WEF: Schweiz will Gespräche mit China forcieren
Die Schweiz will das World Economic Forum (WEF) nutzen, um das Freihandels-Abkommen mit China voranzutreiben. Am Freitag findet ein Treffen zwischen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann und dem chinesischen Handelsminister Chen Deming statt.
«Die Chancen stehen gut, dass wir mit China noch vor der Europäischen Union ein Freihandels-Abkommen abschliessen können», sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann. «Das würde für die Schweiz einen grossen Wettbewerbsvorteil darstellen.»
Laut einer 2010 veröffentlichten Machbarkeitsstudie könnte die Schweiz mit der Aufhebung der Handelshemmnisse Chinas ihr Bruttoinland-Produkt (BIP) um 0,23 Prozent erhöhen und Schweizer Firmen würden dadurch jährlich rund 290 Mio. Franken einsparen.
China stellt für die Schweiz nach der EU und den USA den drittgrössten Exportmarkt dar. In Asien sind insgesamt rund 700 Unternehmen angesiedelt, davon 300 allein in China.
Die Gespräche rund um das Freihandels-Abkommen zwischen der Schweiz und China starteten bereits vor einigen Jahren. Beim Besuch der damaligen Bundespräsidentin Doris Leuthard im August 2010 in Peking wurde eine Absichtserklärung zur Aufnahme von Verhandlungen für ein Freihandels-Abkommen unterzeichnet. Die Detailverhandlungen sind für 2011 geplant.
Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann will das für Freitag geplante Treffen mit dem chinesischen Handelsminister im Rahmen des WEF nutzen, um das Freihandels-Abkommen mit China voranzutreiben.
China auf der Überholspur
Das WEF dient immer wieder als Austauschplattform, wo auf internationaler Ebene Probleme gelöst und Einigungen erzielt werden. So traf sich etwa Doris Leuthard am letzten WEF mit französischen Vertretern, um einen Ausweg aus dem Steuerstreit mit Frankreich zu finden.
Dieses Jahr schaut man gespannt nach Davos, ob Lösungen für die nach wie vor blockierten Doha-Verhandlungen oder die aktuelle Euro-Krise und die verschuldeten EU-Länder gefunden werden.
Die wirtschaftliche und politische Stellung Chinas ist innerhalb eines Jahrzehnts stark gewachsen. Die Wirtschaft blieb von der Finanzkrise praktisch unversehrt. Laut Experten wird China das jährliche Wachstum in den kommenden Jahren weiterhin steigern – und möglicherweise die USA in naher Zukunft überholen.
Neue Märkte
Manch ein Schweizer Unternehmen sieht sich aufgrund der stagnierenden Wirtschaft auf den traditionellen europäischen Märkten und dem zunehmend starken Franken gezwungen, Ausschau nach neuen Märkten zu halten.
Da die Schweizer Exporte teurer und damit für den europäischen Markt weniger interessant werden, müssen sie Ausschau nach neuen Kunden und kostengünstigen Produktionsstätten halten.
Die aktuellen Wechselkurse stellten für jene, die aus der Schweiz herausoperierten und verkauften, ein Problem dar, sagt Tom Malnight, Professor für Strategie und Management an der IMD Business School in Lausanne, gegenüber swissinfo.ch. «Die meisten Firmen halten sich für ausserstande, jedes Jahr Wechelskursänderungen unterworfen zu sein.»
Die Unternehmen müssten in Zukunft viel flexibler und anpassungsfähiger werden und weniger an einen Ort gebunden sein.
Menschenrechte
Die Bemühungen der Schweiz zur Verstärkung der Handelsbeziehungen mit China stossen bei Menschenrechts-Organisationen auf Kritik.
Chinas Präsident Hu Jintao zeigte sich in seiner Rede beim Staatsbesuch in Washington letzte Woche diesbezüglich versöhnlich. Er gestand ein, dass China mehr tun müsse, um die Menschenrechtslage in seinem Land zu verbessern.
Doch viele Kritiker werden erst dann zufrieden sein, wenn konkrete Fortschritte sichtbar sind. Im vergangenen Jahr hatte Thomas Braunschweig von der Entwicklungsorganisation Erklärung von Bern im Gespräch mit swissinfo.ch die Schweizer Regierung aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Profite aus einem Freihandels-Abkommen nicht zuungunsten chinesischer Arbeiter gemacht werden.
«Wir sind nicht gegen Verhandlungen. Diese können der Schweiz mehr Möglichkeiten geben, China zur Beachtung der Menschenrechte zu bewegen», sagte Braunschweig.
«Wir fordern die Einbindung von Klauseln über Menschenrechte in das Freihandels-Abkommen. Wir verlangen zudem eine Vorstudie zum Abkommen über die möglichen Auswirkungen eines Freihandels-Abkommens auf die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der chinesischen Bevölkerung», so Braunschweig.
Als einer der ersten westlichen Staaten anerkannte die Schweiz am 17. Januar 1950 die neu gegründete Volksrepublik China. Gleichzeitig erkannte die Schweiz die Republik China (Taiwan) nicht mehr an.
Die Kontakte zur Volksrepublik gestalteten sich zunächst nicht sehr intensiv. Grund dafür waren interne Wirren in China und der Kalte Krieg. Mit der Teilnahme des chinesischen Ministerpräsidenten Zhou Enlai an der Indochina-Konferenz in Genf betrat die Volksrepublik 1954 erstmals die internationale Bühne.
Seit Deng Xiaoping 1979 seine Politik der Öffnung und der Reformen lancierte, entwickelten sich die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und China kräftig.
Zur Zeit leben knapp 3300 Schweizer in China. Rund 300 Schweizer Firmen sind in China aktiv.
Seit 2002 ist China, inklusive Hongkong, der wichtigste Handelspartner in Asien. Die Schweizer Exporte beliefen sich 2010 auf 5,2 Mrd. Franken (10% weniger als 2008), die Importe auf 4,9 Mrd. Franken (4% weniger als 2008).
Die Schweiz ist für China hinter der EU und den USA der drittgrösste Exportmarkt. Und China ist für die Schweiz nach der EU und den USA der drittgrösste Exportmarkt.
Das 41. WEF-Treffen in Davos findet vom 26. bis 30. Januar statt. Es werden 2500 Führungspersonen aus 90 Ländern erwartet.
Das World Economic Forum wurde 1971 als «Management Symposium» von Klaus Schwab, einem in Deutschland geborenen Geschäftsmann, gegründet.
Das WEF, das diesen Namen seit 1987 trägt, ist eine nicht profitorientierte Stiftung nach Schweizer Recht. Sie setzt sich für ein Unternehmertum im globalen öffentlichen Interesse ein. Die von rund tausend Mitgliederfirmen getragene Stiftung hat ihren Sitz in Cologny, Genf.
Die Organisation sieht sich als Dialog-Plattform zwischen Entscheidungsträgern, als Hilfsinstrument für strategische Entscheide und als Katalysator für verschiedene Initiativen, die den «Zustand der Welt» verbessern wollen.
Das WEF organisiert weltweit Symposien, fördert Initiativen und Arbeitsgruppen, realisiert Studien und schlägt Master-Programme vor. Es führt jährlich eine Anzahl Treffen durch, wobei Davos – immer im Januar – das Flaggschiff ist.
2002 zügelte das WEF für einmal nach New York, aus Solidarität mit der Stadt nach den Terroranschlägen 9/11 im Vorjahr.
Davos hat schon grosse Namen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Show Business angezogen, wie Nelson Mandela, Bill Clinton, Tony Blair, Bono, Angela Merkel, Bill Gates und Sharon Stone.
Je grösser das Forum und sein Status in den 1990er-Jahren wurde, desto mehr wurde es von Antiglobalisierungs-Organisationen kritisiert, die dem WEF Elitismus und Eigeninteresse der Teilnehmer vorwerfen.
(Übertragen aus dem Englischen: Corinne Buchser)
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