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Debatte über Bankgeheimnis entbrannt

Keystone

Die Übermittlung von Kundendaten durch die Bank UBS an die US-Steuerbehörden hat die Debatte um das Schweizer Bankgeheimnis neu entfacht. Die politische Rechte steht geschlossen hinter dem Bankgeheimnis; die Linke und die Mitte hinterfragen die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung.

«Hände weg vom Bankgeheimnis!»: Unter diesem Slogan hat die rechtspopulistische Lega dei Ticinesi dieser Tage eine Volksinitiative lanciert, die das Bankgeheimnis in der Bundesverfassung festschreiben will.

Konkret sollen neue Absätze im Artikel 13 «Schutz der Privatsphäre» in der Bundesverfassung verankert werden. Gemäss Initiativtext dürfen demnach «ohne Zustimmung des Bankkunden keine Informationen an ausländische Behörden oder Bundesbehörden, die nicht an das Bankgeheimnis gebunden sind, weitergeleitet werden.»

Die Initiative hält aber auch fest, dass das Bankgeheimnis nicht dazu dienen darf, «Terrorismus, Organisierte Kriminalität oder Geldwäscherei» zu decken. Rechtshilfe an ausländische Behörden soll nur dann geleistet werden, wenn das mutmassliche Vergehen auch in der Schweiz strafbar ist (dazu gehört zur Zeit die Steuerhinterziehung nicht).

Das Anliegen der Lega wird von der Tessiner SVP unterstützt. Auf nationaler Ebene war bereits 2002 eine parlamentarische Initiative lanciert worden. Im Jahr 2008 doppelte SVP-Nationalrat Hans Fehr mit einem erneuten Vorstoss nach, wonach das Bankgeheimnis in der Verfassung zu verankern sei.

SVP will Retourkutsche

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) geht sogar noch weiter: Sie fordert eine schlagkräftige Retourkutsche gegenüber den USA. So sollte überlegt werden, den Verkauf von Beteiligungen an US-Fonds in der Schweiz zu verbieten und das in den USA gelagerter Gold der Nationalbank zurückzuziehen. Auch eine Aufnahme von Häftlingen aus Guantanamo kommt für die SVP derzeit nicht in Frage.

Die Partei negiert zudem, dass die jüngsten Probleme mit der Tatsache zu tun haben, dass die Schweiz die Steuerhinterziehung nicht als Strafdelikt behandelt. Bei den Kundendaten, welche die UBS an die US-Steuerbehörden übermittelt hat, ging es um Fälle von mutmasslichem Steuerbetrug. «Wenn der Bundesrat der üblichen Praxis gefolgt wäre, hätten die USA die Daten auf alle Fälle erhalten», sagt SVP-Fraktionschef Caspar Baader.

Die SVP ist der Ansicht, dass die grossen Finanzinstitute in jedem Staat eigene Gesellschaften gründen sollten – ohne Verpflichtung auf gegenseitigen Datenaustausch. «Damit wäre eine amerikanische UBS in den USA nicht erpressbar», so Baader.

Nötige Reformen

Bei der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) sieht man dies anders. Eine Anpassung des Strafrechts sei nötig. Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung sei nicht mehr lange aufrecht zu erhalten, sagt CVP-Fraktionschef Urs Schwaller.

Seiner Meinung nach ist der internationale Druck zu gross geworden. Die CVP verlangt daher die Einrichtung einer Task-Force, welche eine neue Strategie für den Finanz- und Bankenplatz Schweiz erarbeitet – ohne die fragwürdige Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Regierung, Banken und Experten müssten Leitlinien erarbeiten, «in welche Richtung der Finanzplatz in den nächsten 5 bis 10 Jahren gehen will,» so Schwaller.

Dieselbe Forderung hat auch die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) erhoben. «Unabhängige Experten müssen eine realistische Einschätzung der Situation vornehmen», sagt SP-Vizepräsidentin Jaqueline Fehr. Die SP will aber das Bankgeheimnis nicht als solches aushebeln. Der Schutz der Privatsphäre von Sparern müsse auch in Zukunft gewährleistet sein.

Für die SP stellt die Frage des Steuerbetrugs den Kern des Problems dar, wie SP-Präsident Christian Levrat dieser Tage sagte. Wer Steuern hinterziehe, müsse strafrechtlich genauso zur Verantwortung gezogen werden wie Personen, die Steuerbetrug begingen. Somit sei eine internationale Rechtshilfe auch in Fällen von Steuerhinterziehung gewährleistet.

Diese Position wird auch von den Grünen geteilt, die im übrigen wie die SVP eine Dringlichkeitsdebatte zum Thema in der kommenden Frühjahrsession des Parlaments verlangen.

Neue Zinsbesteuerung

Sowohl die Sozialdemokraten wie auch die Christlichdemokraten sind der Auffassung, dass in einer ersten Phase, in der die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung noch gültig ist, neue Abkommen zur Zinsbesteuerung ausgehandelt werden könnten, so wie es mit der EU erfolgt ist.

Levrat präzisierte aber, «dass langfristig ein Beitritt zum automatischen Informationsaustausch über Zinserträge unvermeidbar ist, wenn man nicht immer unter Druck stehen will.»

Das Zinsbesteuerungsabkommen ist für FDP-Fraktionschefin Gabi Huber ein effizientes Mittel, weil es Drittstaaten die Erträge aus den Spareinlagen ihrer Bürger garantiert, welche diese in der Schweiz deponiert haben.

Huber ist allerdings überzeugt, dass sich hinter den Forderungen aus dem Ausland an die Schweizer Banken ein Machtkampf der diversen Finanzplätze verbirgt. Die FDP sieht in den Zinsbesteuerungsabkommen keine Übergangslösung, sondern einen dauerhaften und pragmatischen Ansatz, um die in der Schweiz verankerte Unterscheidung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung beizubehalten.

swissinfo und Agenturen
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Schon immer gehörte ein Maximum an Diskretion zu den Merkmalen des Bankenplatzes Schweiz. Doch erst 1934 wurde das Bankgeheimnis gesetzlich verankert.

Der Artikel 47 des Bankengesetzes legt die Strafen fest, welche bei der Verletzung des Bankgeheimnisses auferlegt werden (bis zu 3 Jahre Gefängnis oder bis 250’000 Franken Busse).

Die Festschreibung des Bankgeheimnisses erfolgte nach zwei Jahrzehnten starker Expansion des Schweizer Finanzplatzes.

Die Schweiz war nach dem Ersten Weltkrieg eines der Länder mit der weltweit stärksten Währung, einem tiefen Steueransatz und einem sehr stabilen politischen System. Diese Faktoren führten zusammen mit dem Bankgeheimnis dazu, dass die Schweiz zu einem beliebten Fluchtort für internationales Kapital wurde.

Der damalige katholisch-konservative Finanzminister Jean-Marie Musy gehörte zu den «Erfindern» des Bankgeheimnisses. Schon 1920 erklärte er, dass die Schweiz nicht die Rolle eines Polizisten gegenüber Fluchtkapital aus anderen Ländern, insbesondere gegenüber Deutschland, spielen müsse.

Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) will ihren Kampf gegen Steuerparadiese ausweiten und die Versprechungen einiger verdächtiger Länder auf Zusammenarbeit genauer prüfen.

Die Staats- und Regierungschefs einiger EU-Länder drohten bei einem Treffen am vergangenen Sonntag in Berlin erstmals auch mit Sanktionen gegen einzelne Staaten und Finanzzentren, die eine Kooperation verweigern.

Für den G20-Gipfel am 2. April in London soll eine überarbeitete Liste vorliegen. Auf der bisherigen «schwarzen Liste» der kooperationsunwilligen Steuerparadiese figurieren Liechtenstein, Monaco und Andorra. Die Schweiz ist zum Treffen nicht eingeladen.

In der Schweiz ist Steuerhinterziehung, also das Nichtdeklarieren oder «Vergessen» von Einkünften auf der Steuererklärung, kein Straftatbestand, sondern lediglich eine Übertretung.

Steuerbetrug, also das bewusste Fälschen von Urkunden, ist in der Schweiz strafbar. Bei Steuerbetrug leistet die Schweiz andern Ländern Rechtshilfe, nicht aber bei Steuerhinterziehung. Oder anders gesagt: Im Falle von Steuerhinterziehung wird das Bankgeheimnis nicht aufgehoben.

In vielen Ländern, so in den USA und der EU, ist Steuerhinterziehung ein Straftatbestand. Diese Länder üben Druck aus, damit die Schweiz auch bei Verdacht auf Steuerhinterziehung Kundendaten preis gibt.

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