Bangen um deutsche Gäste
Trotz weiterhin rückläufigen Logiernächten gibt sich die Tourismusbranche vordergründig optimistisch. Kopfzerbrechen bereitet aber das Ausbleiben der Deutschen.
«Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen wir wegen der Krise im letzten Herbst einen leichten Rückgang. Dennoch sind wir absolut zuversichtlich, dass dies ein guter Sommer wird», meint Silvia De Vito von Schweiz Tourismus gegenüber swissinfo.
Mehr Inländer, weniger Ausländer
Von Januar bis Mai betrug der Rückgang der Logiernächte gegenüber dem Vorjahr rund 6%. Während die Schweizerinnen und Schweizer vermehrt ihre Ferien im eigenen Land verbrachten, ging die Zahl der Gäste aus dem Ausland deutlich zurück.
Gegenüber dem Vorjahr buchten Gäste aus Europa 2,3% weniger Logiernächte, jene aus Übersee 11,5% weniger. Erwartungsgemäss blieben vor allem Gäste aus den USA (-21,7%) und Japan (-27,2%) der Schweiz fern.
Der Rückgang aus Übersee trifft die verschiedenen Schweizer Ferien-Destinationen unterschiedlich. In Luzern (-26,3%) ist das Ausbleiben der US-Touristen deutlich stärker zu spüren als in Grindelwald (-9%) oder Zürich (-12%).
Asien: Hohe Wachstumsraten
Ein starkes Wachstum – wenn auch in absoluten Zahlen (noch) nicht von Bedeutung – verzeichneten asiatische Wachstumsmärkte. Luzern beherbergte diesen Mai deutlich mehr Gäste aus Indien (+13,6%), China (+45,1%) und Korea (+100%) als im Vorjahr.
Dennoch blieb die Zahl der asiatischen Gäste insgesamt in der Vergleichsperiode Januar bis Mai über 10% hinter dem Vorjahr zurück. «Wir sehen der weiteren Entwicklung verhalten positiv entgegen», heisst dazu es bei Luzern Tourismus.
USA: Wenig Rückgang bei Einzelreisen
Aus den USA bleiben vor allem Gruppen- und Incentive-Reisende aus, der Rückgang bei den amerikanischen Individualreisenden ist geringer. «Wir sind positiv überrascht, dass die Amerikaner trotzdem kommen», sagte Joe Luggen, Kurdirektor in Grindelwald, gegenüber swissinfo. «Viele sagen mir, dass sie sich in der Schweiz sicherer fühlen, als wenn sie in den USA herumreisen würden.»
Kopfschmerzen bereitet Luggen weniger der Rückgang der Gäste aus den USA als das Ausbleiben der Deutschen. Im Mai betrug dieser Rückgang 14%, bei einem Deutschland-Anteil von 22% am Gästetotal (USA 12%).
Grosse Rückgänge aus Deutschland
«Wegen den Terroranschlägen meinen nun viele, der grosse Touristen-Rückgang betreffe die Gäste aus den USA. Aber das stimmt nicht: Die grossen Einbrüche betreffen Deutschland, und dies trifft den Gesamttourismus in der Schweiz», betont Luggen. Von Januar bis Mai haben 12,3% weniger Deutsche als im Vorjahr in der Schweiz übernachtet. Dies trifft die Branche hart.
56% aller Touristen in der Schweiz stammen aus dem Ausland, rund die Hälfte davon kommt aus Deutschland. Etwa ein Viertel der insgesamt 13 Mrd. Franken, welche die Tourismusbranche jährlich erwirtschaftet, stammt also von den Gästen aus Deutschland.
Für den Rückgang verantwortlich ist die schlechte Wirtschaftslage im nördlichen Nachbarland. Eine Arbeitslosigkeit von gegenwärtig fast 10%, eine dem Euro zugeschriebene Teuerung, tiefe Börsenkurse und nicht zuletzt der hohe Frankenkurs machen für viele Deutsche die Ferien in der Schweiz zu teuer.
Ein kurzfristige Kampagne in Deutschland wäre deshalb Geldverschwendung, sagte Claudio Duschletta von St. Moritz-Tourismus. «Der Grund, dass die Deutschen nicht kommen, ist nicht, dass sie nicht wollen, sondern, dass sie nicht können.»
Der Rückgang von 30% im Juni sei heftig, das treffe St. Moritz schon. Hinzu kommen Rückgänge bei den Gästen aus den USA (-34%), Japan (-12%) und Belgien (-31%). Für den Engadiner Nobelort entscheidend sei jedoch die Wintersaison. Duschletta hofft auf eine Erholung der deutschen Wirtschaft und auf eine Abschwächung des Schweizer Frankens.
Mit ihm hofft das auch die ganze Branche, denn der Tourismus erwirtschaftet 4% des Bruttoinlandproduktes oder 7% aller Exporteinnahmen. Rund 300’000 Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt vom Tourismus ab.
Hansjörg Bolliger
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