Waffenexporte nach Pakistan in Frage gestellt
Nach dem Islamabad Anfang November den Ausnahmezustand ausgerufen hat, könnte die Schweizer Regierung am Mittwoch den Waffenexport nach Pakistan unterbinden.
Da sie das Kriegsmaterialgesetz für zu wenig streng halten, haben linke Organisationen die eidgenössische Volksinitiative «Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» eingereicht.
Dieses Mal könnte der Bundesrat, die Schweizer Regierung, den Forderungen der Linken folgen.
Bereits zum dritten Mal haben diese die Schweizer Regierung aufgefordert, die Lieferung von 21 Fliegerabwehrsystemen samt Munition der Firma Oerlikon Contraves an Pakistan zu suspendieren. Der Wert der Rüstungsgüter: 136 Mio. Franken.
Nachdem der pakistanische Präsident Pervez Musharraf den Ausnahmezustand ausgerufen hat, muss der Bundesrat am Mittwoch in Bezug auf diese Waffenexporte nach Pakistan einen Entscheid fällen. Der grüne Nationalrat Josef Lang hat einen Waffenexport-Stopp gefordert.
Gemäss Lang zeigten die Waffenexporte nach Pakistan, dass das Kriegsmaterialgesetz zu wenig streng sei. Linke Organisationen haben deshalb letzten September eine eidgenössische Volksinitiative eingereicht: Sie fordern ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten.
Eingeschränkte Exporte
Gemäss Kriegsmaterialgesetz ist es verboten, Waffen in Krisenregionen zu liefern. In Artikel 22 werden jedoch Kriegsmaterial-Lieferungen ins Ausland bewilligt, wenn dies dem Völkerrecht, den internationalen Verpflichtungen und den Grundsätzen der Schweizer Aussenpolitik nicht widerspricht.
Auch die Kriegsmaterial-Verordnung schreibt verschiedene Bewilligungskriterien vor. So sind etwa die Aufrechterhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit, die Respektierung der Menschenrechte, die Situation im Innern des Bestimmungslandes sowie das Verhalten des Bestimmungslandes gegenüber der Staatengemeinschaft zu berücksichtigen.
Vorgesehene Verbesserungen
«Diese Kriterien können verschieden interpretiert werden», sagt Joël Lanfanconi vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Das Seco ist zusammen mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) für die Waffenexportkontrolle zuständig.
«Die Erfahrung zeigt, dass die zuständigen Bundesämter in politisch heiklen Fällen die Lage unterschiedlich einschätzen. Es ist deshalb schwierig, genaue Regelungen festzulegen.»
Im März 2006 hat die Regierung eine Arbeitsgruppe damit beauftragt, genauere Kriterien auszuarbeiten, und falls Verbesserungen möglich sind, eine Gesetzesrevision zu veranlassen. Das Mandat läuft immer noch.
Für die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), welche die Kriegsmaterial-Initiative lancierte, ist das bestehende Gesetz so oder so unzureichend.
Eine politische Wahl
Andreas Gross, Parlamentarier der Sozialdemokratischen Partei (SP) und Gründer der GSoA, ist da anderer Meinung. Bei den Ausfuhrbewilligungen des Bundesrats handle es sich vor allem um einen politischen Entscheid.
Gemäss Gross helfe das aktuelle Kriegsmaterialgesetz, Waffenexporte in Krisenregionen zu verhindern – sofern es korrekt angewendet werde.
Dies ist jedoch nicht immer der Fall: So haben linke Parlamentarier kürzlich Waffenexporte nach Pakistan und nach Saudi-Arabien verurteilt.
Gross plädiert denn auch dafür, dass die in der Waffenindustrie tätigen Schweizer Unternehmen auf einen anderen Markt wechseln sollten.
«Die Schweizer Wirtschaft kann nicht mit Ländern wie China, Frankreich oder den USA konkurrieren. Dieser Markt-Wettbewerb ist völlig verfälscht», so Gross. Denn: Das Kriegsmaterialgesetz sieht eine Unterstützung dieser Firmen vor.
Spitzenforschung
Die betroffenen Unternehmen sehen das anders. «Die meisten Firmen, die in der Waffenindustrie tätig sind, sind Zulieferer. Sie arbeiten nicht ausschliesslich für die Waffenindustrie», sagt Giovanni Giunta, Generalsekretär der Groupe romand pour le matériel de défense et de sécurité.
«Im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich wird häufig Spitzenforschung betrieben. Indem unsere Firmen an diesen Markt angebunden bleiben, bleiben sie auch in anderen Bereichen wettbewerbsfähig», so Giunta.
swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Corinne Buchser)
Im Jahr 2006 hat der Bundesrat dem SECO folgende Bewilligungen erteilt:
106 Sturmgewehre und 20 Fliegerabwehrsysteme nach Saudia-Arabien
21 Fliegerabwehrsysteme nach Pakistan
140 Sturmgewehre nach Indien
1995 hat die Regierung Pilatus-Flugzeug-Lieferungen nach Mexiko abgelehnt.
Der Bundesrat sprach sich verschiedentlich auch für die Suspendierung von Waffenexporten aus. So zum Beipiel 1998 nach den Atomtests von Indien und Pakistan. Dieser Waffenexport-Stopp wurde 2005 aufgehoben.
Im Jahr 2006 exportierte die Schweiz Kriegsmaterial im Wert von rund 398 Mio. Franken in 62 Länder (2005: rund 259 Mio. Franken). Dies entspricht 0,21% (2005: 0,17%) der Schweizer Exporte.
Die Zunahme der Kriegsmaterialexporte im Jahr 2006 ist namentlich auf die Lieferungen im Wert von 92 Mio. Franken nach Dänemark sowie im Wert von 20 Mio. Franken nach Chile zurückzuführen.
Bezieht man auch in der Schweiz produzierte Einzelteile von Waffen mit ein, belaufen sich die Exporte auf rund 1,6 Mrd. Franken.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch