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Bundesrat «Blogger»

Moritz Leuenbergers Blog generiert ein grosses Echo.

Nun ist auch Medienminister Moritz Leuenberger, als erstes Mitglied der Landesregierung, ein Blogger. Also einer jener, die ihre Gedanken tagebuchartig ins Internet stellen.

Damit steigt Leuenberger auf in die Riege hochkarätiger internationaler Politiker, die ihre Ideen und nicht zuletzt ihren Wahlkampf auch mit dem modernen Mittel Weblog anreichern.

Moritz Leuenberger hat prominente Mitblogger: US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton oder Nicolas Sarkozy, der französische Präsidentschaftskandidat und seine Konkurrentin, Ségolène Royal.

Es ist aufwändig, einen wirklich guten Blog zu führen, denn Bloggen ist keine Einweg-Kommunikation. Es reicht nicht, einfach seine Gedanken der Öffentlichkeit preiszugeben. Ein guter Blogger sollte auch zitieren, auf Blogs anderer eingehen und versuchen, eine Diskussion über die Grenzen des eigenen Weblogs hinweg zu führen.

Wieweit dies Bundesrat Moritz Leuenberger gelingt, wird die Zukunft zeigen. Mit seinem Einstiegsartikel zum Thema CO2 hat er erfolgreich ein politisch wichtiges, auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiertes Thema gewählt.

Das Resultat lässt sich sehen: Innerhalb der ersten 24 Stunden haben seinem Blog weit über 10’000 Personen einen Besuch abgestattet – und mehr als 400 haben einen Kommentar hinterlassen.

Mehr Positives…

Die Kommentare sind zum grössten Teil positiv, lobend, begeistert:

«Bravo! Belle initiative et bonne chance pour votre blog!»

«…gratuliert Ihnen zu Ihrem Blog-Versuch und hofft, dass Sie als Angestellter des Souveräns, mit diesem nicht mehr ganz jungen Medium direkter in Beziehung mit Ihrem Chef treten können.»

«chapeau, willkommen in der blogosphäre! …jetzt nur regelmässig schreiben und die sache ist perfekt.»

«Jetzt sind wir ‹Kollegen›, wenigstens beim Bloggen!»

…als Negatives

Natürlich sind nicht alle Beiträge Ausdruck eitler Freude:

«Wieder ein genialer PR-Streich Deinerseits. Dass es Dir schon immer mehr um die Vermarktung Deiner eigenen Person als um die Regierungsgeschäfte ging, ist uns ja mittlerweile bekannt.»

«…es könnte noch näher und persönlicher werden als nur auf einem Keyboard herumzutippen. Ich habe einmal im Jahr Zeit für eine persönliche Unterhaltung, damit würden die Augen geschont, die Muskulatur ermüdet weniger und vor allem: es wird Energie gespart.»

Relativ wenig Unflätiges

Dass die positiven Beiträge überwiegen, bestätigt auch Matthias Brüllmann vom Presse- und Informationsdienst des UVEK, des Departements von Umwelt- und Energieminister Moritz Leuenberger: «Wir haben bisher mit ganz wenigen Ausnahmen alles durchwinken können.»

Leuenberger sieht seinen Blog als Experiment. Er will herausfinden, ob sich damit ein breiterer Austausch mit politisch Interessierten erzielen lässt als mit den herkömmlichen Kommunikationskanälen per Brief oder E-Mail.

Vertrauliche Informationen wird man dort vergebens suchen. Leuenberger umschreibt die Grenzen dieses Projektes auf seinem Blog selbst: «Ich kann beispielsweise nicht Bundesratsbeschlüsse zur Diskussion stellen. Ich könnte sie allenfalls erklären. Ich kann auch nicht neue wichtige Vorhaben oder Berichte im Blog kundtun.»

Direkter Kontakt

In Micheline Calmy-Reys Departement für auswärtige Angelegenheiten hat man zwar schon über Blogs gesprochen, denkt aber momentan nicht an eine Einführung.

Mit ihren Direktgesprächen zielt die sozialdemokratische Bundespräsidentin in dieselbe Richtung wie das Projekt von Partei- und Amtskollege Leuenberger: Die Suche nach einer anderen Form von Kontaktnahme und Austausch mit der Bevölkerung.

Und das macht sie laut Mediensprecher Johann Aeschlimann auf die konventionellste Art, die man sich denken kann: «Sie spricht mit den Menschen.»

Departement Blocher: Andere Prioritäten

Im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) setzt man eigene Prioritäten. So sagte Livio Zanolari, Sprecher von Bundesrat Christoph Blocher, gegenüber swissinfo, das EJPD erhalte jeden Monat rund 2000 Bürgerbriefe und unzählige Bürgermails.

Das EJPD setzt auf den herkömmlichen, wohlbewährten Internetauftritt. Ein wenig stolz berichtet Zanolari: «Unsere Website wird pro Monat rund 900’000 Mal besucht.»

Zufriedener Initiant

Bundesrat Leuenberger scheint vom Erfolg seines neuen Projekts überrascht und angetan zu sein. Dies zeigt auch der Anfang seines Blog-Eintrags zum 15. März:

«Auch im Bundeshaus ist mein Blog wohlwollend aufgenommen worden, so begrüsste mich der Präsident der ständerätlichen Umweltkommission ganz offiziell als ‹Bundesrat Blogger›, was zunächst für Verwirrung sorgte – auch bei mir.»

swissinfo, Etienne Strebel

Ein Weblog (engl. Kreuzung aus Web und Log), häufig abgekürzt als Blog, ist ein digitales, interaktives Medium zur Darstellung des eigenen Lebens und von Meinungen zu spezifischen Themengruppen.

Das Logbook, (Schiffstagebuch) leitet sich vom Wort Log ab (urspr. Holzklotz), einem Messgerät, das in der Seefahrt zur Bestimmung der Geschwindigkeit eingesetzt wurde.

Blogs werden im Internet veröffentlicht. Sie haben sich mit den Jahren weiterentwickelt und können dem Austausch von Informationen, Gedanken, Erfahrung und Kommunikation dienen.

Schreiben in einem Blog wird als bloggen bezeichnet. Die ersten Weblogs tauchten Mitte der 1990er-Jahre auf.

Ab 1996 wurden Services eingerichtet, die Internetnutzern auf einfache Weise das Erstellen eines eigenen Weblogs ermöglichten. Nach einem langsamen Start wiesen solche Seiten ab Ende der 1990er-Jahre ein schnelles Wachstum auf. So wuchs zum Beispiel der Blog-Anbieter Xanga von 100 Blogs im Jahr 1997 auf 20 Mio. im Jahr 2005.

Seit 2004 wird das Bloggen immer mehr geschäftlich, aber auch politisch eingesetzt.

Nur wenige Blogger können dank Werbung von Ihrer Arbeit leben.

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