Bankaktien und Dollar im freien Fall
Die Krise an den Finanzmärkten hat sich am Montag verschärft: Weltweit sanken die Börsenkurse massiv, auch in Zürich. Besonders unter Druck waren Banken-Titel. UBS fiel um 14%.
«Es brennt lichterloh», beschrieb ein Börsenhändler in Zürich die Stimmung. Dass die US-Notenbank den Geldhahn weiter aufdrehte, sorgte nicht für eine Beruhigung. Der US-Dollar erreichte ein historisches Tief.
Der Notverkauf der US-Investmentbank Bear Stearns und die überraschende Diskontsatz-Senkung in den USA schickten auch die Schweizer Börse auf Talfahrt.
Die Schweizer Börse SWX schloss am Abend mit 6774 Punkten, 5% unter dem Stand von letztem Freitag. Dies ist der tiefste Stand seit Herbst 2005 – alle 20 Bluechips gaben nach. Auch der deutsche Leitindex Dax stürzte um 4,18%. In Tokio verlor der Nikkei fast 4%.
UBS massiv unter Druck
Vor allem die Banken und Versicherungen standen unter Druck. Die UBS-Aktien stürzten um gut 14% ab. Im Sog der UBS weiteten auch die Aktien der Credit Suisse ihr Minus auf fast 9% aus. An der New Yorker Börse rutschten Lehman Brothers um knapp 40% ab.
Gerüchten über eine allfällige Liquiditätsklemme bei der UBS trat die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) am Montag entgegen. Die beiden Schweizer Grossbanken befänden sich in einer stabilen Liquiditätssituation, sagte EBK-Sprecher Tobias Lux.
Nach der Rettungsaktion für die (bisher) fünftgrösste US-Investmentbank Bear Stearns habe die Sorge vor weiteren Problemfällen im Finanzsektor wieder zugenommen, erklärten Analysten. Die schwer angeschlagene Bear Stearns wird zu einem Spottpreis von der US-Investmentbank JP Morgan Chase geschluckt.
Fed stützt Rettungsaktion
JP Morgan legt für Bear Stearns 236 Mio. Dollar oder 2 Dollar je Aktie auf den Tisch – 93% weniger als der Aktienkurs vom vergangenen Freitag. Die Gesamtkosten des Geschäfts bezifferte JP Morgan auf 6 Mrd. Dollar.
JP Morgan will für sämtliche finanziellen Verpflichtungen von Bear Stearns garantieren. Die Fed ist bereit, zur Finanzierung von Bear-Stearns-Vermögenswerten mit Liquiditätsproblemen bis zu 30 Mrd. Dollar zur Verfügung zu stellen.
Die Aktionäre müssen dem Verkauf von Bear Stearns noch zustimmen. Ein Zusammenbruch von Bear Stearns, bei der etwa 14’000 Menschen arbeiten, hätte nach Ansicht von Experten unabsehbare Folgen für das gesamte Bankensystem gehabt. Handelspartner hätten grosse Verluste fürchten müssen, die Kreditvergabe wäre erheblich eingeschränkt worden.
Überraschende Zinssenkung
Zeitgleich zum Notverkauf von Bear Stearns drehte die Fed den Geldhahn weiter auf. Die Notenbank senkte den Diskontsatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Fed über Nacht Kredite besorgen, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25%.
Die sofort wirksame Diskontsatz-Senkung begründete die Fed damit, dass liquide, gut funktionierende Märkte wesentlich seien, um das Wirtschaftswachstum zu fördern.
Zuletzt hatte sie den Diskontsatz Ende Januar auf 3,5% gesenkt. Es wurde erwartet, dass die Fed an ihrer ordentlichen Sitzung vom Dienstag eine kräftige Senkung ihres Leitzinses, des Zielsatzes für Tagesgeld, beschliesst.
Dollar im freien Fall
Die erhoffte Wirkung blieb aber aus: Der überraschende Schritt der Fed – einen Tag vor dem offiziellen Treffen des Offenmarktausschusses – wurde als eher kontraproduktiv beurteilt. Dies zeige, dass die Lage dramatisch sei, sagte ein Händler.
Der Dollar fiel nach der überraschenden Diskontsatz-Senkung auf neue Rekordtiefs gegenüber Euro und Franken. In der Nacht kostete die US-Währung zeitweise nur noch gut 96 Rappen. Am Freitag war ein Dollar erstmals überhaupt weniger wert als einen Franken.
Rekordhoch für Öl und Gold
Die Dollar-Talfahrt hat am Montag die Preise für Rohöl und Gold auf neue Rekordhochs getrieben. Die wichtige US-Ölsorte WTI verteuerte sich um bis zu 1,4% auf 111,80 Dollar je Fass.
Nordseeöl der Sorte Brent stieg in der Spitze um 1,7% auf 107,97 Dollar pro Fass. Der Preis für eine Feinunze (31,1 Gramm) Gold zog zeitweise um knapp 4% auf 1030,80 Dollar an.
Auch für die Rekordjagd des Rohöls machten Analysten vor allem die Turbulenzen an den Devisenmärkten verantwortlich. Viele Anleger investierten verstärkt in Rohstoffe, um sich damit gegen Inflationsgefahren abzusichern.
swissinfo und Agenturen
Trotz der Krise an den Finanzmärkten bleiben die Wachstumsaussichten für die Schweizer Wirtschaft positiv.
Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) hat am Montag ihre Prognose bestätigt. Sie rechnet 2008 mit einem Wachstum von 2,1%, 2009 mit 2%. Damit geht die KOF einig mit Basel Economics (BAK). Die Basler Konjunkturforscher hatten am Freitag ebenfalls 2,1% und 2% vorausgesagt.
Etwas weniger optimistisch ist der Internationale Währungsfonds. Er sieht für die Schweiz im laufenden und im nächsten Jahr ein Wirtschaftswachstum von knapp unter 1,5%.
Gemäss den Experten sollte die Schweiz die Finanzkrise ohne gravierende Blessuren überstehen, obwohl namentlich die Exportindustrie unter dem sehr schwachen Dollar leidet.
Auf der Habenseite stehen eine robuste Binnenkonjunktur und ein starker Privatkonsum.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch