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Volk sagt Ja zur Revision der Invalidenversicherung

Für Invalide wird das Leben mit der Revision nicht einfacher. Keystone

Mit einem Ja-Anteil von knapp 60% haben die Stimmenden am Wochenende der 5. IV-Revision zugestimmt. Sie setzt auf mehr Integration von Behinderten, bringt aber auch einen Leistungsabbau.

Die Vorlage stiess vor allem in der deutschen Schweiz auf eine klare Zustimmung. In der Westschweiz sagten vier Kantone nein. Die Stimmbeteiligung lag bei unterdurchschnittlichen 36%.

Die von einigen Behindertenorganisationen und der Linken bekämpfte Vorlage nahm die Hürde des Referendums mit 1’039’029 Ja (59,1%) gegen 719’388 Nein (40,9%).

Das Ständemehr war für die Gesetzesrevision nicht verlangt, wäre aber auch kein Problem gewesen. Ein Nein gab es nur in vier Westschweizer Kantonen. In der Romandie und im Tessin kam die Revision allgemein schlechter weg als in der Deutschschweiz.

Der höchste Ja-Stimmenanteil resultierte im Halbkanton Appenzell Innerrhoden mit 79,6%, gefolgt von Thurgau mit 68,5%.

Dahinter folgten Glarus mit 68% und Aargau mit 66,7%. Weitere 10 Kantone meldeten eine Zustimmung von über 60%.

Sehr eng war das Resultat mit 50,7% Ja in Basel-Stadt. Verhältnismässig knapp stimmten auch die Waadt (52,5) und das Tessin (53,4%) zu.

Recht deutlich verworfen wurde die Revision mit 54,6% im Kanton Jura. Genf sagte mit 50,9% Nein, Freiburg und Neuenburg mit hauchdünnen 50,1%.

500 Millionen Ensparungen jährlich

Die nun vom Volk angenommene Gesetzesrevision erschwert den Zugang zur Invaliden-Rente, stärkt aber Früherkennung, Früherfassung und Eingliederung der Behinderten. Gleichzeitig werden die laufenden Zusatzrenten für Ehegatten und der Karrierezuschlag gestrichen.

Das Referendum war von den beiden Behindertenorganisationen Zentrum für selbstbestimmtes Leben und Cap Contact ergriffen worden. Unterstützt wurden sie unter anderem von den Grünen, den Sozialdemokraten und dem Gewerkschaftsbund.

Polemik um Kampagne

Grosse Behindertenorganisationen wie Procap und Pro Infirmis verzichteten auf eine Empfehlung. Die Befürworter im bürgerlichen Lager und in der Wirtschaft stellten das Argument der Missbrauchs-Bekämpfung ins Zentrum ihrer Kampagne.

Polemik gab es um den Begriff der “Scheininvaliden” und um die Provokation des Gewerkschaftsbunds mit Fotomontagen von behinderten Bundesräten.

Bundesrat, bürgerliche Parteien und Arbeitgeber unterstützten die Vorlage als unverzichtbaren ersten Schritt zur Gesundung der IV, die auf einem Schuldenberg von 10 Milliarden sitzt und heute täglich weitere vier bis fünf Millionen verliert.

Wenn Missbräuche bekämpft würden, diene dies allen und vorab den Behinderten selbst.

swissinfo und Agenturen

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Invaliden-Versicherung

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Invalidenversicherung (IV) ist eine obligatorische Versicherung. Sie sichert den Versicherten die Existenzgrundlage, wenn sie invalid werden. Dies geschieht mittels Eingliederungsmassnahmen oder Geldleistungen. Die IV subventioniert auch speziell eingerichtete Institutionen. Die Versicherung wird zu rund 40% von Beiträgen der Erwerbstätigen und Arbeitgeber finanziert. Der Rest stammt aus öffentlichen Geldern.

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Die 5. IV-Revision bringt eine Mischung aus Sparmassnahmen, strengeren Anforderungen an Rentenbezüger und eine stärkere Integration von Behinderten im Arbeitsleben.

Insgesamt sollen damit jährlich rund 500 Mio. Fr. eingespart werden.

Strengere Anforderungen: Ein erschwerter Zugang zur IV-Rente soll die Zahl der Neurenten um 15 bis 20 % senken.

Früherfassung: Durch eine schnellere Meldung an die IV sollen frühzeitig Massnahmen gegen eine Invalidität ergriffen werden können.

Integration: Speziell psychisch behinderte Personen (in den letzten Jahren auf nunmehr rund 40% aller IV-Bezüger gestiegen) sollen mit geeigneten Massnahmen besser beruflich eingegliedert werden.

Anreize: Arbeitgeber werden nicht zur Beschäftigung Behinderter verpflichtet, es gibt aber neu einige Anreize in Form von Entschädigungen.

Sparmassnahmen: Laufende Zusatzrenten für die Ehegatten von IV-Rentnern werden aufgehoben, was die IV um gut 100 Mio. Fr. pro Jahr entlasten soll.

Während Eingliederungsmassnahmen werden keine Taggelder mehr bezahlt an Personen, die nicht erwerbstätig waren.

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