtliche Einigung mit der Offenlegung einer “signifikanten Zahl” von Individuen unter den UBS-Kunden verbunden sein müsse.

Die UBS selber äusserte sich nach wie vor nicht zum Vergleich, der entgegen früheren Spekulationen offenbar nicht mit einer weiteren Milliardenzahlung verbunden ist.

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft