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«Waffenkenntnis führt zu Respekt»

Nicola Berta ist Waffenhändler mit Leib und Seele: In seiner Werkstatt in Losone kümmert er sich wie ein Arzt um die pflegebedürftigen Feuerwaffen. swissinfo.ch

Fleiss, Professionalität und Leidenschaft brachten Nicola Berta dazu, ein Waffengeschäft zu eröffnen. Nun sieht er sein Lebenswerk durch die Waffeninitiative bedroht. Seiner Meinung nach schafft die Initiative mehr Probleme als sie löst.

Jäger, Schützen und Waffensammler richten ihre Waffen zurzeit vor allem auf ein Ziel: Die Volksinitiative «Für den Schutz vor Waffengewalt». Eine Annahme der Initiative hätte ihrer Meinung nach fatale Folgen für die Schweiz.

Um die Argumente der Gegner besser zu verstehen, hat  swissinfo.ch einen Waffenladen im Tessin besucht: La Bertarmi in Losone bei Locarno. Besitzer Nicola Berta zeigt uns seinen kleinen Betrieb. In der Werkstatt arbeitet er morgens. Den Laden öffnet er am Nachmittag. «Wenn ich könnte, würde ich meine ganze Zeit am liebsten in der Werkstatt verbringen», meint der 45-Jährige.

Der Beruf des Waffenhändlers ist ungewöhnlich. Bei Berta handelt es sich um eine Familientradition. Der Grossvater und auch ein Cousin haben ihm die Leidenschaft für dieses Metier vererbt. Im Alter von 16 Jahren verliess er das Tessin, um in der Deutschschweiz Feinmechaniker zu lernen.

Nach dem Abschluss ging er in die französische Schweiz und absolvierte eine Lehre als Waffenschmied. Mit zwei eidgenössischen Diplomen in der Tasche und der Kenntnis von drei Landessprachen kehrte er ins Tessin zurück, um sich selbständig zu machen. 2002 verwirklicht er seinen Traum und eröffnet einen Waffenladen.

Anstrengung und Zufriedenheit

Er baut sich eine treue Kundschaft auf. Und an Arbeit mangelt es nicht. Seit Eröffnung seines Ladens hat er sich erst drei Wochen Ferien gegönnt. Aber er beklagt sich nicht.

«Ich bin zufrieden, weil ich einen Beruf ausübe, der mir Spass macht», sagt er. Wenn Berta Pistolen und Gewehrläufe zeigt, funkeln seine Augen. Wenn er die Geschichte einer Waffe erläutert, Details einer Waffe zeigt oder seine umfangreiche Bibliothek, ist sein Enthusiasmus nicht zu bändigen.

Zwischen dem Waffenhändler und seinen Kunden gibt es ein Vertrauens-, oft auch ein Freundschaftsverhältnis. Im Laden ist die Atmosphäre freundschaftlich und entspannt.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Suizide und Morde als soziales Problem

Der Ton ändert sich im Laden, sobald das Gespräch auf die Volksinitiative «Für den Schutz vor Waffengewalt» kommt, über die am 13. Februar abgestimmt wird. «Suizide und Morde sind kein Waffenproblem, sondern ein soziales Problem. Diese Initiative wird kein Problem lösen», gibt sich Berta überzeugt. Im Falle einer Annahme der Initiative wird laut Berta die Zahl der Gewalttaten nicht zurückgehen.

«Wer eine andere Person oder sich selbst umbringen will, wird immer einen Weg finden, auch ohne Feuerwaffe», fährt Berta fort. Und provokativ fügt er hinzu: «Warum verbieten wir nicht auch Staumauern und Brücken, damit sich niemand mehr hinunter werfen kann?»

Die Initiative bekämpfe nicht den illegalen Waffenhandel, bestrafe aber die legalen Händler. Berti zeigt die vielen Aktenordner, welche Daten zum An- und Verkauf von Feuerwaffen enthalten. Durch die Initiative würde die Bürokratie auf sinnlose Weise aufgebläht.

Revision des Waffengesetzes

Berta begrüsst es, dass für den Schusswaffenbesitz eiserne Regeln gelten. Die Revision des Waffengesetzes von 2008 sei richtig gewesen: «Aber jetzt reicht es mit den Änderungen.»

Er findet auch die Forderung  nach einem zentralen Register für Feuerwaffen verfehlt. Die Initiative will mit diesem Register erreichen, dass eine Person nicht in mehreren  Kantonen Feuerwaffen einkauft. Laut Berta werden heute alle Daten an die Polizei des Heimatkantons eines Käufers gesendet. «Es reicht, wenn sich die Polizei untereinander austauscht», argumentiert er.

«Das wahre Problem ist der Datenschutz», meint der Anwalt Oviedo Marzorini. Der Datenschutz habe «absurde Ausmasse» angenommen. Seiner Ansicht nach sollte man an diesem Punkt intervenieren. Ein neues zentrales Waffenregister sei viel zu aufwändig und kostspielig.

Schiessen als Sport

Besonders empört ist Nicola Berta über die Forderung der Initiative, wonach Militärangehörige ihre Dienstwaffen nicht mehr mit nach Hause nehmen dürfen. Seiner Meinung nach bedeutet dies das Ende des Schiessens als Breitensport. «Und auch die meisten Schiessanlagen dürften schliessen», prophezeit er.

Er selbst ist in diesem Sport aktiv. Und er behauptet, dass die meisten Schützen in der Schweiz ihre Ordonanzwaffe nutzen, um diesen Sport auszuüben. «Bei Annahme der Initiative können nur die grossen Schiessanlagen überleben», meint Berta.

Er unterstreicht zudem die soziale und kulturelle Rolle der Schützenvereine. Dort würden die Traditionen und die Geschichte des Schiesssports gelehrt und überliefert. «Es gibt keine Gefahren wie beispielsweise in Eishockeystadien.»

Der Schiesssport verlange Konzentration, Kondition und Seriosität, sagt Rechtsanwalt Oviedo Marzorini, der den Verband der Tessiner Schützenvereine (FTST) präsidiert. Er unterstreicht auch die Wichtigkeit für die Jagd. Es sei wichtig, dass Jäger gut ausgebildet seien und ihre Beute mit einem Schuss erlegen könnten.

Militär im Schussfeld

Wer Waffen gut kenne, könne damit auch verantwortlich umgehen, meint Berta.

Der Waffenhändler ist überzeugt, dass die Initiative in Wahrheit auf die Abschaffung der Armee ziele: «Es reicht zu schauen, wer sich hinter dem Initiativkomitee verbirgt: Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee.»

Anwalt Oviedo Marzorini weist darauf hin, «dass die Sozialdemokratische Partei die Abschaffung der Armee zu ihrem langfristigen Ziel erklärt hat». Mit der Waffeninitiative gehe es darum, das Militär zu schwächen.

(Dieser Artikel ist Teil einer Serie zu den Eidgenössischen Abstimmungen vom 13.2.2011. Die Sicht der Befürworter der Initiative wird in einem anderen Artikel vorgestellt.)

Die Volksinitiative «Für den Schutz vor Waffengewalt» wurde 2009 von rund 70 Nichtregierungs-Organisationen eingereicht, darunter pazifistische, christliche und feministische Gruppen.  
 
Die wichtigsten Forderungen: Schaffung eines eidgenössischen Waffenregisters, der Bedarf von Waffen muss nachgewiesen und die erforderlichen Fähigkeiten zum Waffenbesitz müssen vorhanden sein, Militärwaffen werden im Zeughaus aufbewahrt, Erwerb und Besitz von besonders gefährlichen Waffen (automatische Waffen, Pump Guns/Vorderschaftrepetierflinten) sind für Privatpersonen verboten.
 
Die Mitte-Links-Parteien unterstützen die Initiative, während die Rechte dagegen ist. Der Bundesrat (Landesregierung) lehnt die Initiative ab genauso wie eine Mehrheit im Parlament.
 
Die Stimmberechtigten sind am 13. Februar aufgerufen, sich brieflich oder direkt an der Urne zur Vorlage zu äussern. Für eine Annahme ist eine Mehrheit der Stände (Kantone) und des Volkes nötig.

Der Schweizer Schiesssportverband (SSV) zählt zurzeit rund 131‘000 aktive Mitglieder. Der SSV ist ein wichtiger Verband der Dachorganisation Swiss Olympic.

Traditionell verfügt die Schweiz im Schiesssport über gute Athleten und hat internationale Erfolge aufzuzweisen. Bei Olympischen Spielen konnten die Schweizer 20 Medaillen erringen: 6 Gold, 6 Silber, 8 Bronze.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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